Warum der populistische Diskurs so zeitgemäß ist
Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Populismus. Die Populisten, insbesondere die von ganz rechts, berufen sich immer wieder auf das Volk, auf eine Masse, an deren Spitze sie sich stellen.
Angela Merkel: "Wir werden es mit Anfechtungen von allen Seiten zu tun haben, von rechts wie nie zuvor. Und auch mit einer starken Polarisierung der Gesellschaft."
Alexander Gauland: "Wir wirken jetzt schon außerhalb des Bundestages, weil die anderen Angst vor uns haben."
Geert Wilders: "Wir tragen die Fackel für eine Zivilisation die jeder andere(n) Zivilisation weit überlegen ist. Und wir sind stolz darauf."
Marine Le Pen: "Mais les élites ne voient pas ce changement du monde, ils le refusent."
Horst Seehofer: "In Deutschland ist es zwischenzeitlich zu tektonischen Verschiebungen in der politischen Landschaft gekommen."
Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Populismus
Was haben wir geschwitzt in den letzten Monaten. Das freiheitlich-demokratische Europa in Gefahr! Da haben die Populisten für den Brexit gesorgt und in den Niederlanden, Frankreich, Österreich haben sie ihre Hände nach höchsten Staatsämtern ausgestreckt. Die haben sie sich schon gekrallt in Polen und Ungarn. Dann gibt’s da Russland, die Türkei und ...
Donald Trump: "America first!"
Donald Trump: "America first!"
Und auch in Deutschland feiert eine rechtspopulistische Partei Erfolge.
Jörg Meuthen: "Das war der 13. Landtagseinzug in Folge, das hat meines Wissens noch keine Partei in Deutschland geschafft."
Jörg Meuthen: "Das war der 13. Landtagseinzug in Folge, das hat meines Wissens noch keine Partei in Deutschland geschafft."
Die Folge der Populismuswelle: Hyperventilation in deutschen Parteizentralen und TV-Talk-Shows. Besorgte Diskussionsveranstaltungen in evangelischen Kirchengemeinden.
In der Bundesrepublik haben Populisten die große Bühne mit Verzögerung betreten
Frank Decker: "Ich bin Frank Decker, seit 2001 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bonn.
Decker ist Anfang 50 und hat vor über 20 Jahren begonnen, sich wissenschaftlich mit dem Thema Populismus, besonders dem Rechtspopulismus auseinanderzusetzen. Ein Pionier des Forschungsgebiets. Und einer mit beruhigender wissenschaftlicher Distanz.
Frank Decker: "In Hamburg hat es Anfang der 90er-Jahre die Statt-Partei gegeben, die ich auch als rechtspopulistisch bezeichnet habe, die auch in die Bürgerschaft eingezogen ist. Es gab dann später auch die Schill-Partei: 2001 19,4 Prozent bei einer Landtagswahl in Deutschland! Also wir hatten diese Phänomene auch in Deutschland."
Frank Decker: "In Hamburg hat es Anfang der 90er-Jahre die Statt-Partei gegeben, die ich auch als rechtspopulistisch bezeichnet habe, die auch in die Bürgerschaft eingezogen ist. Es gab dann später auch die Schill-Partei: 2001 19,4 Prozent bei einer Landtagswahl in Deutschland! Also wir hatten diese Phänomene auch in Deutschland."
Vor 2000, da lief es bei uns noch nicht so gut für die Populisten von rechts. Die Parteienbindung war fester und es wirkte noch eine historische Hypothek nach.
Frank Decker: "Hitler war auch ein Populist."
Und die wahre Leitkultur der alten Bundesrepublik war noch nicht so verblasst - dieses Vertrauen in Zukunft und Fortschritt, diese Erzählung, dass es unterm Strich allen immer besser geht. Ohne Populisten.
Frank Decker: "Deutschland war natürlich auch immer ein interessantes Thema, insofern weil es ein abweichender Fall war. Wir hatten zwar diese Phänomene auf der regionalen Ebene, aber im Unterschied zu den meisten europäischen Ländern keinen erfolgreichen Versuch eine solche Partei in der nationalen Politik zu verankern und das hat sich ja seit 2013 mit der AfD gründlich verändert."
Und die wahre Leitkultur der alten Bundesrepublik war noch nicht so verblasst - dieses Vertrauen in Zukunft und Fortschritt, diese Erzählung, dass es unterm Strich allen immer besser geht. Ohne Populisten.
