Polnisch-deutscher Karikaturenstreit
Kurz nach dem EU-Gipfel sorgte das polnische Wochenmagazin "Wprost" für Aufregung: Auf dem Titelblatt war eine Karikatur abgebildet, die Angela Merkel mit entblößten Brüsten zeigte, an denen die Kaczyński-Zwillinge saugen. Das politische Berlin war empört - mit Ausnahme von Frau Merkel - und im sonst so sittenstrengen Polen hing die barbusige Kanzlerin an fast jeder Straßenecke. Martin Sander war zum Redaktionsbesuch bei "Wprost":
Stanisław Janecki, der Pole, dem es gelungen ist, die deutsche Öffentlichkeit einige Tage mithilfe einer Karikatur in Aufregung zu versetzen, sitzt an diesem Morgen mit verschmitztem Lächeln in seinem Ledersessel. Der Chefredakteur des populistischen Wochenmagazins "Wprost” zeichnet verantwortlich für die halbnackte Kanzlerin Merkel mit den saugenden Kaczyński-Zwillingen an den von einem Modell geliehenen Brüsten auf der Titelseite seines Blattes.
An den Wänden von Janeckis Chefzimmers im 26. Geschoß eines luxuriösen Bürohauses der Warschauer Innenstadt hängen zwei Landkarten. Auf der einen Seite das kompakt gerundete Polen von heute, auf der anderen die zerklüftete Piłsudski-Republik von 1930 - mit Wilna und Lemberg im Osten, doch ohne Breslau oder Stettin. Die Missstände im polnisch-deutschen Verhältnis sind Dauerthema bei "Wprost".
In der aktuellen Ausgabe analysiert der Berlin-Korrespondent Piotr Cywiński den "Versöhnungskitsch" und kritisiert, dass die Deutschen ihre Beziehungen mit Polen als Einbahnstraße betrachten. Wenn sich Polen um den Einfluss von Erika Steinbach sorgten, würden sie von deutschen Politikern mit den immer gleichen Worten beschieden: Frau Steinbach ist eine Miss Nobody. Aber Steinbach gehöre zur ersten Liga deutscher Politik, demnächst ausgezeichnet mit dem Bundesverdienstkreuz. Sie habe die Zahl der Vertriebenen auf 15 Millionen hochgetrieben, indem sie zu dieser Gruppe noch die Besatzungssoldaten samt Angehörigen zählte. Wie fast jeder polnische Bericht über Steinbach enthält auch dieser den Hinweis auf ihre Herkunft aus einer Familie von Besatzern und nicht von Vertriebenen.
An Steinbachs Seite erscheint bei Cywiński nicht nur der Preußische Treuhand-Mann Rudi Pawelka, sondern auch Ex-Kanzler Schröder. Die Rede ist schließlich von den Büchern des Holocaust-Leugners David Irving, die auf den Treffen deutscher Vertriebener feilgeboten würden. Das ist die Kulisse, vor welcher "Wprost"-Leser nur noch kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen können, dass deutsche Intellektuelle auf die Regierung Polens einschlagen, um gleich anschließend wieder Versöhnung zu fordern. Seit 20 Jahren führe Warschau mit Berlin einen Dialog unter Gehörlosen, fasst der Deutschlandkorrespondent zusammen.
Ob dieser Artikel nicht ein wenig schwarz-weiß geraten sei, erkundige ich mich bei Janecki. "Aber ein Zeitungsbericht ist doch keine wissenschaftliche Abhandlung", lächelt der Chefredakteur verschmitzt. Gegen Deutschland habe er nichts. Janecki erzählt von seinem Hamburger Großvater, der in den 1920er Jahren nach Polen kam und im Zweiten Weltkrieg in der Untergrundarmee gegen die Nazis kämpfte. Unter seinen deutschen Verwandten sei dieses Thema allerdings tabu.
Die Merkel-Kaczyński-Karikatur betrachtet Janecki nicht als antideutschen Affront. Er habe sie als Testballon konzipiert. Wieviel Satire aus Polen können die Deutschen wirklich vertragen, die für die von ihnen präsentierten Polenwitze nur allzu gern die Freiheit von Kunst und Meinung beanspruchen? Abgesehen von der Bundeskanzlerin hätten die deutschen Politiker und Journalisten diese Prüfung nicht bestanden.
Sie können das Gespräch mit Martin Sander über seinen Besuch bei der "Wprost" für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören.
An den Wänden von Janeckis Chefzimmers im 26. Geschoß eines luxuriösen Bürohauses der Warschauer Innenstadt hängen zwei Landkarten. Auf der einen Seite das kompakt gerundete Polen von heute, auf der anderen die zerklüftete Piłsudski-Republik von 1930 - mit Wilna und Lemberg im Osten, doch ohne Breslau oder Stettin. Die Missstände im polnisch-deutschen Verhältnis sind Dauerthema bei "Wprost".
In der aktuellen Ausgabe analysiert der Berlin-Korrespondent Piotr Cywiński den "Versöhnungskitsch" und kritisiert, dass die Deutschen ihre Beziehungen mit Polen als Einbahnstraße betrachten. Wenn sich Polen um den Einfluss von Erika Steinbach sorgten, würden sie von deutschen Politikern mit den immer gleichen Worten beschieden: Frau Steinbach ist eine Miss Nobody. Aber Steinbach gehöre zur ersten Liga deutscher Politik, demnächst ausgezeichnet mit dem Bundesverdienstkreuz. Sie habe die Zahl der Vertriebenen auf 15 Millionen hochgetrieben, indem sie zu dieser Gruppe noch die Besatzungssoldaten samt Angehörigen zählte. Wie fast jeder polnische Bericht über Steinbach enthält auch dieser den Hinweis auf ihre Herkunft aus einer Familie von Besatzern und nicht von Vertriebenen.
An Steinbachs Seite erscheint bei Cywiński nicht nur der Preußische Treuhand-Mann Rudi Pawelka, sondern auch Ex-Kanzler Schröder. Die Rede ist schließlich von den Büchern des Holocaust-Leugners David Irving, die auf den Treffen deutscher Vertriebener feilgeboten würden. Das ist die Kulisse, vor welcher "Wprost"-Leser nur noch kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen können, dass deutsche Intellektuelle auf die Regierung Polens einschlagen, um gleich anschließend wieder Versöhnung zu fordern. Seit 20 Jahren führe Warschau mit Berlin einen Dialog unter Gehörlosen, fasst der Deutschlandkorrespondent zusammen.
Ob dieser Artikel nicht ein wenig schwarz-weiß geraten sei, erkundige ich mich bei Janecki. "Aber ein Zeitungsbericht ist doch keine wissenschaftliche Abhandlung", lächelt der Chefredakteur verschmitzt. Gegen Deutschland habe er nichts. Janecki erzählt von seinem Hamburger Großvater, der in den 1920er Jahren nach Polen kam und im Zweiten Weltkrieg in der Untergrundarmee gegen die Nazis kämpfte. Unter seinen deutschen Verwandten sei dieses Thema allerdings tabu.
Die Merkel-Kaczyński-Karikatur betrachtet Janecki nicht als antideutschen Affront. Er habe sie als Testballon konzipiert. Wieviel Satire aus Polen können die Deutschen wirklich vertragen, die für die von ihnen präsentierten Polenwitze nur allzu gern die Freiheit von Kunst und Meinung beanspruchen? Abgesehen von der Bundeskanzlerin hätten die deutschen Politiker und Journalisten diese Prüfung nicht bestanden.
Sie können das Gespräch mit Martin Sander über seinen Besuch bei der "Wprost" für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören.