"Sprache ist wie eine Brille"
Begeisterung für andere Sprachen ist die Grundvoraussetzung, um am "Polyglot Gathering" teilzunehmen. Zu dem kamen am Wochenende in Berlin Hunderte Menschen aus aller Welt zusammen, die vor allem eins verbindet: Sie sprechen mindestens fünf Sprachen.
Der Platz auf den Namensschildern reicht oft nicht mehr aus. Nationalität spielt hier keine Rolle. Ob im Foyer, auf der Terrasse im 5. Stock, in der kleinen Küche oder im engen Flur – jung und alt unterhalten sich auf dem 2. Polyglotten-Treffen in Berlin auf allen erdenklichen Sprachen. Seminare wie "Der Vergleich von 10 asiatischen Sprachen" oder "Wie verändert Bi- oder Multilingualität das Gehirn" gestalten den Tag.
Um zu den Polyglotten zu zählen, reicht es nicht aus, einfach nur so mehrere Sprachen zu sprechen.
"Es gibt in der Welt einige Orte, wie Luxemburg, Indien, einige Teile von Afrika. Wir würden nicht unbedingt sagen, das sind Polyglots. Das ist deren normales Leben und die interessieren sich nicht besonders für Sprachen. Also unser Polyglot-Gathering richtet sich an Menschen, die von Sprachen begeistert sind."
Judith Meyer – 13-sprachig – ist die Initiatorin des sogenannten "Polyglot Gathering". Vier Tage lang treffen sich Laien und Profis, um sich über die Vielfalt der Sprachen und Lernmethoden auszutauschen. Bis vor Kurzem noch hatte das weltweite Netzwerk, wie die meisten Nischencommunitys, nur das Internet als Plattform. Viele Teilnehmer betreiben eigene Webseiten, Youtube-Kanäle, Blogs und Foren zum Sprachenlernen.
Judith Meyer: "Und nur ungefähr die Hälfte oder so hat an der Uni was mit Linguistik gemacht. Die anderen sind in allen Fächern. In der Informatik, in den Ingenieurwissenschaften, im Businessbereich. Die meisten haben's erst später gemerkt, dass sie sich für Sprachen interessieren. Klar, wir haben auch einige Übersetzer, aber das sind nur kleinere Grüppchen."
Polyglotte und Hyperpolyglotte
Vor zwei Jahren fand die erste Polyglot-Conference in Budapest statt, organisiert vom britischen Multisprachtalent Richard Simcott. Seit 2014 gibt es das ein wenig informellere Gathering in Berlin. Hinter all den Sprachen endlich auch Gesichter!
Simcott ist eines der bekanntesten Gesichter der Polyglotten: Kahlköpfig, mit Brille und einem sympathischen Lächeln. Er spricht über 40 Sprachen (davon 16 fließend) und zählt zu den Hyperpolyglotten. Zu Hause erzieht er seine achtjährige Tochter fünfsprachig: Mazedonisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch.
Für den bescheidenen Briten sind Sprachen der Schlüssel zum direkten Kontakt mit den Menschen.
"Das gibt dir eigentlich wie eine andere Brille, die du trägst. Du kannst die Welt ganz anders sehen ... Ich find es eigentlich schade, dass in vielen Ländern, dass wir die Sprache der Nachbarn nicht lernen. Warum nicht Polnisch lernen? Weil es eine kleinere Sprache ist. Ja, ist egal. Es ist schon wertvoll, so eine Sprache zu lernen, weil dann hat man schon Kontakt und man sieht: Warum will man die Sprache lernen und sprechen."
Wer nicht, wie Richard Simcott, 40 Sprachen lernen möchte, dem raten die Polyglotten zu Esperanto. Die Sprache wurde 1887 in Warschau geradezu konstruiert. Heute wird sie in mehr als einhundert Ländern gesprochen. In Berlin hat Viertel der Teilnehmer die Plansprache auf ihrem Namensschild markiert.
Esperanto ist einfach zu lernen
Louis von Wunsch-Rolshoven ist Vorsitzender des Vereins EsperantoLand. Im Vergleich zu Englisch sei Esperanto wesentlich leichter zu lernen. Nach zwei bis drei Wochenendkursen kann man sich schon locker verständigen, nach fünf Monaten fließend kommunizieren. Als Arbeitssprache diene sie aber bis jetzt eher nicht.
"Im Wesentlichen ist Esperanto schon ein Hobby, aber das ist bei andern Sprachen auch so. Es gibt so eine Untersuchung, weshalb Leute eigentlich Sprachen lernen. Und da denkt man sofort, ja im Beruf. Aber nein, die benutzen Sprachen beispielsweise bei den Untertiteln mit Filmen, bei Reisen, bei Kontakt mit Freunden und dann an dritter, vierter Stelle kommt auch die berufliche Verwendung."
Löst Esperanto also irgendwann Englisch als Weltsprache ab? Judith Meyer findet das theoretisch möglich.
"Wenn wir sagen: Null Menschen können Esperanto, eine Milliarde kann jetzt schon englisch. Das heißt, wir haben sechs Milliarden Menschen, die noch überhaupt nicht global kommunizieren können. Wenn die jetzt alle Englisch lernen, und dafür im besten Fall fünf Jahre brauchen. Und wenn man sich überlegt, stattdessen lernen die Esperanto und brauchen dafür fünf Monate. Dann hat man im Endeffekt - trotzdem, dass Englisch schon verbreiteter ist - mit Esperanto ne riesige Zeitersparnis."
Bis das so weit ist, spricht man bei Polyglotten-Treffen noch überwiegend Englisch. Und auch der Vergleich von zehn asiatischen Sprachen kann so schnell nur auf Englisch durchgeführt werden.