Training zwischen Lust und Frust
23:36 Minuten
Wer nicht körperlich fit ist, kommt bei der Polizei nicht weit. Die Sportlichkeit vieler Auszubildenden lässt aber häufig zu wünschen übrig. Und auch im Dienstalltag läuft in puncto Trainingsbedingungen in Berlin nicht alles rund.
Ein trüber Dezembermorgen auf dem Gelände der Polizeiakademie in Berlin Spandau. Hier werden derzeit rund 3000 junge Auszubildende auf den mittleren und gehobenen Polizeidienst vorbereitet.
Stefan Schwinge führt durch die Einrichtung. "Wir werden uns jetzt in eine Klasse begeben, die im September begonnen hat bei der Polizei. Die sind also gerade zwei Monate da und werden grundlegend in der Bewegungslehre, einsatzbezogene Selbstverteidigung geschult."
Training auf dem Outdoor-Parcours
Schwinge ist seit 1986 bei der Polizei und selbst ehemaliger Leistungssportler mit Schwerpunkt Speerwurf, später sechs Semester Sport und Ausbildung für den Gehobenen Polizeidienst. Seit Anfang der Nullerjahre bereitet er als Sportlehrer junge Polizisten und Polizistinnen auf ihre künftigen Einsätze vor. Auf dem Akademiegelände sind alle dafür nötigen Einrichtungen konzentriert: eine Sporthalle mit Lehrschwimmbecken, natürlich auch ein Sportplatz mit einem seit kurzem angeschlossenen Outdoor-Parcours.
"Die körperliche Leistungsfähigkeit ist eine Schlüsselqualifikation für die Funktionsfähigkeit der Polizei und gehört zum Berufsbild. Sie ist eine Voraussetzung, um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen und sich selbst zu sichern." So lautet die erste von zehn "Grundpositionen des Deutschen Polizeisportkuratoriums zum Sport in der Polizei".
Das Kuratorium ist ein Bund-Länder-Gremium, das die gemeinsamen polizeisportlichen Interessen wahrnimmt. Zuständiger Fachbereichsleiter für das Einsatztraining an der Polizeiakademie Berlin ist Polizeidirektor Ivo Engelmann. Er ist zugleich Landespolizeisportbeauftragter.
Die Grobaufteilung des Sports bei der Polizei erklärt er so: "In Berlin haben wir den Landespolizeisport, wir haben Sport für die Ausbildung, Sport für die Weiterbildung, also fürs Berufsleben. Wir haben den Wettkampfsport und wir haben die vierte Säule, den Gesundheits- und Präventionssport, dem wir eine große Bedeutung beimessen."
Schwerpunkt Schwimmen bei der Berliner Polizei
Im Rahmen der Ausbildung zum gehobenen Dienst wird seit Jahren auch Leistungssport gefördert. Ähnlich wie bei der Bundeswehr gibt es ein Förderkonzept, bei dem angehende Polizisten sich neben der polizeilichen Ausbildung auch ihrem Sport widmen können. Große Hoffnungen setzt Trainer Stefan Schwinge auf ein seit Herbst 2019 laufendes Modellprojekt mit drei Spitzensportlern.
Zumindest die Disziplinen der potenziellen Medaillengewinner verrät er: "Eine Ruderin, wir haben einen Wasserspringer und einen Radfahrer. Natürlich hoffen wir, dass die dann olympische Ehren irgendwann erfahren werden – das ist das Fernziel. Schau'n wir mal!"
Bei der Bereitschaftspolizei geht es dagegen um Basistraining und allgemeine körperliche Fitness. Die Grundausbildung umfasst hauptsächlich drei Elemente, berichtet Ivo Engelmann.
"Das eine sind die sogenannten konditionsfördernden Übungen, da muss man grundlegende Leistungsfähigkeiten nachweisen. Dann haben wir einen großen Schwerpunkt Schwimmen und Retten – wir haben ja in Berlin mehr Brücken als in Venedig, dementsprechend auch viele Wasserflächen zu betreuen. Ist immer wichtig, dass man da auch mal jemand hinterherspringen und retten kann."
