Polnisch-russischer Streit

Auschwitz-Gedenkfeier überschattet

Der russische Präsident Wladimir Putin im Kreml.
Russlands Präsident Wladimir Putin sagt: Er war nicht persönlich zum Ausschwitz-Gedenken eingeladen. © imago
Von Sabine Adler |
Den Präsidenten Russlands nicht zum Auschwitz-Gedenktag einzuladen, grenze an Dilettantismus, kommentierte Sabine Adler. Man hätte unterscheiden können zwischen Putin, dem Aggressor, und Putin als Repräsentanten der Armee, die vor 70 Jahren Auschwitz befreite.
Es war ein trauriger Tag. Sternstunden, in denen Menschen über sich hinauswachsen, etwa einem Gegner eine Brücke bauen, geschehen nicht auf Knopfdruck. Auch deshalb gibt es im politischen Alltag die Routine, das Prozedere.
Der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski hätte gut daran getan, auf die geübte Praxis des Auschwitz-Gedenkens ein weiteres Mal zurückzugreifen: Also einzuladen zu der Feierstunde in dem ehemaligen Vernichtungslager.
Zugegeben: In diesem Jahr war alles anders, denn in Europa tobt wieder ein Krieg und der wird ausgerechnet von denen angeheizt, die in Auschwitz die Befreier repräsentieren sollten. Dass dieser Spagat schwierig werden würde, war absehbar, dass er so daneben ging, ist peinlich. Es grenzt an Dilettantismus.
Komorowski, eigentlich durchaus ein Versöhner, machte den Anfang. Er hat die Gedenkfeier angekündigt, aber nicht dazu eingeladen. Der russische Präsident hat diesen Vorgang so verstanden, wie er in Bezug auf seine Person gemeint war: Sein Kommen war unerwünscht.
Ewa Kopacz, die Ministerpräsidentin, deren unterkühltes Verhältnis zur Ukraine kritisiert worden war, wollte die Scharte auswetzen. Ausgerechnet mit einer Einladung. Ganz persönlich bat sie den ukrainischen Präsidenten Poroschenko um sein Erscheinen. Und der Außenminister setzt den Punkt aufs I mit seinen Ausführungen, nicht die Russen, die Ukrainer hätten Auschwitz befreit.
Führung Polens hat sich gründlich blamiert
Damit hat sich die erste Riege des Landes leider gründlich blamiert und denjenigen, die sie abstrafen wollte, einen unfreiwilligen Dienst erwiesen. Denn dass ausgerechnet ein Land, aus dem die Befreier von Auschwitz stammen, nicht beim 70. Jahrestag dabei sein dürfte, weckte Mitleidsgefühle für die Russen. Die Überlebenden, um die es bei der Feier gehen sollte, hätte sehr wohl unterscheiden können zwischen Wladimir Putin, dem Aggressor, und Putin, dem Repräsentanten der Armee, die die Häftlinge vor 70 Jahren von ihrem Martyrium erlöste.
Der Tag in Auschwitz, vermutlich einer der letzten großen Jubiläen, an denen Überlebende teilnehmen können, hätte einen Moment bringen können, da auch jemand wie Putin über sich hinauswächst. Als 2010 über dem russischen Smolensk die polnische Regierungsmaschine abgestürzt war, ergriff Putin vor den Trümmern des Flugzeuges die Hand des polnischen Amtskollegen Tusk, um mit ihm gemeinsam in Trauer innezuhalten. Danach gab es einen kurzen politische Frühling, man versprach einander, das Verbrechen von Katyn endlich aufzuklären, dessen Tote die Polen ehren wollten.
Putins Geste kam überraschend, Tusk war entsprechend verwirrt, aber auch gerührt. Es sprach heute nicht viel dafür, dass sich Smolensk wiederholt, doch Komorowski, Kopacz und Schetyna haben einen solchen Augenblick der Besinnung und Nähe von vornherein ausgeschlossen. Somit war schon vorher klar: Dieser Tag wird nur traurig.
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