Frank Decker: "Deutschland war natürlich auch immer ein interessantes Thema, insofern weil es ein abweichender Fall war. Wir hatten zwar diese Phänomene auf der regionalen Ebene, aber im Unterschied zu den meisten europäischen Ländern keinen erfolgreichen Versuch eine solche Partei in der nationalen Politik zu verankern und das hat sich ja seit 2013 mit der AfD gründlich verändert."
Die AfD nutzt ihre Chance
November 2013. Der erstickte Jubel kommt aus dem Hotel Maritim in Berlin. Von der Wahlparty der AfD. 4,7 Prozent, knapp am Bundestag vorbeigeschrammt. Doch die Partei kann zulegen. Zwischenzeitlich wurden der Alternative für Deutschland sogar mehr als zehn Prozent zugetraut auf Bundesebene. Soziologen sehen den Grund für den Zuspruch bei steigenden Ängsten in Teilen der Bevölkerung: Globalisierung, Migration, der Algorithmus, der einem den Job nimmt. Dazu kommt der Frust über soziale Ungleichheit und mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten.
Frank Decker: "Diese Konflikte gibt es, das sind keine Chimären, also man kann nicht behaupten, diese Konflikte sind alle erfunden und konstruiert. Das wird natürlich maßlos übertrieben. Es wird zum Teil auch bewusst geschürt von den Populisten. Aber diese Konflikte haben eine reale Grundlage. Und solange das der Fall ist, wird es eben Politiker geben, die das eben in populistischer Manier thematisieren."
Frank Decker: "Diese Konflikte gibt es, das sind keine Chimären, also man kann nicht behaupten, diese Konflikte sind alle erfunden und konstruiert. Das wird natürlich maßlos übertrieben. Es wird zum Teil auch bewusst geschürt von den Populisten. Aber diese Konflikte haben eine reale Grundlage. Und solange das der Fall ist, wird es eben Politiker geben, die das eben in populistischer Manier thematisieren."
Ein Besuch bei der AfD auf dem Land. In Franken, der Ort heißt Prichsenstadt. Eine Turnhalle in der vielleicht 400 Parteianhänger und Interessierte sitzen. Es gibt Schnitzel mit Pommes, der örtliche Sportverein sorgt für das Catering. Man trägt die Haare eher grau, aber es sind auch ein paar Junge da. Am Mikrophon steht die lokale und überregionale Prominenz der Partei.
Hier ist für jeden was dabei. Und zusammen sind sie eine beeindruckende Masse Leute. In der Ecke werden Unterschriften gegen die Rundfunkgebühr gesammelt, eine Rednerin warnt vor der Abschaffung des Bargeldes. Europa. Migranten. Die da oben, in Berlin, in Brüssel. Die haben Euch vergessen. Die Lösung: AfD, direkte Demokratie, Volksentscheide. Das Publikum allerdings verpasst immer wieder den Einsatz zum Applaus.
Die Ansprache der Populisten – Wie macht es Horst Seehofer?
Die Partei ist verhältnismäßig neu, aber man erkennt die vielversprechenden Anlagen für eine erfolgreiche populistische Ansprache. Perfektion kommt mit der Übung. Tipps vom Profi:
Horst Seehofer: "Europa soll nicht für jeden Käfer ein Aktenzeichen anlegen!"
Frank Decker: "Also das Kernmerkmal des Populismus ist die Kritik an den herrschenden Eliten."
Das sind die Politiker im Europaparlament, im Reichstag, oder Kanzleramt, die da eine "Herrschaft des Unrechts" ausüben …
Horst Seehofer: "Und es ist immer das gleiche in Berlin."
Horst Seehofer: "Europa soll nicht für jeden Käfer ein Aktenzeichen anlegen!"
Frank Decker: "Also das Kernmerkmal des Populismus ist die Kritik an den herrschenden Eliten."
Das sind die Politiker im Europaparlament, im Reichstag, oder Kanzleramt, die da eine "Herrschaft des Unrechts" ausüben …
Horst Seehofer: "Und es ist immer das gleiche in Berlin."
... aber auch Manager, Intellektuelle, Reiche. Denn die denken nur an ihren eigenen Vorteil und kümmern sich nicht um den Mann auf der Straße ...
Horst Seehofer: "Mit mir wird es niemals geschehen, dass wir die kleinen Leute ins Abseits stellen."
