Popgeschichte

40 Jahre "Rumours" von Fleetwood Mac

Bass player John McVie, singer Stevie Nicks and drummer Mick Fleetwood of British-American rock band Fleetwood Mac performs on stage at the Hallenstadion in Zurich, Switzerland, 13 October 2013.
John McVie, Stevie Nicks und Mick Fleetwood (von l. n. r.) von der Band Fleetwood Mac bei einem Konzert in der Zürich im Jahr 2013 © dpa / Peter Klaunzer
Tobias Levin im Gespräch mit Ute Welty |
Eines der erfolgreichsten Alben der Popgeschichte ist Fleetwood Macs "Rumours": Es erschien am 4. Februar 1977 und wurde seitdem 40 Millionen Mal verkauft. Der Musikproduzent Tobias Levin erinnert an "eines der am meisten kanonisierten Alben" überhaupt.
Ute Welty: "Dreams" von Fleetwood Mac, zu finden auf dem Album "Rumours" von Fleetwood Mac, das 1977 für echte Furore sorgte und heute vor genau 40 Jahren erschienen ist. 40 Millionen Mal ist dieses Album seitdem verkauft worden, in Deutschland steht es in der ewigen Bestenliste auf Platz 48, und den teilen sich Fleetwood Mac dann unter anderem mit Tina Turner, Simply Red und Modern Talking. Was aber an "Rumours" so besonders war und ist, das kann ich jetzt mit Tobias Levin besprechen, Musiker und Musikproduzent aus Hamburg. Guten Morgen!
Tobias Levin: Guten Morgen!
Welty: Wie ist es Ihnen bei der ersten Begegnung mit diesem Album gegangen, wussten Sie schon beim ersten Ton, dass "Rumours" ein spezielles Album ist?
Levin: Nein, das wusste ich nicht vom Ton her, eher das Auftauchen des Covers. Die Platte ist im Frühjahr 1977 veröffentlicht worden, ich glaube im Februar, da war ich elf Jahre alt, ich bin 1966 geboren, und in der Zeit, die schon sehr stark Punk-geprägt war, also die Veränderungen aus London, und Disco-geprägt war, muss man auch ganz stark dazusagen, die Veränderungen aus den USA sozusagen, war dieses Cover auffallend. Und weil es stark beworben wurde, ist mir das aufgefallen, dass da eben eine für mich mittelalterlich anmutende Szene drauf zu sehen war – zwei Männer, ich hab's jetzt nicht vor Augen ganz genau, aber zwei Leute in altertümlich anmutenden Kleidern, wenden sich einander zu und spielen so eine Art Posse oder so etwas Ähnliches. Das war erst mal das Erste, was ich da gesehen habe.

Auch das Platten-Cover war spektakulär

Welty: Und da die Entdeckung oder die Musik, die Begegnung mit der Musik, mit dem Sound?
Levin: Dieser Sound wurde mir sozusagen zwei Jahre später gewahr, was die Band gemacht hat. Sie hat versucht, zwei Jahre später das noch mal zu wiederholen, was sie auf "Rumours" gemacht haben, nämlich auf dem Nachfolgealbum "Tusk", und das gelang ihnen nicht mit dem gleichen kommerziellen Erfolg. Das heißt, ich hab das erst als 13-Jähriger verstanden, was auf "Rumours" los war – ich muss also diesen kleinen Umweg jetzt hier nehmen –, als die Gruppe experimenteller wurde und dann sozusagen einen Flop, der sich nur zwei Millionen Mal verkauft hat, hinlegte.
Im Nachhinein ist mir dann aufgefallen, dass alle diese Hits, die teilweise jedem im Ohr klingen und bekannt sind, die auf "Rumours" erschienen waren, eben mit ähnlichem Aufwand produziert waren wie alle Musik, die Fleetwood Mac von dort an in der Zukunft gemacht hat, also bis hin zu diesem "Tell me Sweet Little Lies", was sehr, sehr viele Jahrzehnte später entstanden ist.
Welty: Wie hört denn der Produzent Tobias Levin dieses Album, hört er da eher auf Tricks oder auf die Machart, will er womöglich wissen, wer welchen Filter und welches Mikrofon eingesetzt hat, ist das so ein technisches Hören?
Levin: Es gibt diesen Begriff der "Déformation Professionelle", wo man sozusagen nur noch professionell hört und einen das schon fast deformiert, also dass man Musik nicht mehr natürlich hören kann. Es ist einfach nicht zu verhindern, dass wenn Musik toll ist und sie einen packt, dass man aufhört, auf diese Details zu hören – das möchte ich als angeborenes Multitasking bezeichnen. Das heißt, man kann die Augen schließen und ein Stück genießen, und dann, wenn man ein wenig Interesse für das Know-how hat, vielleicht auch einige Dinge zumindest erahnen kann, wenn man sie nicht gar weiß. Dann kann man auch so hinhören und das, sagen wir mal, versuchen zu analysieren, oder man sucht das Gespräch oder Informationen über so ein Album.

