Populismus in Europa

Kann Europa auch Heimat sein?

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Gartenzwerg an Landschaft - sieht so Heimat aus? © coralie | photocase.de
Moderation: Annette Riedel |
Der Begriff "Heimat" ist seit einiger Zeit wieder im politischen Diskurs in Deutschland angekommen. Was wir meinen, wenn wir in einer pluralen, weltoffenen Gesellschaft im 21. Jahrhundert von "Heimat" reden, darüber gibt es erhebliche Auseinandersetzungen.
Nicht nur politisch rechts Stehende, national Argumentierende setzen sich mit dem Thema auseinander. Der Anteil jener Menschen in der Bevölkerung der Bundesrepublik, die keine deutschen Wurzeln haben, ist zweifelsohne in den letzten Jahren gewachsen. Wann und unter welchen Umständen für sie Deutschland zur (neuen) Heimat werden kann und soll – das ist äußerst umstritten.

Kampfbegriff Heimat

Kann man nur eine Heimat haben? Ist der Ort, an dem das "Wir" eine Bedeutung bekommt, ein Land, eine Region, eine Stadt? Oder kann Europa in diesem Sinne (auch) Heimat sein? Kann es so etwas geben, wie eine kollektive europäische Identität? Und wenn es sie gibt, wie macht man sie möglich? Wieviel nationalen Patriotismus verträgt Europa, verträgt Deutschland? Und was hat die Renaissance des Heimatbegriffs mit der Flüchtlingskrise zu tun?
Darüber diskutieren:
Dr. Karamba Diaby, SPD-Bundestagsabgeordneter aus dem Senegal
"Man kann mehrere Heimaten haben ... Wir können 'Heimat' auf keinen Fall tabuisieren, aber die Instrumentalisierung des Begriffs kommt daher, dass manche versuchen, das zu missbrauchen für ihre politischen Zwecke. Ich kann das nicht akzeptieren."
Alexander Homann, Delegierter der Deutschsprachigen Gemeinschaft bei der Belgischen Botschaft in Berlin
"Ich bin Europäer. Ich bin groß geworden in einer Grenzregion, die an einer der Nahtstellen Europas liegt. Das war zu einer Zeit, als es noch richtig physische Grenzen gab zwischen den Ländern, mit Schlagbäumen. Für mich ist Heimat auch dieser Zusammenfluss von Kulturen ... Wir Deutschsprachigen in Belgien sagen gern: Wir rechnen wie die Deutschen; wir leben wie die Franzosen – aber wir sind Belgier."
Jagoda Marinić, deutsch-kroatische Schriftstellerin
"Der ganze Kontinent ist meine Biografie... Indem wir jetzt alle nur noch über 'Heimat' reden und diese soften Dinge, sprechen wir nicht mehr über das, was unser Leben im Täglichen belastet. Nicht diese komischen, emotionalen Kampfbegriffe müssen diskutiert werden. Ich möchte darüber reden, warum die Menschen hier zu viele Steuern zahlen; warum manche zu wenig haben; warum die Leute im Hartz-IV-System stecken bleiben; warum sich Menschen in den Städten ihre Wohnungen nicht mehr leisten können – das hat uns anzugehen."
Norbert Kleinwächter, AfD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Europaausschuss des Deutschen Bundestages
"Eine Europäische Identität – so etwas gibt es nicht ... Durch die undemokratische Entscheidung der Regierung Merkel, so viele Migranten auf einmal in Städte und Gemeinden zu schicken, haben die Bürger ein Gespür der 'Heimatverletzung' ... Wenn so plötzliche – ich möchte fast sagen: gewaltsame – Veränderungen kommen, dann wird Heimat zum Kampfbegriff."
Alexander Freiherr Knigge, Organisator der Pro-EU-Bewegung "Pulse of Europe"
"Was ich eben ganz besonders fürchterlich finde, ist, dass Ihre Partei oder Ihr Vorsitzender allen anderen die Liebe zu Deutschland abspricht – wie jetzt letzten Sonntag in Berlin geschehen: Wir lieben Deutschland plötzlich nicht mehr, weil wir nicht gegen Ausländer sind. Herr Gauland sagt, er möchte, dass Deutschland sich überhaupt nicht verändert. Er soll es so seinen Enkeln übergeben, wie er es von seinem Großvater oder Vater bekommen hat. Nun ist Herr Gauland Jahrgang 1941; also, so wie Deutschland da war, möchte ich’s nicht weitergeben und auch gar nicht wiederhaben."*

* In einer vorherigen Version war das Zitat von Freiherr Knigge nicht richtig wiedergegeben
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