…, oder sie kümmern sich zu viel.
Horst Seehofer: "Mit mir wird es niemals geschehen, dass wir die kleinen Leute ins Abseits stellen."
…, oder sie kümmern sich zu viel.
Horst Seehofer: "Die allermeisten Bürger haben einen Wunsch, dass sie der Staat in Ruhe lässt."
Frank Decker: "Zum Populismus gehört, dass er bewusst an Tabus rührt, provozierend wirkt, um Glaubwürdigkeit zu gewinnen in einem bestimmten Teil der Wählerschaft, den er adressiert."
Horst Seehofer: "Die Sprachpolizei, die Sprachpolizei, die den Menschen im Land vorschreiben will, was sie sagen dürfen und was nicht."
Das wird man ja wohl sagen dürfen, ist eine immer wieder gerne verwendete Floskel. Kritikern wirft man vor, Denkverbote zu verhängen. Aber, die wissen ja sowieso nicht, wie das Volk tickt.
Horst Seehofer: "Wir bleiben in Bayern ein Anwalt für den gesunden Menschenverstand."
Frank Decker: "Da gehören viele Elemente, Versatzstücke dazu: der Appell an den gesunden Menschenverstand. Emotionalisierung - bis hin zur Angstmache."
Horst Seehofer: "Eine solche Zeit lässt keinen Raum für Spielereien."
Frank Decker: "Gleichzeitig beansprucht er natürlich, die Mehrheitsmeinung zu vertreten. Er sagt, was wir erkennen, was wir vertreten, das ist der wahre, der eigentliche Wille des Volkes."
Horst Seehofer: "Die christlich-abendländische Kultur bleibt unsere Leitkultur."
Frank Decker: "Erfolgreich ist der Populist, der das eben bespielen kann. Der diese Anti-Establishment-Orientierung glaubwürdig vertreten kann. Das sind dann häufig tatsächlich einzelne Figuren. Das hat auch eine gewisse Logik. Weil, wenn das Volk homogen ist, wenn es einen einheitlichen Willen gibt, ist es auch folgerichtig, wenn man diesen Willen durch eine einzelne Person abbildet."
Horst Seehofer: "Ich bin tief überzeugt, dass meine Koalition mit den Bürgern auch eine Grundvoraussetzung für unseren politischen Erfolg ist."
Frank Decker: "Da gehören viele Elemente, Versatzstücke dazu: der Appell an den gesunden Menschenverstand. Emotionalisierung - bis hin zur Angstmache."
Horst Seehofer: "Eine solche Zeit lässt keinen Raum für Spielereien."
Frank Decker: "Gleichzeitig beansprucht er natürlich, die Mehrheitsmeinung zu vertreten. Er sagt, was wir erkennen, was wir vertreten, das ist der wahre, der eigentliche Wille des Volkes."
Horst Seehofer: "Die christlich-abendländische Kultur bleibt unsere Leitkultur."
Frank Decker: "Erfolgreich ist der Populist, der das eben bespielen kann. Der diese Anti-Establishment-Orientierung glaubwürdig vertreten kann. Das sind dann häufig tatsächlich einzelne Figuren. Das hat auch eine gewisse Logik. Weil, wenn das Volk homogen ist, wenn es einen einheitlichen Willen gibt, ist es auch folgerichtig, wenn man diesen Willen durch eine einzelne Person abbildet."
Horst Seehofer: "Ich bin tief überzeugt, dass meine Koalition mit den Bürgern auch eine Grundvoraussetzung für unseren politischen Erfolg ist."
Die Forschung auf der Suche nach der Psychologie der Masse
Dieter Rucht: "Die überwiegende Mehrzahl der Leute, so lautete diese Ansicht, ist relativ schlicht gestrickt, das heißt, das sind Menschen, die für Gefühle ansprechbar sind, die aus dem Bauch heraus handeln. Die alle ähnlich ticken, bestimmte Vorurteile mit sich tragen - und dann kommen jetzt Agitatoren, irgendwelche Rattenfänger, die diese Emotionen ansprechen, zum Klingen bringen und damit eine kollektive und einheitliche Aufwallung der Gefühle erzeugen."