Grundelemente der Selbstverteidigung
Was in Zeiten, da auch in Berlin Schwimmhallen schließen und schulischer Schwimmunterricht häufig ausfällt, gar nicht mehr selbstverständlich ist, klagt Engelmann. Nur mit hohem Aufwand lasse sich dieses Defizit einigermaßen beheben. Eine Kooperation mit den Bäderbetrieben, die Polizistinnen und Polizisten die Möglichkeit zu kostenlosem Schwimmen gab, ist ausgelaufen. Über eine Ersatzregelung wird gerade verhandelt.
"Und dann haben wir den sehr großen Bereich der einsatzbezogenen Selbstverteidigung, der natürlich die Zwangsrechte, das Gewaltmonopol, aber auch die Abwehrmöglichkeiten eines Polizisten beinhaltet."
"Nur die Führhand, ich will keine Schlaghand sehen."
Im Sportraum verteilt trainieren 13 angehende Auszubildende, darunter vier Frauen, nach den Anweisungen von Trainerin Josefine Werkner die Grundelemente der einsatzbezogenen Selbstverteidigung. Dem Laien erscheinen die Übungen als ein Mix aus Box- und Karate-Bewegungen. Es geht um eine optimale Koordination von Füßen und Beinen, um Techniken, die die Einsatzkräfte in die Lage versetzen, bei unvorhersehbaren Angriffen nicht zu Schaden zu kommen.
Wer seinen Traumberuf bei der Polizei ergreifen will, muss neben der theoretischen Prüfung auch einen Sporttest absolvieren: "Hier ist unser aktueller Ausbildungsparcours aufgebaut, der dann als ein Teil der konditionsfördernden Übungen zu absolvieren ist, auch als Prüfung neben der Athletik, wo dann die Klimmzüge und Liegestütze beispielsweise dazugehören", erläutert Stefan Schwinge.
Unlängst wurde in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule in Köln ein neuer Hindernisparcours entwickelt. Ein bundesweit bislang einmaliges Verfahren, sagt Fachbereichsleiter Engelmann stolz: "Da gibt es so Sachen wie Zug- und Druckkräfte, die bei Festnahmesituationen entstehen. Und die Konditionsfähigkeit – das ist ein Parcours, der hat es in sich, der ist knackig. Für gute Läufer 3:20 Minuten, wenn ich mich recht erinnere."
Muskeltraining mit Lkw-Reifen
Tatsächlich ist der aktuelle Parcours nicht ohne. Da gilt es, eine Flanke über ein Querpferd hinzulegen, am Parallelbarren im Schwung nach rechts und links auszuscheren, einen Unterschwung am Stufenbarren zu schaffen, dazwischen mit je einer Vorwärts- und Rückwärtsrolle aufzuwarten und eine 1,80 hohe Holzwand zu überwinden.
In den aktuellen Anforderungsrichtlinien heißt es: "Beachte: statt des Bocks muss fortan ein Lkw-Reifen gekippt werden!"
Lkw-Reifen statt Bock? Das klingt nach Bemühen um mehr Realitätsnähe in Einsatzsituationen. Das zweite Element des Sporttests ist ein 2000-Meter-Lauf. Männer bis 29 Jahre sollen diese Strecke in maximal 9:20 Minuten schaffen, Frauen in höchstens 11:20. Klingt machbar, sollte man meinen. Dennoch erleben die Sportlehrer häufig auch unangenehme Überraschungen.
"Es kommen viele gut vorbereitet, es kommen aber auch sehr viele nicht vorbereitet, die der Meinung sind: Den Test nehm‘ ich mal so eben mit. Die sind sich also häufig den Anforderungen nicht bewusst."
Beim 2000-m-Lauf wundern wir uns manchmal – da weiß man ja, was man machen muss. Die Zeit ist bekannt, der Weg ist bekannt, und da würde jetzt jeder normale Mensch sagen, dann trainier ich darauf. Wir sehen aber leider auch in vielen Fällen erschreckende Ergebnisse, die wir dann haben, wo dann die Bewerberinnen und Bewerber einfach auf der Hälfte der Strecke stehen bleiben und nicht weiterrennen.
