Polnische Literatur im 20. Jahrhundert
In dem Buch "Polen, das heißt nirgendwo" von Marta Kijowska geht es um die Geschichte der polnischen Literatur im 20. Jahrhundert. Die Reihe der Protagonisten reicht vom Dichter Stanisław Wyspiański über Bruno Schulz, den polnisch-jüdischen Avantgardisten der Zwischenkriegszeit, bis zu Czesław Miłosz, der seit den dreißiger Jahren jeder Epoche seinen Stempel aufgedrückt hat.
"Im Westen beneiden sie uns um dieses Land, über das es sich so interessant schreiben lässt. Ich weiß nicht, was daran interessant sein soll. Und wesentlich. Alles nebelhaft. Verschwommen. Schwammig. Und das ist das Wesensmerkmal dieser Zeit und schlechthin unseres Zeitalters. Grauer Schlamm. Und alle schreiben jetzt Memoiren, Tagebücher. Veröffentlichen irgendwelche Notizen. Alle flüchten sich in die Vergangenheit. Keiner weiß, wie er diese Zeit angehen soll." So lässt die Literaturwissenschaftlerin und Essayistin Marta Kijowska den polnischen Schriftsteller Janusz Andermann die Stimmung unter den Angehörigen der literarischen Elite seines Landes wiedergeben - nach der Niederschlagung der Solidarność-Opposition und der Verhängung des Kriegsrechts in den frühen achtziger Jahren. Damals durchlebte man eine tiefe politische Depression, eine von vielen im 20. Jahrhundert.
"Polen, das heißt nirgendwo", so lautet der Titel von Marta Kijowskas Geschichte der polnischen Literatur im 20. Jahrhundert, die jetzt im C.H. Beck Verlag erscheint. Die Reihe der Protagonisten reicht von Stanisław Wyspiański, dem Maler, Dichter und Wegbereiter der Moderne im habsburgischen Krakau, über Bruno Schulz, den polnisch-jüdischen Avantgardisten der Zwischenkriegszeit aus dem ostgalizischen Drohobytsch, bis zu Czesław Miłosz, der seit den dreißiger Jahren jeder Epoche seinen Stempel aufgedrückt hat und nach Jahrzehnten des Exils als hoch betagter Nobelpreisträger nach Polen zurückkehrte. Aber auch die jungen und die ganz jungen Stars des Literaturbetriebs – zum Beispiel Wojciech Kuczok oder Dorota Masłowska - werden gewürdigt. Ein paar Dutzend bekannte und weniger bekannte Autoren hat sich Marta Kijowska insgesamt vorgenommen und sie gleich auf zwei Ebenen behandelt: Sie folgt der großen Chronologie der historischen Ereignisse von der Aufbruchstimmung im späten 19. Jahrhundert bis zur Krise und Neuordnung des Literaturbetriebs nach der Wende von 1989 und bettet das literarische Leben präzise in den Kontext der politischen Strömungen ein.
Marta Kijowska fächert die polnische Literaturlandschaft aber auch regional auf. Krakau, Wilna, Warschau und zudem der Exilort Paris werden als Mittelpunkte verschiedener Künstlerkreise beschrieben. Das Verfahren auf diesen zwei Ebenen hat seine Vorzüge, zumal es nicht streng durchgeführt wird, sondern manchen assoziativen Gedankensprung innerhalb von Zeit und Raum einschließt. Marta Kijowska, die 1955 in Krakau zur Welt kam und seit 1979 vorwiegend in München lebt, versteht es, ihr tiefgründiges Wissen über die polnische Literatur des 20. Jahrhunderts und ihre gesellschaftlichen Bedingungen im lockeren Plauderton darzubieten. So ist dieses Buch auch als Einführung in die komplexen Zusammenhänge von literarischem Leben und Politik in unserem Nachbarland für den interessierten Leser bestens geeignet.
Rezensiert von Martin Sander
Marta Kijowska:
Polen, das heißt nirgendwo. Ein Streifzug durch Polens literarische Landschaft,
224 Seiten, 19,90 Euro.
"Polen, das heißt nirgendwo", so lautet der Titel von Marta Kijowskas Geschichte der polnischen Literatur im 20. Jahrhundert, die jetzt im C.H. Beck Verlag erscheint. Die Reihe der Protagonisten reicht von Stanisław Wyspiański, dem Maler, Dichter und Wegbereiter der Moderne im habsburgischen Krakau, über Bruno Schulz, den polnisch-jüdischen Avantgardisten der Zwischenkriegszeit aus dem ostgalizischen Drohobytsch, bis zu Czesław Miłosz, der seit den dreißiger Jahren jeder Epoche seinen Stempel aufgedrückt hat und nach Jahrzehnten des Exils als hoch betagter Nobelpreisträger nach Polen zurückkehrte. Aber auch die jungen und die ganz jungen Stars des Literaturbetriebs – zum Beispiel Wojciech Kuczok oder Dorota Masłowska - werden gewürdigt. Ein paar Dutzend bekannte und weniger bekannte Autoren hat sich Marta Kijowska insgesamt vorgenommen und sie gleich auf zwei Ebenen behandelt: Sie folgt der großen Chronologie der historischen Ereignisse von der Aufbruchstimmung im späten 19. Jahrhundert bis zur Krise und Neuordnung des Literaturbetriebs nach der Wende von 1989 und bettet das literarische Leben präzise in den Kontext der politischen Strömungen ein.
Marta Kijowska fächert die polnische Literaturlandschaft aber auch regional auf. Krakau, Wilna, Warschau und zudem der Exilort Paris werden als Mittelpunkte verschiedener Künstlerkreise beschrieben. Das Verfahren auf diesen zwei Ebenen hat seine Vorzüge, zumal es nicht streng durchgeführt wird, sondern manchen assoziativen Gedankensprung innerhalb von Zeit und Raum einschließt. Marta Kijowska, die 1955 in Krakau zur Welt kam und seit 1979 vorwiegend in München lebt, versteht es, ihr tiefgründiges Wissen über die polnische Literatur des 20. Jahrhunderts und ihre gesellschaftlichen Bedingungen im lockeren Plauderton darzubieten. So ist dieses Buch auch als Einführung in die komplexen Zusammenhänge von literarischem Leben und Politik in unserem Nachbarland für den interessierten Leser bestens geeignet.
Rezensiert von Martin Sander
Marta Kijowska:
Polen, das heißt nirgendwo. Ein Streifzug durch Polens literarische Landschaft,
224 Seiten, 19,90 Euro.