Legida-Demo in Leipzig: "Wir sind das Volk"
Legida-Demo in Leipzig: "Wir sind das Volk"
Dieses Volk, an dessen Spitze sich der Populist stellt, macht den Populismus erst wirklich unheimlich. Da sind die fünf bis zehn Prozent, die sie tatsächlich wählen vielleicht nur die Spitze des Eisberges. Immerhin bis zu 40 Prozent, so wissen die Meinungsforscher, finden es ganz sympathisch, dass die etablierten Parteien einen Denkzettel nach dem anderen kassieren. Wer sind die? Der Forschung fällt es schwer, eindeutige Antworten zu finden. In der Unschärfe entsteht eine diffuse dräuende Masse.
Dieter Rucht: "Kollektive Aufwallungen von Gefühlen, wo Leute plötzlich mitgerissen werden vom Strudel der Ereignisse, von irgendwelchen Leuten, die etwas angefangen haben. Lynchjustiz gehört zu diesen Phänomenen."
Dieter Rucht: "Kollektive Aufwallungen von Gefühlen, wo Leute plötzlich mitgerissen werden vom Strudel der Ereignisse, von irgendwelchen Leuten, die etwas angefangen haben. Lynchjustiz gehört zu diesen Phänomenen."
O-Ton Reporter /Rolling Stones auf der Waldbühne: "Da rollen die Steine auf die Bühne. Arme werden geschwenkt. Die Zuschauer springen in die Höhe."
Dieter Rucht: "Es kann auch mal eine kollektive Begeisterung im Zuge von kulturellen Events ausbrechen. Ich habe das selbst erlebt, 1965 als die dieWaldbühne kleingeschlagen haben. Ich war da auch selbst sehr schockiert und betroffen."
Reporter: "Da versucht man das Podium zu stürmen!"
Der Soziologe Dieter Rucht forscht am Wissenschaftszentrum Berlin.
Dieter Rucht: "Der Massenbegriff hat eine Hochkonjunktur erlebt um die Wende zum 20. Jahrhundert. Da erschienen in dieser Zeit verschiedene Publikationen vor allem aus Frankreich, da rückte die Masse ins Zentrum einer psychologischen, sozialwissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Das Bild, das da gezeichnet wurde, das später übrigens von Sigmund Freud weitgehend zustimmend übernommen wurde, das Bild der Masse ist eigentlich relativ schlicht."
Dieter Rucht: "Es kann auch mal eine kollektive Begeisterung im Zuge von kulturellen Events ausbrechen. Ich habe das selbst erlebt, 1965 als die dieWaldbühne kleingeschlagen haben. Ich war da auch selbst sehr schockiert und betroffen."
Reporter: "Da versucht man das Podium zu stürmen!"
Der Soziologe Dieter Rucht forscht am Wissenschaftszentrum Berlin.
Dieter Rucht: "Der Massenbegriff hat eine Hochkonjunktur erlebt um die Wende zum 20. Jahrhundert. Da erschienen in dieser Zeit verschiedene Publikationen vor allem aus Frankreich, da rückte die Masse ins Zentrum einer psychologischen, sozialwissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Das Bild, das da gezeichnet wurde, das später übrigens von Sigmund Freud weitgehend zustimmend übernommen wurde, das Bild der Masse ist eigentlich relativ schlicht."
Gustave le Bon, ein französischer Arzt war einer der Gründerväter einer neuen Forschungsdisziplin. Man spürt bei ihm und seinen Nachfolgern, über Jose Ortega y Gasset bis hin zu Elias Canetti, den bürgerlichen Ekel über die getriebene Menge. Die Masse bleibt ein unklares Konstrukt. Der Schrecken, den sie auslöst, ist dementsprechend gespenstisch. 1895 veröffentlichte Gustave Le Bon seine Psychologie der Massen. Sie machte ihn zu einem der einflussreichsten Sozialforscher seiner Zeit.
"Die Hauptmerkmale des Einzelnen in der Masse sind also: Schwinden der bewussten Persönlichkeit, Vorherrschaft des unbewussten Wesens, Leitung der Gedanken und Gefühle durch Beeinflussung und Übertragung in der gleichen Richtung, Neigung zur unverzüglichen Verwirklichung der eingeflößten Ideen. Der Einzelne ist nicht mehr er selbst, er ist ein Automat geworden, dessen Betrieb sein Wille nicht mehr in der Gewalt hat."
Dieter Rucht: "Nein die Forschung zeigt, dass es so nicht ist."
