Länger liegen bleiben für den Frieden
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Annäherungen zwischen Hoch- und Populärkultur, ein Country-Star im Gefängnis und Janis Joplin in Frankfurt: Das und mehr trug sich in der Popmusik zu, im magischen Jahr 1969. Währenddessen blieben John Lennon und Yoko Ono einfach im Bett.
17. Februar 1969
In einem Studio in Nashville stehen Bob Dylan und Johnny Cash gemeinsam vor dem Mikrofon. Eine Sensation – und für viele Dylan-Fans ein Skandal. Ihr Idol, Bob Dylan, eine der wichtigsten Stimmen der Revolte der Sechziger macht gemeinsame Sache mit Johnny Cash, dem Liebling des anständigen Amerika, des rückständigen Amerika. Johnny Cash, der populärste Repräsentant der Country Music – der Musik der Rednecks. Dieses Schwarz-Weiß-Bild der Gegensätze hält sich gerade bei vielen Linken hartnäckig, dabei haben Dylan und Cash 1969 mehr gemeinsam, als der Dylan-Gemeinde lieb ist.
"Girl From The North Country", Bob Dylan und Johnny Cash im Duett, aus dem Album "Nashville Skyline".
Heute wissen wir, dass die Zuschreibungen von damals falsch waren. Bob Dylan war kein linker Revolutionär, Johnny Cash kein rechter Reaktionär. Cash, der vermeintliche Redneck, geht sogar in den Knast, freiwillig!
24. Februar 1969
Johnny Cash spielt vor Lebenslänglichen und Todeskandidaten im kalifornischen Hochsicherheitsgefängnis San Quentin. Zur Feier des Tages hat er einen neuen Song mitgebracht.
San Quentin, du bist die Hölle auf Erden für mich
San Quentin, ich hasse jeden Zentimeter von dir
San Quentin, mögest du in der Hölle schmoren!
San Quentin, ich hasse jeden Zentimeter von dir
San Quentin, mögest du in der Hölle schmoren!
Cash schlüpft in die Rolle der Gefangenen von San Quentin. Mit jeder Zeile kocht die feindselige Stimmung höher, die Wachen bringen ihre Gewehre in Anschlag, ein Aufstand im Hochsicherheitsgefängnis kann gerade so verhindert werden. Das Konzert wird mitgeschnitten, "Live at San Quentin" macht Johnny Cash zum Superstar, auch jenseits der Country-Welt. In seiner Autobiografie schreibt er:
"Ich habe es schon immer als eine Ironie empfunden, dass ausgerechnet ein Gefängniskonzert, bei dem sich zwischen den Häftlingen und mir eine Beziehung entwickelt wie unter verbündeten Rebellen, Außenseitern und Schurken, meinen Marktwert so steigen ließ."
Wir hätten also schon damals wissen können, dass Johnny Cash kein stumpfer Reaktionär ist.
12. April 1969
In Frankfurt am Main findet das einzige Konzert von Janis Joplin in Deutschland statt. Die Frankfurter Rundschau erkennt im Auftritt der US-amerikanischen Rocksängerin eine geschlechterpolitische Dimension.
"Tausende von Frauen kommen zu diesem Auftritt, gilt ihnen doch Joplin als Beispiel für eine Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt."
22. April 1969
Zum ersten Mal spielen The Who ihr Album "Tommy" in voller Länge auf der Bühne. "Tommy" ist nicht irgendein Album, es ist eine Doppel-LP und wird vermarktet als Rock-Oper. Die Titelfigur "Tommy" ist ein taubstummer und blinder Junge, der durch seine Intuition zum Flipperkönig wird, zum "Pinball Wizard".
Die sogenannte Rock-Oper "Tommy" ist ein Meilenstein auf dem Weg der Nobilitierung der Rockmusik. Rock als Kunstform wird endlich Ernst genommen, Ernst mit großem E, wie in E-Musik. Das Format Doppelalbum wird immer populärer, es ist das Medium für die hochkulturellen Ambitionen vieler Rockmusiker - und der Musikindustrie, die neue Märkte wittert.
30. Mai 1969
Die sogenannte Rock-Oper "Tommy" ist ein Meilenstein auf dem Weg der Nobilitierung der Rockmusik. Rock als Kunstform wird endlich Ernst genommen, Ernst mit großem E, wie in E-Musik. Das Format Doppelalbum wird immer populärer, es ist das Medium für die hochkulturellen Ambitionen vieler Rockmusiker - und der Musikindustrie, die neue Märkte wittert.
30. Mai 1969
Eine neue Beatles-Single erscheint. Sie trägt einen sprechenden Titel: "The Ballad Of John and Yoko". Lennon erzählt, was John und Yoko so getrieben haben in den turbulenten ersten Wochen 1969. Das Paar posiert nackt auf dem Plattencover zu "Two Virgins", es feiert öffentliche Flitterwochen in Paris und ein sogenanntes Bed-In für den Frieden. Zehn Tage lang liegen John und Yoko im Bett im Queen Elizabeth Hotel von Montreal. John Lennon klärt die Journalisten auf.
"Das ist ein Bed In, Leute. Das ist die beste und effektivste Methode, um gegen Gewalt zu protestieren. Die Alternative zur Gewalt ist: im Bett bleiben und sich die Haare wachsen lassen."
Also bleiben junge Leute auf der ganzen Welt im Bett und lassen sich die Haare wachsen – für den Frieden. Und John und Yoko nehmen den passenden Song dazu auf: "Give Peace A Chance".