Was umso enttäuschender sei, da das erwünschte Leistungsprofil nicht dem eines Modellathleten oder einer Superwoman entspricht. Findet Engelmann.
"Wir brauchen jetzt keine Marathonläufer, wir brauchen keine Boxweltmeister, wir brauchen auch keine Schwimmweltmeister, sondern wir brauchen so einen Allrounder, der in der Lage ist, einen langen Dienst zu überstehen. Er muss eine gute Grundkondition habe, der Körperbau muss entsprechend angepasst sein."
Auf die Fitness kommt es an
Körperliche Fitness als Grundvoraussetzung für die Ausübung des Polizeiberufs? Unbedingt, findet auch Benjamin Jendro. Er ist Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei. Sein Eindruck: Spätestens beim Sporteignungstest trennt sich häufig schon die Spreu vom Weizen.
"Es ist nicht so, dass alle, die zur Polizei kommen, jung und drahtig sind. Natürlich müssen die durch den Sportleistungstest am Anfang kommen, da versuchen wir auch, in der Vorbereitung was zu ermöglichen. Aber in der Ausbildung muss auch noch die eine oder andere Runde auf der Tartanbahn abgelegt werden, weil eben auch junge Leute teilweise sich bei der Polizei bewerben, die die Leistungsfähigkeit noch nicht mitbringen."
Schließlich erwartet die Auszubildenden später ein kräftezehrender Dienstalltag. Gerade die Arbeit bei den Einsatzeinheiten verlangt ziemliches Durchhaltevermögen. Zwölf-Stunden-Dienste, stundenlange Begleitung von Demonstrationen – das Ganze in Uniform und mit schwerem Gepäck. Das Gewicht der Ausrüstungsgegenstände summiere sich leicht auf 15 Kilo.
"Das fängt bei den Schuhen an und endet beim Helm. Meines Wissens sind das so roundabout 15 Kilo, teilweise noch mehr. Man muss ja auch seine Ausrüstungsgegenstände mitzählen, den Tonfa, also den Mehrzweckstock, den wir haben, die Pistole, Handfessel, Reizgassprühgerät, diverse andere, Funkgeräte etc."
Das hinterlässt auf die Dauer Spuren, sagt Benjamin Jendro. Speziell bei Kolleginnen und Kollegen, die dann im Büro sitzen oder den ganzen Tag bei Demonstrationen die persönliche Schutzausstattung tragen.
"…die schon in den Vierzigern dann irgendwann über Rückenprobleme klagen. Das ist dann Aufgabe des Dienstherrn, hier der Fürsorgepflicht nachzukommen und das viel mehr zu implementieren in den normalen Dienstablauf."
Nachwuchsprobleme bei der Polizei
Ein weiteres Dilemma: Aufgrund des demografischen Wandels drohe schon bald eine beträchtliche Personallücke. Ob es nur daran liegt? Oder hat der Polizistenjob auch aus anderen Gründen an Anziehungskraft verloren? In den nächsten sieben Jahren werden von den 26.000 Beschäftigen bei der Berliner Polizei an die 10.000 in den Ruhestand gehen. Jetzt, so der Gewerkschaftssprecher, räche es sich, dass der Senat jahrelang am Personal und der Nachwuchswerbung gespart habe. Und das trotz wachsender Herausforderungen.
"Polizeiliche Aufgaben haben sich verändert, das Thema Terrorismus ist ganz groß geworden, wir haben viel mehr Demo-Geschehen, als das vielleicht noch vor zehn Jahren der Fall war – dementsprechend haben alle Länder-Polizeien festgestellt, wir brauchen mehr Personal, weil alle chronisch unterbesetzt waren."
Wachsende Nachfrage bei sinkendem Angebot qualifizierter BewerberInnen? Auf keinen Fall dürfe dies zu einer schleichenden Verschlechterung beim polizeilichen Nachwuchs führen, findet Ivo Engelmann. Schon gar nicht in Sachen körperliche Fitness. Zugeständnisse möchte er allenfalls bei konkreten Details des Sporttests machen.
