Popkarriere statt Abi

Deutschland sucht ständig neue Superstars, das schnelllebige Musikbusiness braucht Nachwuchs, junge Menschen, die schön singen und gut aussehen. Valentine ist so ein neues Gesicht, eine neue Stimme, mit 16 bekam sie einen Plattenvertrag von einer großen Plattenfirma, ihre Single "feel so bad" landete in den Charts und soeben ist ihr erstes Album erschienen. Georg Gruber hat sie getroffen.^
Feel so bad. Neoromantik - unter diesem Schlagwort verkauft die Plattenfirma ihre Neuentdeckung: "Valentine ist mystisch, aber keineswegs morbide; abgeklärt und kühl, aber doch warmherzig; voller Schmerz, aber niemals ohne Hoffnung."

Valentine: "Eigentlich bin ich ein sehr fröhlicher Mensch, aber ich bin halt auch sehr sensibel und eine gute Zuhörerin, d.h. wenn irgendwas passiert, was vielleicht direkt mich betrifft oder mein Umfeld, Familie, Freunde, dann nehm ich das schon auf, und sauge das auf und schreibe dann darüber, weil mich das Gefühl so beeindruckt, ja, und das reißt mich so ein bisschen in den Strudel rein, deswegen kann ich sagen, dass ich sehr melancholisch bin."

Melancholisch – ein Wort, das oft fällt im Gespräch. Es stimmt, morbide wirkt sie nicht, auch wenn die Augen schwarz geschminkt sind, allerdings nicht ganz so stark wie auf dem Plattencover. Zielstrebig wirkt sie, jung, aber nicht girlie-haft. "Ocean full of tears" heißt ihr Debütalbum, die Texte handeln von Herz und Schmerz und Tränen, die Musik klingt ziemlich erwachsen, professionell gemacht:

Valentine: "Mir wurde oft gesagt, die Reife, die in deiner Musik steckt, ist eher was für die ältere Fraktion."

Dafür gibt es "feel so bad" jetzt auch schon als Handy-Klingelton zum runterladen von der Internetseite, wo sie ihren Fans im Tagebuch aus ihrem Leben erzählt.

Valentine wurde im Juni 1988 in der Nähe von Leipzig geboren und wuchs in Berlin auf. Hat also ihren 17. Geburtstag gerade erst hinter sich. Und möglicherweise eine große Karriere vor sich: Wer hat das schon in ihrem Alter? Ein Album voll mit selbst komponierten Stücken bei einer international operierenden Plattenfirma. Die jetzt die Promotionmaschine angeworfen hat: Paul McCartney soll von ihr beeindruckt sein, auch Cat Stevens, der ja nicht mehr so heißt, aber trotzdem. Sie durfte im Vorprogramm von Meat Loaf touren.

Valentine: "Support für Meat Loaf zu sein, war richtig schön, erst denkt man Support, wirst hier so links liegen gelassen, kriegst hier so billig Garderobe und billiges Catering, aber das war ganz anders, man wurde richtig ins Herz geschlossen, man hat sich gefreut, den anderen zu sehen, auch Meat Loaf hat mal gesagt, er würde gern mal einen Song klauen."

Ausschnitt TV Total:
Stefan Raab: "Du hast deine Schuhe vergessen oder sind das schon die ersten Ergebnisse von Hartz IV?"

Und, sie wurde schon zu Stefan Raab geladen:

Ausschnitt TV-Total:
Raab: " Warum singst Du auf Englisch? Es ist einfacher auf Englisch Texte zu schreiben als auf deutsch?"
Valentine: " Ja, da traut man sich dann viel mehr".
Raab: " Weil man nicht versteht, was man so singt…"

Valentine stammt aus einer musikbegeisterten Familie, angefangen beim Großvater. Ihr musikalischer Mentor wird, nach der Scheidung, der neue Freund der Mutter, auch ein Musiker, er hat die Platte produziert und er hatte sie auch ermutigt, zu komponieren:

Valentine: "Ich setz mich ans Klavier, spiele einfach drauflos und wenn ich eine Melodie habe, die mir richtig gefällt, dann singe ich auch automatisch, mein Schnaselenglisch, weil das total Kauderwelsch ist und entwickele eine Gesangsmelodie, und dann schreibe ich mit dieser Gesangsmelodie einen Text, so peu a peu, das kann manchmal 10 Minuten dauern, manchmal 10 Tage, manchmal auch länger."

Mit fünf begann sie, Klavier zu spielen – immer ohne Noten lesen zu können oder besser gesagt, zu wollen.

Valentine: "Ich hab eher Gefallen an den Tönen gehabt, und wenn mir meine Klavierlehrerin erzählen wollte, was ich da gerade mache, hab ich abgeschaltet und sie hat auch ziemlich, ziemlich spät erst gemerkt, dass ich keine Noten lese, sondern alles nach Gehör spiele, ich hab es beim einmal vorspielen fast auswendig gelernt, hab beobachtet, wie sie ihre Finger bewegt, die Melodien aufgesaugt und so ein Verständnis für mich entwickelt."

Schon damals hatte sie eine Vorliebe für melancholische Stücke.

"Ich empfinde das als schöne Musik, andere Leute finden, also meine Freundin sagt immer: das ist down–mucke, " (lacht) "weil sie dann immer so down ist, ich find das aber richtig schön, ich werd dann immer richtig euphorisch bei so einer Musik."

Der Name ist kein Künstlername, sie heißt wirklich so. Aber nicht wegen des Jazz-Klassikers, sondern wegen eines Filmes, der Graf von Monte Christo:

Valentine: "Meine Mutter hat damals mit meinem Vater zusammen diesen Film geguckt und da tauchte dann irgendwann als Nebenrolle eine Valentine auf und meine Mutter war zu dem Zeitpunkt schwanger mit mir und hat irgendwann das Gefühl gehabt, ja, das passt zu ihr, Valentine. Also ist dann aus Valentine (franz), Valentine (deutsch) geworden."

Ein Name, der sich auch gut international vermarkten lässt. Doch sie weiß, wie kurzlebig das Geschäft ist. Heute gefeiert, morgen vergessen. Trotzdem hat sie sich entschlossen, von der Schule abzugehen, vor dem Abitur, ein Jahr Pause einzulegen, um auszuprobieren, ob sie es schafft.

Valentine: "Ich möchte soviel live spielen, wie es nur geht, den Leuten beweisen, dass das, was sie auf der Platte hören oder irgendwo im Radio, auch live funktioniert, und dass ich wirklich singen kann und dass das nicht nur aus dem Computer kommt."

Und sie möchte Musik studieren. Dafür wird sie dann doch noch Noten lernen müssen. Singen kann sie schon, nicht nur auf CD.