Pollmers Polemik

Die Bio-Bauern und ihre "Umweltmarotten"

Ein Landwirt versprüht Pflanzenschutzmittel
Ein Landwirt versprüht Pflanzenschutzmittel © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Udo Pollmer |
Auch Biobauern und Biowinzer nutzen Pflanzenschutzmittel, von denen einige nun verboten wurden. Das führte zu Missernten. Für Udo Pollmer ist die Sache klar: Gäbe es nur Biobauern, müssten wir bald hungern.
Unsere Biowinzer klagen über massive Ernteausfälle. Mancherorts können sie sich dieses Jahr die Weinlese ganz sparen. Die Situation klingt dramatisch: Ein Ökowinzer aus Bad Dürkheim berichtet, er habe seine Reben bereits in der ersten Jahreshälfte 70 Mal gespritzt. Derzeit versprühe er alle drei bis vier Tage Kupfer, ein nicht abbaubares Schwermetall, das nicht nur das Bodenleben schädigt, sondern auch die Leber. Doch "bevor die Ernte komplett kaputtgeht", sagt der überzeugte Biobauer, "muss das eben sein."
Für den Pilzbefall der Trauben machen die Ökowinzer nicht nur das regnerische Wetter verantwortlich, sondern auch das Verbot eines wichtigen Pilzvernichtungsmittels. Früher haben sie gegen falschen Mehltau Kaliumphosphonat eingesetzt – aber das Fungizid verschämt als Dünger oder Pflanzenstärkungsmittel ausgegeben. 2013 wurde Kaliumphosphonat von Amts wegen eindeutig als Pestizid eingestuft – und damit war es für den Ökolandbau perdu. Nun fordern Deutschlands Ökowinzer eine Zulassung
In Kreisen der Biowinzer wird beklagt, dass ihnen immer mehr Pflanzenschutzmittel entzogen würden. Da wäre zum Beispiel die Schwefelkalkbrühe zu nennen. Sie ist ein Tausendsassa, hilft gegen Milben, gegen Insekten und sogar gegen Schorf, Mehltau und Feuerbrand, – und daneben dient es bei Bioäpfeln noch zur Regulation der Fruchtgröße. Natürlich vernichtet das Mittel auch Nützlinge.

Das ganze Tal stinkt nach Schwefelkalkbrühe

In der Schweiz blicken die Biobauern neidvoll nach Südtirol, wo die Brühe in den Bio-Obstplantagen verregnet wird. Schließlich seien auch sie brennend an diesem Fungizid interessiert. Leider wurde es von den eidgenössischen Behörden der Giftklasse zwei zugeteilt, also der zweitgiftigsten von fünf Klassen. Die Bürger Südtirols sind von dem Mittel weniger begeistert: Denn nach einer solchen Beregnung stinkt das ganze Tal nach Schwefelkalk und Touristen reisen ab. Da das Mittel auch noch explosiv ist, darf es nicht durch Tunnel gefahren werden, die Lkws müssen die Passstraßen benutzen.
Unter Missernten leiden nicht nur Ökowinzer und Bio-Obstbauern. Im Spreewald beklagen die Biogurken-Erzeuger und in der Pfalz die Biokartoffel-Produzenten Totalausfälle. Auch ihnen fehlen geeignete Pilzmittel. Ihre holländischen Kollegen sind da offenbar geschickter. Sie behandeln ihre Biokartoffeln mit Kupferoxychlorid. Da dieses Fungizid in Holland seit 16 Jahren nicht mehr dafür verwendet werden darf, wurde es zum Blattdünger ernannt und schon kann es weiter versprüht werden. Dadurch haben wir immer lecker Biogemüse.