"Wir haben uns jetzt auf ein Feld fokussiert, wo wir festgestellt haben, wir wollen mal schauen, was suchen wir eigentlich, auch in körperlicher Hinsicht? Was wollen wir eigentlich testen? Dass ein Polizist in seinem Leben mal 2000 Meter läuft, ist in der Realität eher unwahrscheinlich."
Tests werden den Realitäten angepasst
In diese Kerbe schlägt auch Polizeigewerkschafter Jendro: "Beim Sporttest gab es Diskussionen. Ist es weiterhin Ausschlusskriterium, dass eine junge Kollegin es nicht schafft, über ein Pferd zu springen? Ist das weiterhin Ausschlusskriterium? Oder muss man jetzt wirklich sagen: Okay, da fehlt ein Klimmzug, deswegen ist sie jetzt durchgefallen? Das überarbeitet man gerade, darüber unterhält man sich."
Die Modifikation des Sporttests ist aber nur ein Element einer größeren Reform des Einstellungsverfahrens.
"Man muss sagen, dass der Einstellungstest, das Einstellungsverfahren bei der Berliner Polizei ohnehin überarbeitet wird, weil wir in den letzten Jahren ja auch Skandale in der Polizeiakademie hatten und auch große Zweifel am Nachwuchs aufgekommen sind. Der Sporttest ist da nur eine Komponente. Jetzt im Zuge des Programms gegen extremistische Tendenzen geht es vor allem auch um das psychologische Gespräch. Man hört ja nur fünf Minuten in die Leute rein, um die kennenzulernen – das ist ein bisschen wenig. Das wird also optimiert."
In der Sporthalle ist die Aufwärmphase vorbei. Trainerin Josefine verschärft die Dynamik der Übungen.
"So, jetzt nehmen wir noch mehr Hände mit dazu. Zur Führhand, Schlaghand kommen noch die Aufwärtshaken dazu. Bewegen, bewegen blocken…"
"Sie müssen lernen, ihre Beine zu kontrollieren, damit sie dann bei den entsprechenden Fertigkeiten, die sie erwerben zwecks Festnahme oder Abwehr von Fern- und Kontakteingriffen in der Lage sind, entsprechend zu handeln. Und sie müssen natürlich auch eine gewisse Sturzprophylaxe haben, wenn sie zu Boden geraten im Einsatz, dann handlungsfähig und einsatzfähig zu bleiben."
Corona beeinflusst Polizeiausbildung
Ziel ist es, die so erworbenen Skills im Dienst möglichst effizient einzusetzen. Bei jeder Aktion gelte allerdings das Gebot der Verhältnismäßigkeit, stellt Ivo Engelmann klar. Er nennt ein Beispiel. Während des pandemiebedingten Lockout im Frühjahr 2020 musst die Akademie vorübergehend schließen. Die dort Beschäftigen wurden in sogenannte "Corona-Streifen" gesteckt. Ihre Aufgabe: die Einhaltung der Hygienemaßnahmen zu überprüften. Angesichts vieler Maskenverweigerer kam aus Teilen der Bevölkerung bald der Ruf nach härterem Durchgreifen.
"Jetzt wird immer kritisiert, wir sind da vielleicht zu lasch, stimmt aber nicht. Wir gucken da differenziert drauf. Und da, wo es erforderlich ist, konsequent einzugreifen, tun wir das. Der Verstoß gegen die Maskenpflicht ist keine Straftat, ist eine Ordnungswidrigkeit. Wir befinden uns da in einem Opportunitätsprinzip, wir haben da ein Ermessen."
Anders verhält es sich, wenn Beamte attackiert werden. Die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols verlange ein besonders intensives Training.
"Wir haben auch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt. Wir haben Waffen, wir haben Schusswaffen – das gesamte Repertoire muss dann die Nachwuchskraft auswählen, was sie in der jeweiligen Situation hat. Wenn ein Messerangriff passiert, was nehme ich denn da? Kann ich da meine Hände nehmen und mich schützen oder müssen da andere Mittel – rein rechtlich gesehen. Das muss er auch begründen."