"Die Hauptmerkmale des Einzelnen in der Masse sind also: Schwinden der bewussten Persönlichkeit, Vorherrschaft des unbewussten Wesens, Leitung der Gedanken und Gefühle durch Beeinflussung und Übertragung in der gleichen Richtung, Neigung zur unverzüglichen Verwirklichung der eingeflößten Ideen. Der Einzelne ist nicht mehr er selbst, er ist ein Automat geworden, dessen Betrieb sein Wille nicht mehr in der Gewalt hat."
Dieter Rucht: "Nein die Forschung zeigt, dass es so nicht ist."
Die Masse bildet keinen konstanten Gleichklang
Schon allein, dass viele Menschen zu großen Versammlungen und Manifestationen zusammenkommen geht auf viele individuelle und bewusste Entscheidungen zurück. Und auch dann, wenn die Vielen zusammen sind, verschmilzt der Einzelne nicht einfach mit den anderen zu einer Masse. Dieter Rucht ist mit einem Forscherteam ganz nah ran gegangen.
Dieter Rucht: "Wir haben ja eine detaillierte Beobachtung einer Pegida-Veranstaltung in Dresden gemacht, das war damals wohl auf dem Höhepunkt dieser Gruppierung. Wir haben das mit sehr vielen Beobachtern analysiert. Und da kann man schon sehen, dass selbst dort wo vordergründig alle Leute gleichgestimmt sind, sehr wohl auch Substrukturen und Unterschiede sichtbar sind."
Dieter Rucht: "Wir haben ja eine detaillierte Beobachtung einer Pegida-Veranstaltung in Dresden gemacht, das war damals wohl auf dem Höhepunkt dieser Gruppierung. Wir haben das mit sehr vielen Beobachtern analysiert. Und da kann man schon sehen, dass selbst dort wo vordergründig alle Leute gleichgestimmt sind, sehr wohl auch Substrukturen und Unterschiede sichtbar sind."
Die Pegida-Demo war Anfang 2015. 35.000 folgten dem Aufruf der Islamfeindlichen Plattform. Die nachtdüsteren Bilder in den Medien zeigen sie, mit Deutschlandfahnen und Hetzplakaten. Eine bedrohliche Masse, die von den Rednern vorne bespielt wird. Rucht, der mit rund 60 Mitarbeitern mittendrin steht, staunt über die Vielfalt, die er antrifft. Die massive Unterstützung für die Rechtspopulisten auf der Bühne - sie zerfällt bei den vielen kleinen Grüppchen, deren ideologische Schnittmenge kaum zu greifen ist: Neugierde, vages Unbehagen.
Dieter Rucht: "Es gibt tatsächlich situativ gebunden für kurze Momente, vielleicht auch für ein zwei Tage, Phänomene des Massenhandelns, aber wenn wir genauer hinschauen, dann sind diese Massen, oder das, was als Masse bezeichnet wird, fast immer strukturierte Gruppen, die eine spezifische Identität haben, die in Untergruppen zerfallen, die also nicht im Gleichklang miteinander handeln, sondern die allenfalls mal in eine Richtung drängen, aber dann wieder teilen und ganz unterschiedliche Hintergründe und Ansichten aufweisen."
Dieter Rucht: "Es gibt tatsächlich situativ gebunden für kurze Momente, vielleicht auch für ein zwei Tage, Phänomene des Massenhandelns, aber wenn wir genauer hinschauen, dann sind diese Massen, oder das, was als Masse bezeichnet wird, fast immer strukturierte Gruppen, die eine spezifische Identität haben, die in Untergruppen zerfallen, die also nicht im Gleichklang miteinander handeln, sondern die allenfalls mal in eine Richtung drängen, aber dann wieder teilen und ganz unterschiedliche Hintergründe und Ansichten aufweisen."
Der historische Massenbegriff taugt nicht mehr, aber er wirkt nach
Die Idee von der manipulierbaren Masse und der Regression des Einzelnen in ihr hält sich hartnäckig - Forschungsstand hin oder her. Le Bons Ausführungen werden mittlerweile sogar herangezogen, um die Bewegungen in den sozialen Netzwerken des Digitalzeitalters zu beschreiben. Dort wo Menschen in Schmähgewittern, den Shitstorms umtost werden, ...
Heiko Maas: "Sie alle kennen die furchtbaren Beispiele von Mordaufrufen, Bedrohungen und hasserfüllten Postings, die es in den sogenannten sozialen Netzwerken gibt."
