Pollesch fälscht Pollesch

Von Eberhard Spreng |
Mit drei Metaphern begnügt sich René Pollesch in seinem neuen, gerade einmal einstündigen Abend. Erstens: Die vierte Wand.
Was in der Geschichte des Theaters einmal die Forderung nach einer Spielweise war, die von der Anwesenheit der Zuschauer absehen und zu naturalistischer Darstellung führen sollte - eine eben nur "gedachte" vierte Wand zwischen Bühne und Zuschauerraum - hat Bühnenbildner Bert Neumann hier tatsächlich detailgetreu in den Raum der Volksbühne gebaut: Die den Zuschauerraum einfassende Paneele setzt sich mitsamt ihrer Wandlampen auf der Bühne fort.

Für Augenblicke wird so Klaustrophobie erzeugt, die Angst vor einem Theater ohne Blick in eine andere Welt. Das passt zu einem Theatermacher, den Mimesis, Handlung, Drama nie interessiert haben. Ein Martin Wuttke in Paradeuniform stößt die Paneele an zwei Stellen auf und meditiert über Sinn und Zweck der vierten Wand. Und findet schnell zu Thema 2: Der Körper und die Seele.

Aufgeregt gestikulierend beteuert er, dass es nichts als den kruden Körper in seiner ganzen Materialität gibt, und keinen metaphysischen Wert, den man Seele nennen könnte. Mal ist es eine erstaunte Christiane Groß, auf die er einredet, mal Margit Carstensen: Eine Ménage à Trois mit ungeklärter Geschichte.

Dann schließlich stellt sich, drittens, ein Chor mit futuristischem Dress aus die Vorderbühne und verkündet, dass man nicht den inneren Wert eines Geldscheins (seine Kaufkraft zum Beispiel) betrachten sollte, sondern lediglich seine papierene Oberfläche. Wir haben schon verstanden: Weg mit den Vorstellungen, den Projektionen, den Träumen und Hoffnungen! Es lebe das Material!

Aber Pollesch geht es wie seinen Geldscheinen. Wo Geld nur noch durch Geld gedeckt ist, ist Pollesch nur noch nur Pollesch gedeckt und die Erinnerung an seine größere Taten. Pollesch fälscht Pollesch, oder: "Schmeiß Dein Theater weg!"