Und wie steht es mit Aktionen wie dem zu trauriger Berühmtheit gelangten Knie-Würgegriff auf den Hals eines potenziellen Delinquenten? Bei einem brutalen Polizeieinsatz im Mai 2020 in Minneapolis war der schwarze US-Amerikaner George Floyd auf diese Weise getötet worden. So etwas werde bei der Berliner Polizei gar nicht trainiert, versichert Ivo Engelmann.
"Angriffe auf den Hals oder auf die Genitalzone – bei Notwehr und Hilfesituationen können die notwendig sein. Aber wenn wir in den polizeirechtlichen Zwang reingehen, haben wir die Maßgabe, verhältnismäßig vorzugehen. In dem Moment, wo Sie schlagen, ist Ihre Faust wirklich zu."
Größere Beachtung auf Terrorabwehr
Ein wichtiges Kapitel ist der Einsatz von Schusswaffen. In Zeiten wachsender Terrorgefahren hat dieser Aspekt in jüngerer Zeit an Bedeutung gewonnen.
"Auch der Berliner Senat hat sich im Jahr 2016 nach dem furchtbaren Anschlag entschlossen, noch mal mehr und intensiver in die innere Sicherheit zu investieren. Ich weiß jetzt gar nicht, wie viele Millionen da reingeflossen sind in diese Sparte. Allein schon der Bau von einem Einsatztrainingszentrum verschlingt Millionenbeträge. Auch neue Waffen sind nicht gerade preiswert und bekommt man beim Discounter. Das muss auch bezahlt werden. Aber war auch richtig, dass das getan wird."
Die Anschaffung neuer Ausrüstungen und Waffen ist das eine, der richtige Umgang damit das andere.
"Natürlich spielt im Moment gerade die Frage eine ganz große Rolle, wie wir im Falle von Terrorangriffen reagieren. Wir haben neue Dienstwaffen bekommen, neue Waffensysteme haben wir eingeführt, die müssen trainiert werden, wir haben eine neue Schutzausrüstung bekommen, das muss trainiert werden. Wir müssen den großen Teil der Kommunikation, wie man im Einsatz agiert zusammen, das muss trainiert werden."
Um das Training mit Schusswaffen war es in Berlin bis vor Kurzem nicht gut bestellt. Jahrelang, so berichtet Polizeigewerkschafter Jendro, hätten die KollegInnen an Schießständen geübt, die noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammten.
"Das hat dann zur Folge gehabt, dass man nicht, wie früher, dreimal im Jahr schießen gehen musste, um die Waffe noch weiter tragen zu dürfen, sondern teilweise nur noch einmal. Und das eine Mal auch noch weggegangen wurde vom Schartenschuss aufgrund der fehlenden Kapazitäten hin zu einer Art Playstation-Schießen. Also ohne Rückstoß, ohne entsprechende Akustik."
Erschwerend sei hinzugekommen, "dass man halt sein Schießtraining nicht, wie es normalerweise sein sollte, in Bewegung absolviert, mit anderen Einsatzmitteln wie beispielsweise den Tonfa, der Taschenlampe, was auch immer, sondern dass es ein statisches Schießen war. Das heißt, ich stell mich an den Schießstand, ich drück' ab und das war’s. Das ist natürlich absolut unrealistisch für’s Einsatzszenario, wenn ich einen Terroristen hab und mobil sein muss. Das heißt, da gehört dann ein bisschen mehr dazu."
Inzwischen bemüht sich die Berliner Polizei mit hohem Investitionsaufwand, solche Defizite zu beheben. Derzeit werden drei neue Hauptschießanlagen und ein neues Einsatztrainingszentrum errichtet. Bereits 2020 wurden zwei Schießanlagen in den Bezirken Spandau und Marzahn eingeweiht. Dennoch, so Engelmann, sei der Einsatz von Schusswaffen auch in Situationen, wo eine kommunikative Lösung nicht funktioniere, immer nur das allerletzte Mittel.
"Zum Glück ist es so, dass wir bei solchen Situationen von den Schusswaffen oder von den Waffen so gut wie gar keinen Gebrauch machen müssen. Das ist aus meiner Sicht dem Qualifikationsgrad unserer Schutzpolizisten und Kriminalpolizisten geschuldet."