Heiko Maas: "Sie alle kennen die furchtbaren Beispiele von Mordaufrufen, Bedrohungen und hasserfüllten Postings, die es in den sogenannten sozialen Netzwerken gibt."
... wo hysterische Begeisterungswellen von Followern ausgelöst werden. Wo sich Stimmungen seismisch verbreiten. Im Internet, wo sich der Einzelne dem Strudel der Masse hingibt. Rasend und schnell. Masse 2.0, nennt das der Medientheoretiker Tilman Baumgärtel. Usermassen, die gewohnt sind, dass alles ganz schnell geht und vor allem direkt. Die Bestellung von Amazon ist am nächsten Tag da und der Regierungssprecher kondoliert auf Twitter, da ist der verletzte Polizist noch gar nicht tot. Le Bon schreibt, dass die Masse ungeduldig ist. Aber der Druck, der von ihrer Netzwerk-Manifestation ausgeht nimmt einem den Atem.
Gebannt blicken wir auf ihre digitalen Äußerungen, Facebook-Likes, Tweets und Retweets. Penibel werden sie gemessen in den Parteizentralen. Sie sagen, was das Volk denkt, der direkte Draht, in Echtzeit, ein Traum für jeden Populisten. Massen brauchen jemanden, der sie anführt. So wird Politik gemacht.
Die Mehrheit registriert die Shitstorms im Netz nicht
Renate Köcher ist die Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach. Sie erforscht mit wissenschaftlichen Methoden was die Bürger bewegt - per Telefon. Dieses Kommunikationsmittel wollen wir passenderweise auch verwenden, um etwas über die Wucht der digitalen Masse zur erfahren.
Renate Köcher: "Ich fand das auch interessant, wir haben mal geprüft welchem Anteil der Bevölkerung schon jemals bewusst geworden ist, dass es solche Shitstorms im Netz gibt und massive Stellungnahmen insbesondere zu journalistischen Arbeiten. Die Mehrheit hat das noch nie bewusst registriert. Das können Journalisten sich gar nicht vorstellen, dass das so ist."
Auch die Masse 2.0 verliert bei genauer Betrachtung an Bedrohlichkeit. Die Bewertung der digitalen Meinungsmacht, gemessen in Seitenaufrufen, Likes, Tweets, oder Kommentaren, erscheint nach den Erkenntnissen der Meinungsforscherin maßlos aufgebläht. Köcher ersieht aus ihren Umfragen ...
Renate Köcher: "Dass es nur eine kleine Minderheit in der Bevölkerung ist, die sich in solchen Netzwerken zu politischen Fragen äußert. Aber wir haben uns immer wieder angeschaut, wie hoch der Anteil ist derjenigen, die hier regelmäßig Stellung nimmt - das sind drei Prozent. Und wie hoch ist der Anteil, der ab und zu Stellung nimmt und die Kommentare anderer Nutzer zu Kenntnis nimmt, mit einer gewissen Häufigkeit - da kommt man auch nicht über die 16, 17 Prozent hinaus. Das heißt die große Mehrheit der Bevölkerung übersieht man, wenn man sich eng auf die sozialen Netzwerke und das, was man da an politischer Meinungsäußerung hat, konzentriert."
Renate Köcher: "Ich fand das auch interessant, wir haben mal geprüft welchem Anteil der Bevölkerung schon jemals bewusst geworden ist, dass es solche Shitstorms im Netz gibt und massive Stellungnahmen insbesondere zu journalistischen Arbeiten. Die Mehrheit hat das noch nie bewusst registriert. Das können Journalisten sich gar nicht vorstellen, dass das so ist."
Auch die Masse 2.0 verliert bei genauer Betrachtung an Bedrohlichkeit. Die Bewertung der digitalen Meinungsmacht, gemessen in Seitenaufrufen, Likes, Tweets, oder Kommentaren, erscheint nach den Erkenntnissen der Meinungsforscherin maßlos aufgebläht. Köcher ersieht aus ihren Umfragen ...
