Die neue Identifikationsfigur
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Die meisten Streams innerhalb eines Tages. Die erfolgreichste Debütsingle der US-Chartgeschichte. "Drivers License" der 18-jährigen Olivia Rodrigo ist ein einziger Superlativ. Mit dem Album "Sour" beweist sie, dass sie kein One-Hit-Wonder ist.
Die Erwartungshaltung einer Platte voller Herzschmerz-Balladen unterläuft "Sour" gleich zu Beginn, sagt der Musikjournalist Mathis Raabe: "Stattdessen kommt dann sehr abrupt eine verzerrte E-Gitarre und so ein sich immer wieder wiederholendes Drei-Akkorde-Indierock-Riff. Dazu kotzt sich Olivia Rodrigo über Ängste, Selbstzweifel, den Druck des Erwachsenwerdens und darüber, wie ihr Teenager sein, von den Erwachsenen romantisiert wird, aus."
Mitverantwortlich für den Sound ist Rodrigos Produzent und Co-Songwriter Dan Nigro, der als Sänger von As Tall As Lions Teil der New Yorker Indierockbewegung der frühen 2000er war. Eine Parallele zum großen Vorbild der Newcomerin. Denn auch Taylor Swifts Produzent Jack Antonoff stammt aus dieser Szene.
Für Raabe ist Rodrigos zentraler Selling Point, dass sie es einerseits schafft einzufangen, wie es sich anfühlt, Teenager zu sein, dies aber andereseits auf eine Art tut, mit der auch Erwachsene etwas anfangen können.
Es gibt ganz viele Memes im Internet darüber, dass Mittdreißiger sich wundern, dass sie so emotional berührt sind.
Stimme ihrer Generation
Rodrigo erzählt von alten Freunden, die schwierige Familienverhältnisse hatten und denen sie nicht wünscht, happy - also glücklich - zu sein, sondern einfach glücklicher zu sein, oder sogar nur okay. Damit trifft sie die Sprache ihrer Generation, die besser als vorherige Generationen darin ist, ehrlich zu sagen, wie es einem geht.
Raabes Fazit ist: "Rodrigo repräsentiert tatsächlich viel, was ihre Generation ausmacht. Offen über psychische Gesundheit zu sprechen, diese toxischen Verhaltensmuster zu benennen, statt die Schuld nur bei sich selbst zu suchen. Auch das scheuklappenfreie Verbinden von verschiedenen Genres ist typisch für eine Generation, die halt mit Spotify aufgewachsen ist und nicht mehr zum Plattenladen gehen musste. Deshalb ist das meiner Meinung nach nicht nur ein gutes Debütalbum mit guten Songs, sondern auch eins, das zeigt, dass Olivia Rodrigo kein One-Hit-Wonder ist, sondern jemand, von dem wir noch viele Jahre lang hören werden."
(hte)