Die Polizeischüler kombinieren jetzt verschiedene Varianten der Selbstverteidigung. "Sport erhält und steigert die körperliche Leistungsfähigkeit. Im Dienstsport ist dafür ein wirksames Sportangebot zu offerieren und unter qualifizierter Aufsicht durchzuführen. Darüber hinaus soll der Dienstsport zu einem regelmäßigen Training in der Freizeit motivieren."
Wenig Resonanz auf Dienstsportangebot
Auch dies eine Grundposition des Polizeisportkuratoriums. Entsprechende Angebote existieren im polizeilichen Alltag, versichert Ivo Engelmann.
"Es gibt regelmäßige Fortbildungsverpflichtungen. Wir haben auch ein Angebot an Dienstsport, was die MitarbeiterInnen wahrnehmen können – mehrere Stunden im Monat. Gerade im Bereich des Gesundheits- und Präventionssports, da legen wir großen Wert drauf, da haben wir auch n sehr großen Bedarf an der Stelle."
Das Angebot ist also da. Aber wird es auch wahrgenommen? Benjamin Jendro sieht hier einen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis.
"Wir würden schon dafür plädieren, dass wirklich so mit zwei bis drei Stunden pro Woche festzuschreiben. Wo man den Kolleg*innen sagt: Macht jetzt drei Stunden Sport, dafür macht ihr dann nur noch 37 Stunden Arbeit – das fest einzuplanen, weil es ist festgeschrieben, dass die Führungskräfte darauf achten sollen in der Planung. Aber in der Praxis wird das häufig nicht getan."
Vielfach mangle es schlicht an den strukturellen Voraussetzungen. Jendro zieht einen Vergleich mit den Verhältnissen bei der Feuerwehr. Seine Gewerkschaft – dies eine Besonderheit – vertritt in Berlin auch deren Mitglieder.
"Man muss auch darüber reden, dass es auf den Dienststellen überhaupt keine Sportmöglichkeiten gibt, oftmals. Anders ist es bei der Feuerwehr. Jede Feuerwache hat mindestens einen Kraftraum, wenn nicht sogar einen Sportraum, wo die KollegInnen sich gerade in den Bereitschaftszeiten sportlich fit halten können. Das passiert bei der Bereitschaftspolizei der Berliner Polizei durchaus auch, dass es da Krafträume gibt. Aber auf den Polizeiabschnitten zum Beispiel nicht."
Mangelnde Sportmöglichkeiten auf Dienststellen
Die Bereitschaft, einen eigenen Beitrag für die persönliche körperliche Fitness zu leisten, sei durchaus vorhanden. Viele KollegInnen gehen Schwimmen. Oder spielen Fußball. In ihrer Freizeit. Aber die Möglichkeiten auf den Dienststellen selbst sind meist nicht vorhanden.
"Und das würde natürlich auch ein anderes Klima schaffen, wenn ich weiß, ich fahre heute auf den Abschnitt, kann mal in der Mittagspause noch ein bisschen was machen, was auch immer – ob Yoga, ob Kraftsport, und das ist nicht gegeben. Hier muss nachgerüstet werden. Zumal es jetzt bei den Liegenschaften auch nicht gerade ein breites Angebot gibt."
Beim Training der einsatzbezogenen Selbstverteidigung geht es heute abschließend um sturzprophylaktische Übungen.
"Ich bin jetzt gestürzt. Wie viel Zeit habe ich, um in eine seitliche Verteidigungsposition zu kommen?" – "Warum ist es blöd, im Bodenkampf zu landen?"
Vorbild Feuerwehr
"Die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten sollen Einsichten in die Notwendigkeit regelmäßiger sportlicher Betätigung außerhalb und innerhalb des Dienstes sowie für eine gesunde Lebensführung vertiefen. Sie sollen gezieltes eigenverantwortliches Training zum Erhalt der körperlichen Fitness und der Gesundheit durchführen können." Aus den Richtlinien des Polizeisportkuratoriums.
