Poprückblick auf 2022

Mehr als nur "Zickzack"

06:28 Minuten
Taylor Swift bei den "Nashville Songwriter Awards" in Nashville, Tennessee, 2022.
Taylor Swift kann mit der Gitarre umgehen und weiß außerdem, wie man Rekorde in den Charts aufstellt. © Getty Images / Terry Wyatt
Von Christoph Reimann |
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2022: Die Musikbranche guckt verhalten zurück, denn Normalität sieht anders aus. Die Konzertveranstalter hoffen auf weitere staatliche Hilfen. Rammstein, Taylor Swift und Kate Bush müssen sich derweil keine Sorgen machen.
Vielleicht haben Sie auch die eine oder andere Konzertkarte am Kühlschrank kleben? Gekauft und doch nicht hingegangen? Wenn das so ist, dann haben Sie beigetragen zur sogenannten No-Show-Rate. Das Wort hat sich 2022 zum Ungeheuer der Livemusik-Branche entwickelt, denn einerseits konnten im dritten Coronajahr endlich wieder Konzerte stattfinden, andererseits blieben laut Branchenverbänden am Ende aber doch bis zu 50 Prozent der Ticketbesitzer*innen zu Hause. Das ist ein Riesenproblem. Schon allein, weil Clubs und Konzerthallen ihr Geld nicht zuletzt mit dem Getränkeverkauf vor Ort verdienen.

Selbst große Bands sagen Konzerte ab

Im Herbst 2022 sagten selbst große Bands wie Tocotronic Konzerte ab – der Vorverkauf schwächelte. Und die, die trotz allem auf Tour gingen, wurden für die Veranstalter zum Risiko: "Nämlich: Künstler wird krank, Veranstalter muss die Tournee absagen", sagt Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft. Und er fordert, "dass der Sonderfonds für Kulturveranstaltungen fortgeführt werden muss. Wir verstehen überhaupt nicht, weshalb das nicht der Fall ist."
Die Appelle der Musikverbände wurden zum Ende des Jahres lauter, denn 2023 laufen verschiedene Hilfsprogramme aus. Darunter auch Neustart Kultur und Sonderförderungen der Initiative Musik.
Die Folgen der Corona-Krise sind am Ende des Jahres 2022 längst nicht überwunden, höchstens überlagert von Inflation und Energiekrise. Entstanden ist eine neue, extreme Abhängigkeit der Popbranche vom Staat. Maurice Summen, Betreiber des Berliner Indie-Labels Staatsakt, besingt sie mit seiner Band "Der Mann": "Sing ein Lied - gegen den Staat - dafür kriegst Du Geld vom Staat".
Ist das Galgenhumor, oder meint er es doch als Dankeschön? Denn ohne den Staat, mit dem sich der Pop eigentlich nie gemein machen wollte, stünde es mittlerweile viel schlechter um die Musik im Land.

Krise beiseite - es geht um Hits!

Aber Krise beiseite. 2022 hatte auch tolle Überraschungen zu bieten. Zum Beispiel ein Comeback, für das der Star dahinter gar nichts tun musste. "Running up that Hill", Kate Bushs Hit aus dem Jahr 1985, taucht prominent in der Serie "Stranger Things" auf. Der Song wird zum Hit einer jungen Generation. Und Kate Bush freut sich von zuhause aus: "It's so exciting. That is quite shocking really, isnt it. The whole world's gone mad. It's a whole new audience. In a lot of cases they have never heard of me and I love that", erklärt sie in der BBC. Für die Sängerin lohnt es sich auch finanziell. Laut CBS hat Kate Bush schon im Juli dieses Jahres rund 2,3 Millionen US-Dollar mit ihrem alten Klassiker verdient.

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Im Oktober gelingt Taylor Swift ein Rekord: Mit zehn Songs ihres neuen Albums "Midnights" ist sie in den US-Charts vertreten. Und zwar auf den ersten zehn Plätzen. Weil die Musik ausnahmslos so gut ist? Nein! Taylor Swift macht sich einfach die Regeln der Charts-Ermittlung in Streamingzeiten zu eigen. Vor ein paar Jahren, als nur vorausgewählte Singles gezählt wurden, wäre diese Erfolgsmeldung von Swift gar nicht möglich gewesen. Deshalb kann es für diesen Rekord auch nur die Auszeichnung "Marketing-Gag des Jahres" geben.
Bleiben wir noch ein bisschen bei den Charts. Und kommen zu dem Song, den die Deutschen in diesem Jahr besonders gerne gehört haben: "Layla" von DJ Robin und Schürze ist in Deutschland die Single des Jahres. Um den sexistischen Song hatte sich im Sommer eine Debatte entwickelt, nachdem er auf zwei Volksfesten nicht mehr gespielt werden durfte. Das hat ihn für manche wohl nur noch attraktiver gemacht. Pop als Provokation – hier ist das mal in die falsche Richtung gegangen. Aber die Deutschen mögen es eben derbe.

Ran an den Speck mit Rammstein

"Zickzackzickzack, schneid es ab" - tja, Rammstein. Wenn die was Neues rausbringen, stehen die Deutschen stramm. "Zeit" ist das Album, das sich hierzulande am besten verkauft hat. Aber im Jahr 2022 gab es auch diesen einen Song, der zeigt, wie groß die Kraft der Musik sein kann. „Baraye“ des Iraners Shervin Hajipour. Der Song wird zur inoffiziellen Hymne der Proteste im Iran. Den Text setzt Hajipour aus Online-Kommentaren zusammen, in denen Demonstranten begründen, weshalb sie auf die Straße gehen: "Für die Sehnsucht nach einem normalen Leben, fürs Tanzen auf den Straßen, fürs Küssen ohne Angst."
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