Die Früchte müssen entsorgt werden

Neben dem Pilzbefall werden Weinstöcke und Obstbäume von der Kirschessig-Fliege bedroht. Weil das aus Ostasien eingeschleppte Insekt zum ersten Mal richtig zuschlägt, sind konventionelle wie Ökobetriebe gleichermaßen betroffen. Egal ob Kernobst, Kirschen oder Beeren, alles wird reihum von den Insekten angestochen. Die Früchte fangen an zu gären und sind ungenießbar.
Zwar gibt es wirksame Pestizide gegen den Schädling – sowohl für konventionell als auch für biologisch Angebautes - aber sie nützen nichts, weil die Insekten die Früchte erst kurz vor der Reife anstechen. Wer aber sein Obst vor der Ernte behandelt, darf es aufgrund der Wartezeiten nicht mehr vermarkten. Vorbeugende Behandlungen sind nutzlos. Das Obst muss so oder so entsorgt werden.

Wieder Hungersnöte in Europa?

Wohin geht die Reise? Die Schweizer zeigen gerade, was passiert, wenn man Landwirte dafür bezahlt, dass sie ihr Korn nicht mehr mit Fungiziden behandeln. Das Ergebnis ist eine Missernte, teilweise sind die Körner so stark mit Schimmelgift belastet, dass der Weizen nicht mal mehr an Tiere verfüttert werden darf. Da landet wohl einiges, was mit viel Mühe erzeugt wurde, in der Müllverbrennungsanlage. Die Schweizer können sich ihr Brotgetreide ja auch sonst wo kaufen.
Wenn die Landwirtschaft nicht mehr der Ernährungssicherung dient, sondern der Befriedigung von Umweltmarotten, dann rücken Hungersnöte in Europa wieder in greifbare Nähe. Niemand kann garantieren, dass der internationale Handel mit Nahrung auch in Zukunft so bleibt wie bisher. Mahlzeit!
Literatur:
Schindler-Nickel D: Starker Pilzbefall in den Weinbergen trifft Biowinzer. Die Rheinpfalz 30. Juni 2016
Bock O: Die ersten Ökowinzer melden Totalausfälle. Frankfurter Allgemeine Online 30. Juli 2016
Schürer A: Wer ist schuld an der Missernte? NZZ Zürich aktuell 4. Aug. 2016
Bernhard E: Der Brandherd. Der Vinschger Wind, vom 16.5.2013; S.3
Palm G, Kruse P: Phosphonate für den Apfelanbau? Mitteilungen OVR 69 2014 (3) S.77-87
Bio-Farming-Systems: Curatio, Schwefelkalkbrühe. Sicherheitsdatenblatt gemäß Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, Anhang II, Version 31.3.2016
AgE: Viel Kupfer in importierten Bio-Kartoffeln? Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben 15. Aug. 2016
Zingg D: Zulassung von Schwefelkalk – vorerst ein Ding der Unmöglichkeit. FiBL Obstbautagung , Frick 29. Jan. 2003
Deter A: Versuchsweiser Einsatz von Kaliumphosphonat für Ökowinzer beantragt. topagrar Online 18. Juni 2016
Pimentel JC, Menezes AP: Liver disease in vineyard sprayers. Gastroenterology 1977; 72: 275-283
Spahl T: Wenn Wasser in den Bio-Wein geschüttet wird. Novo-Argumente 11. Juli 2016
Anon: Pfalz: Bio-Kartoffelbauern droht 100 Prozent Ernteausfall. Fruchthandel Onlie 21. Aug. 2016
Anon: Ernteausfälle bei Bio-Gurken im Spreewald. Die Welt mobil v. 11. Aug. 2016
Biofa, Münsingen: Biologischer Pflanzenschutz 2016. Online-Katalog biofa-profi.de
Kühne S: Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Ökologischen Landbau. Herbsttagung des Landesarbeitskreis Pflanzenschutz Sachsen-Anhalt, Naumburg 3./4. Nov. 1099
Bauer Willi: Kaliumphosphonat, Öko-Anbau und der Streit um die Zulassung. Bauer Willi vom 8. Juli 2016
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