Renate Köcher: "Dass es nur eine kleine Minderheit in der Bevölkerung ist, die sich in solchen Netzwerken zu politischen Fragen äußert. Aber wir haben uns immer wieder angeschaut, wie hoch der Anteil ist derjenigen, die hier regelmäßig Stellung nimmt - das sind drei Prozent. Und wie hoch ist der Anteil, der ab und zu Stellung nimmt und die Kommentare anderer Nutzer zu Kenntnis nimmt, mit einer gewissen Häufigkeit - da kommt man auch nicht über die 16, 17 Prozent hinaus. Das heißt die große Mehrheit der Bevölkerung übersieht man, wenn man sich eng auf die sozialen Netzwerke und das, was man da an politischer Meinungsäußerung hat, konzentriert."
Für die große Mehrheit der Bevölkerung gibt es ja die Meinungsforschungsinstitute.Die teilen in immer kürzerer Taktung mit, wie die Stimmung dreht. Wenn man weiß, in welche Richtung die Masse will, ist es leichter, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen. Ein Irrweg, meint Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher.
Renate Köcher: "Ich sehe es sehr negativ, wenn die Meinungsforschung eingesetzt wird, wie eine Art Dauerplebiszit, das gegen die parlamentarische Demokratie in Stellung gebracht wird. Das ist nicht Aufgabe der Demoskopie."
Renate Köcher: "Ich sehe es sehr negativ, wenn die Meinungsforschung eingesetzt wird, wie eine Art Dauerplebiszit, das gegen die parlamentarische Demokratie in Stellung gebracht wird. Das ist nicht Aufgabe der Demoskopie."
Die Gruppe – eine moderne, positive Perspektive auf die Vielen
Auch wenn der historische Massenbegriff nicht mehr taugt - er wirkt nach. Dabei steht er im Konflikt mit einer modernen Perspektive auf die Vielen, die zusammen agieren. Einer positiven. Und die stellt sich fast automatisch ein, wenn das Label Masse gegen den Begriff der Gruppe getauscht wird. Im Internet sammeln Gruppen Wissen in Enzyklopädien an, helfen und beraten. Im Alltag können wir gar nicht ohne. Ohne Gruppe keine Gesellschaft, keine Zivilisation.
Ralph Hertwig: "Die Schwarmintelligenz ist eher der Ausdruck, der aus der Biologie und der Verhaltensökologie kommt. Im Kontext der Untersuchung beim Menschen ist es eher der Ausdruck der Weisheit der Vielen."
Ralph Hertwig: "Die Schwarmintelligenz ist eher der Ausdruck, der aus der Biologie und der Verhaltensökologie kommt. Im Kontext der Untersuchung beim Menschen ist es eher der Ausdruck der Weisheit der Vielen."
Der Psychologe Ralph Hertwig leitet den Forschungsbereich Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Seine Forschung belegt, dass Entscheidungen häufig besser sind, wenn viele daran beteiligt sind. Zusammen können wir mehr als der Einzelne.
Ralph Hertwig: "Wenn Sie ein eindeutiges Kriterium haben - also beispielsweise frage ich Sie nach dem Staatsbudget der USA im letzten Jahr, oder nach einer mathematischen Formel, also irgendeine Tatsache, für die es wirklich eine richtige Lösung gibt. Dann kann man zeigen, dass eine Gruppe wesentlich besser in der Lage ist, als das Individuum, eine richtige Lösung zu finden. Und der Grund liegt darin, dass die Chance, dass irgendwer in der Gruppe die richtige Lösung kennt und die anderen davon überzeugen kann, mit Argumenten, dass das die richtige Lösung ist und dann schließen sich die anderen dieser Meinung an."
Ralph Hertwig: "Wenn Sie ein eindeutiges Kriterium haben - also beispielsweise frage ich Sie nach dem Staatsbudget der USA im letzten Jahr, oder nach einer mathematischen Formel, also irgendeine Tatsache, für die es wirklich eine richtige Lösung gibt. Dann kann man zeigen, dass eine Gruppe wesentlich besser in der Lage ist, als das Individuum, eine richtige Lösung zu finden. Und der Grund liegt darin, dass die Chance, dass irgendwer in der Gruppe die richtige Lösung kennt und die anderen davon überzeugen kann, mit Argumenten, dass das die richtige Lösung ist und dann schließen sich die anderen dieser Meinung an."
Die Wahrheit gewinnt, nennt Hertwig dieses Szenario.