"Einzigartiger technischer Aufwand"

Und "Rumours" ist natürlich eins der am meisten kanonisierten Alben, die es überhaupt gibt, und das hat auch mit dem einzigartigen technischen Aufwand zu tun. Also auf dieser Platte hören wir keine live spielende Band, das ist jetzt vielleicht nicht so ungewöhnlich, aber es ist ungewöhnlich, dass man nachlesen kann, dass eigentlich nur ein Stück, "The Chain", zwei Instrumente hat, die gleichzeitig gespielt worden sind.
Welty: Alles andere ist dann sozusagen zusammenmontiert worden.
Levin: Es ist tatsächlich mit höherem Aufwand montiert worden, als man das im Nachhinein so glauben mag. Viele Platten sind so entstanden – 1981 "Tattoo You" von den Rolling Stones –, alles Platten, die sehr natürlich wirken, aber sie sind aus teilweise vorherigem Material collagiert worden. Man spricht teilweise auch bei "Rumours" sozusagen von einem Collagealbum. Mit einem hohen Aufwand ist über Monate, über viele Monate jedes einzelne Instrument als besonders zu wertschätzender und auch als Versuch, Industriestandards sozusagen zu setzen, produziert worden. Und so ist dieser wahnsinnig zeitlose, mit dem höchsten Wissen auch der Musikindustrie damals produzierte Sound entstanden.
Welty: Wenn Sie auf Ihre eigene Karriere gucken, Sie sind ja gestartet mit "Cpt. Kirk", zeitweise auch mit Blumfeld, und auf das, was Sie jetzt machen, gibt es heute eine Band, wo Sie sagen, die treten zu Recht in die Fußstapfen von Fleetwood Mac.
Levin: Ja, sehr viele. Ich würde zum Beispiel eine Band nehmen, die etwas wiederholt hat, was mit Fleetwood Mac und um Fleetwood Mac herum passiert ist, und das ist Nirvana. Fleetwood Mac waren wie gesagt am Ende der 70er, kurz bevor dann Punk und auch Disco für sie das Leben gar nicht mehr ganz so leicht machte, wie man dann an dem Nachfolgealbum erkennen konnte. Das heißt, sie standen in einem Spannungsfeld zwischen dem Ende, sagen wir mal, der Hippiezeit, geprägt von LSD-beeinflusster Musik mit ausgefransten Rändern, und boten eine Musik, die auch sozial sehr, sehr, sagen wir mal, privat zu nutzen war, romantische Geschichten, Pärchen, die sich in einer Band entzweit hatten und darüber schreiben konnten, und gleichzeitig eben eine sehr ehrgeizige Band, die schon Minuten später bemerkte, dass die New-Wave-Welle und die Disco-Welle über sie hinwegrasen würde.

Crossover zwischen den Stilen

Nirvana haben ebenfalls eine sehr romantische Musik gemacht und haben auch eine Musik gemacht, die sozusagen auf der Tanzfläche verwertbar war, und haben es aber geschafft, das sozusagen in sich zu vereinen. Diese Versuche, zumindest mit New Wave das zu kombinieren, haben Fleetwood Mac damals schon wahrgenommen. Es gibt auch Stücke auf "Rumours", die ganz klar discomäßig funktionieren und wo die Bass Drum und die Snare, also die tiefe Trommel und die treibende Trommel, im mittigen Bereich – hier spricht der Sound Engineer dann sozusagen – ganz weit nach vorne genommen wurde. Insofern hat diese Gruppe etwas gespürt, was kommerziell erfolgreiche Gruppen immer wieder hinbekommen müssen: Sie müssen den Cross-over zwischen verschiedenen Stilen hinbekommen.
Welty: Und auch ein bisschen vor der Zeit sein.
Levin: Vor der Zeit zu sein, ist so eine kleine Schwierigkeit. Man ist immer ein bisschen gleichzeitig mit ihr sozusagen, und genau das ist Fleetwood Mac auch gleich gelungen, sehr gleichzeitig zu sein – Country-Einflüsse, Folk-Einflüsse, kombiniert eben in den stärksten Momenten, wie ich finde, mit diesem zeitlosen Discobeat da drauf, und das sorgt dafür, dass – wie mir gestern, als ich darüber sprach, dass ich da heute gefragt werde, auch jemand sagte – in Berlin bei After-Hour-, Chill-out-, Tanzveranstaltungen teilweise viele Fleetwood-Mac-Stücke hintereinander laufen und die Leute zufrieden in den Morgen gehen.
Welty: Das machen wir jetzt auch. Musiker und Musikproduzent Tobias Levin, wir gehen zufrieden in den Morgen nach einer Runde Fachsimpeln, und zwar über das legendäre Album "Rumours", das heute vor 40 Jahren erschienen ist. Herr Levin, haben Sie herzlichen Dank und beste Grüße nach Hamburg!
Levin: Ich danke Ihnen herzlich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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