Wie aus Frittierfett Kraftstoff wird
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In der Fritteuse schlummert ein ungeahnter Schatz: Aus altem Fett machen Hamburger Wissenschaftler einen Treibstoff für Autos. Der Nachschub für das Verfahren kommt aus der Mensa.
Michael J. Fox hat es vorgemacht: Im Filmklassiker "Zurück in die Zukunft" fährt er ein Auto, das Müll tankt, dank des "Fluxkompensators". In dem Hollywood-Streifen aus dem Jahr 1985 gehen die Tüftler mit ihrem umgebauten Sportwagen am Ende auf eine Zeitreise. Im Hier und Jetzt sind Kraftstoffe aus Abfällen eine deutlich profanere Angelegenheit.
"Möglichst viele Pommes essen"
Thomas Willner und Anika Sievers müssen zunächst einmal darauf zählen, dass die Studierenden an der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften HAW möglichst viel Frittiertes futtern. Den Rohstoff holen die Forscher von der Mensa ab. "Wir motivieren unsere Studierenden also, möglichst viele Pommes zu essen, damit wir viel Rohstoff haben, den wir dann in erneuerbaren Diesel umwandeln können", sagt Sievers. Aus dem Frittierfett filtern die Verfahrenstechniker zunächst die groben Verunreinigungen. Dann wärmen sie das Fett vor und pumpen es in ihre Variante des Fluxkompensators.
Herzstück ist ein etwa fußballgroßer Reaktor – die Stahlkugel steht im Zentrum der Versuchsanlage im hinteren Teil des Labors für Kraftstoffanalytik und Hochdruck. Im Reaktor wird das flüssige Fett auf etwa 400 Grad erhitzt. "Das ist genau die Temperatur, bei der sich die Moleküle zersetzen", so Sievers. Cracken heißt das Prinzip, bei dem aus großen Fettmolekülen kleinere werden.
Außerdem entfernen die Wissenschaftler den Sauerstoff. "Er muss aus den Molekülen raus, weil er den Energieeinhalt reduziert." Fette und Öle enthalten knapp zwölf Prozent Sauerstoff, Diesel oder Benzin dagegen seien Verbindungen, die sauerstofffrei sind.
Grüne Alternative für den Tank?
Durch die hohen Temperaturen verlassen die Moleküle schließlich als Gas den Reaktor, werden in sogenannten Kondensatoren wieder flüssig und tropfen als gelbes Öl in einen Behälter. Dieses Destillat wird in einem zweiten Verfahrensschritt hydriert, das heißt: Es wird Wasserstoff hinzugefügt, um auch die letzten Reste Sauerstoff zu entfernen.
Das zweistufige Verfahren bietet laut Anika Sievers mehrere Vorteile: Die Forscher können auch mit stärker verschmutzten Rohstoffen arbeiten und daraus Kraftstoffe gewinnen. Außerdem reduzieren spezielle Katalysatoren den Wasserstoffbedarf. "Wir brauchen nur ungefähr ein Drittel dessen, was eine direkte Hydratisierung braucht", so Sievers. Da Wasserstoff ein teurer Rohstoff sei, senke das Verfahren die Prozesskosten.
Das Endprodukt ist nicht zu unterscheiden von dem Diesel, der eine Straße weiter an der Tankstelle verkauft wird. Der entscheidende Unterschied: Der Rohstoff für den Biodiesel ist umweltfreundlicher, weil er schon einmal verwendet wurde - etwa als Fritteusenfett. Wird daraus der Kraftstoff mit Ökostrom produziert, liegen die CO2-Einsparungen insgesamt bei satten 95 Prozent gegenüber herkömmlichem Diesel.
Als Rohstoff eignet sich im Übrigen nicht nur Frittenfett, sondern auch Plastikmüll. Und: Neben Diesel lassen sich auch Benzin und Kerosin für den Flugverkehr mit dem Verfahren herstellen.
Synthetischer Kraftstoff nur als Beimischung
Kraftstoff aus Alt- anstatt Erdöl zu gewinnen ist keineswegs eine Erfindung der Hamburger Verfahrenstechnik. Ein finnisches Unternehmen etwa produziert schon seit Jahren Biodiesel aus Altfetten. Beim Autozulieferer Bosch ist der sogenannte Care-Diesel an den werkseigenen Tankstellen im Einsatz.
Doch es gibt einen Haken: Deutschland setzt beim Thema alternative Antriebe inzwischen voll und ganz auf Elektromobilität. Ende November verweigerte der Bundesrat synthetischen Kraftstoffen die volle Zulassung. Er darf nur beigemischt werden.
Thomas Willner hält diese Entscheidung für falsch. Er erkennt darin eine Blockade auf dem Gebiet der erneuerbaren Kraftstoffe: "Damit nimmt man sich die Handlungsoptionen, die dringend nötig sind, um die Klimaschutzziele zu erreichen." Nur auf Elektromobilität zu setzen sei zu kurzsichtig. "Das kann ganz schlimm ins Auge gehen", sagt er.
Biodiesel gegen den Klimawandel?
Tatsächlich hat Deutschland innerhalb der europäischen Union einen Sonderweg eingeschlagen: In Österreich, Italien oder den Niederlanden etwa können die sogenannten E-Fuels wie Biodiesel auch in Reinform getankt werden. Und der klassische Automotor hat für den Forscher auch im Kampf gegen den Klimawandel eine Zukunft. "Wir sehen die Verbrennungsmotoren gar nicht als Übergangslösung, sondern als wichtige Handlungsoption."
Schließlich sei der klassische Motor nicht das eigentliche Problem, sondern das, was verbrannt werde. Und genau das wollen die Forscher mit ihrem Prinzip ersetzen: Durch eine umweltfreundliche Alternative des Kraftstoffs.
Deshalb hoffen die Hamburger Verfahrenstechniker, dass synthetischer Kraftstoff doch noch voll zugelassen wird. Den Platz für einen neuen, deutlich größeren Reaktor zur Herstellung von Diesel und Benzin aus Frittenfett haben die Wissenschaftler in ihrem Labor schon freigeräumt.