Gewerkschaftssprecher Jendro sieht die Kollegen und Kolleginnen von der Feuerwehr im Vorteil: "Bei der Feuerwehr wird das Thema Gesundheitssport, auch Sport generell, ein bisschen höher gehangen. Die müssen auch immer wieder diese ärztlichen Überprüfungen machen, auch richtig mit Atemschutzmaske. Die müssen nachweisen, im Ein- oder Zweijahresrhythmus, dass sie diese körperliche Fitness noch besitzen. Sonst kriegen sie ein Problem."
Was viele nicht wissen: Der weitaus größte Teil der Arbeit von Feuerwehrleuten besteht nicht im Löschen von Bränden. In der täglichen Routine überwiegen vielmehr Rettungseinsätze.
Aber, sagt Jendro: "Bei der Feuerwehr noch die größte körperliche Belastung sind in der Tat nicht unbedingt Rettungseinsätze, sondern durchaus Brandeinsätze. Deswegen wird das ja auch ganz anders trainiert und auch in der Ausbildung. Ja, da geht es auch um Atemvolumen, muss man ja auch mal sagen. Das ist schon sehr belastend, wenn Sie in eine brennende Wohnung letztlich reingehen müssen. Aber auch um Material zu bewegen, da muss man ordentlich Kraft mitbringen. Es gibt nicht viele Frauen, die diese Ausbildung schaffen."
Bei den Kollegen und Kolleginnen von der Polizei sei es im Regelfall so: "Wenn Zweifel an Ihrer körperlichen Eignung bestehen: Dein Bauch ist schon wieder ganz schön gewachsen oder vielleicht gehste mal wieder ein bisschen trainieren. Wenn ein Kollege im höheren Alter nicht mehr so fit ist, fällt es nicht so stark ins Gewicht wie bei der Feuerwehr – muss man ganz klar sagen."
Was viele nicht wissen: Der weitaus größte Teil der Arbeit von Feuerwehrleuten besteht nicht im Löschen von Bränden. In der täglichen Routine überwiegen vielmehr Rettungseinsätze.
Aber, sagt Jendro: "Bei der Feuerwehr noch die größte körperliche Belastung sind in der Tat nicht unbedingt Rettungseinsätze, sondern durchaus Brandeinsätze. Deswegen wird das ja auch ganz anders trainiert und auch in der Ausbildung. Ja, da geht es auch um Atemvolumen, muss man ja auch mal sagen. Das ist schon sehr belastend, wenn Sie in eine brennende Wohnung letztlich reingehen müssen. Aber auch um Material zu bewegen, da muss man ordentlich Kraft mitbringen. Es gibt nicht viele Frauen, die diese Ausbildung schaffen."
Bei den Kollegen und Kolleginnen von der Polizei sei es im Regelfall so: "Wenn Zweifel an Ihrer körperlichen Eignung bestehen: Dein Bauch ist schon wieder ganz schön gewachsen oder vielleicht gehste mal wieder ein bisschen trainieren. Wenn ein Kollege im höheren Alter nicht mehr so fit ist, fällt es nicht so stark ins Gewicht wie bei der Feuerwehr – muss man ganz klar sagen."
Fehler müssen korrigiert werden
Polizeigewerkschafssprecher Benjamin Jendro wünscht sich, dass die Politik mit einer veränderten Personalpolitik die Fehler aus der Vergangenheit korrigiert. Sonst sehe es angesichts der demografischen Entwicklung bald düster aus.
"Die Arbeitsbelastung der Einzelnen sinkt nicht. Sie haben nicht den Ausgleich über Dienstsport. Sie gehen teilweise aus dem Schichtdienst, schlafen nicht richtig, werden krank, Krankenquote steigt, Unzufriedenheit steigt, und wir verlieren Leute. Wir verlieren Leute, schon bevor sie ins Pensionsalter eingehen. Weil sie sich auch einfach von den Einsätzen nicht mehr erholen, und dann sicherlich auch der eine oder andere sagt: Ganz ehrlich, warum soll ich mir det noch zwei Jahre antun?"
Diese Sendung ist eine Wiederholung vom 10. Januar 2021