Ralph Hertwig: "Truth Wins"
Ralph Hertwig: "Truth Wins"
Die Güte einer Entscheidung hängt von der Einbindung der Einzelnen ab
Aber das geht natürlich nur, wenn es eine Wahrheit gibt. Sie fehlt bei vielen Fragen, die uns als Gesellschaft bewegen und über die wir dennoch zu einem Urteil kommen müssen: Soll Griechenland Milliardenhilfen bekommen, ist eine Obergrenze für Flüchtlinge notwendig, brauchen wir eine Leitkultur, eine Reichensteuer? Ohne eindeutiges Richtig oder Falsch bemisst sich die Güte einer Entscheidung in der Gruppe nach anderen Kriterien.
Ralph Hertwig: "Was ein wichtiger Aspekt ist, ist, das es viele Kontexte gibt, in denen wir als Gruppe eine Entscheidung treffen, in der gar nicht so sehr darum geht, ob die Entscheidung jetzt richtig oder falsch ist, sondern wo es demokratischer partizipativer Entscheidungsprozess ist, wo ich den in erster Linie darum geht, ob ich den Eindruck habe, dass es ein Endpunkt der Entscheidung dann auch mittrage, selbst dann, wenn ich dabei anderer Meinung bin, wo ich aber den Eindruck habe, ich konnte einen Beitrag dazu leisten."
Es ist ein immer wiederkehrender Befund in der Diskussion über den Populismus, dass es wohl an diesem Gefühl der Partizipation fehlt.
Klaus Ernst: "Und es wäre fatal jetzt zu sagen das ist alles populistisch, was die sagen, das ist Quatsch. Wenn dort Positionen vertreten werden, dass ausgegrenzt wird, dann muss man das ernst nehmen und kucken was man da ändern muss. Damit man die Bürger wieder einfängt. Also muss man die Politik ändern und nicht nur auf die eindreschen."
Michael Frieser: "Ich kann die Politik insgesamt nur auffordern, genau das aufzugreifen, also nicht aus falsch verstandener politischer Korrektheit Dinge nicht aufzugreifen ... - reden wir nicht drüber - sondern tatsächlich darüber zu reden."
Die Marginalisierung von beachtlichen Bevölkerungsgruppen bei der Meinungs- und Entscheidungsfindung - das ist eine Kernbehauptung der Populisten. Aber sie gilt als gesetzt. Jetzt wird um Ausgeschlossene gekämpft - statt sich darauf zu verlassen, dass die Bürger im Land ihre vielfältigen Partizipationsmöglichkeiten selbstständig wahrnehmen. Parteien öffnen sich für Nichtmitglieder. Überall Bürgerdialog. Klaus Ernst von den Linken, Michael Frieser von der CSU - kein Politiker, der nicht verspricht, genauer hinzuhören. Das wirkt dann schon so, als ob er es zuvor nicht getan hätte. Der Bonner Politologe Frank Decker beobachtet, wie sich das politische Geschäft verändert.
Frank Decker: "Das hat damit zu tun, dass die populistischen Akteure, jetzt im engeren Sinne, Druck ausüben auf die etablierten Parteien, ihre inhaltliche Agenda zu verändern, aber möglicherweise auch eine andere Form der Wähleransprache zu suchen, die dann eben auch populistische Elemente aufgreift."
Die Debatten werden härter, es wird schneller und entschiedener auf neue Themen reagiert - Themen die von den Rechtspopulisten gesetzt werden. Sie treiben mit Massen und Mehrheiten, die es so gar nicht gibt, alle anderen vor sich her.
Thomas de Maizière: "Ich bestehe natürlich nicht auf dem Begriff der Leitkultur, aber ich benutze ihn gerne."
Frank Decker: "Und wir konnten das in der Bundesrepublik exemplarisch beobachten nach dem September 2015 wie dann relativ schnell das was man da als Willkommenskultur bezeichnet hat, umgeschlagen ist in eine Politik der Abschottung und Begrenzung."
Ralph Hertwig: "Was ein wichtiger Aspekt ist, ist, das es viele Kontexte gibt, in denen wir als Gruppe eine Entscheidung treffen, in der gar nicht so sehr darum geht, ob die Entscheidung jetzt richtig oder falsch ist, sondern wo es demokratischer partizipativer Entscheidungsprozess ist, wo ich den in erster Linie darum geht, ob ich den Eindruck habe, dass es ein Endpunkt der Entscheidung dann auch mittrage, selbst dann, wenn ich dabei anderer Meinung bin, wo ich aber den Eindruck habe, ich konnte einen Beitrag dazu leisten."
Es ist ein immer wiederkehrender Befund in der Diskussion über den Populismus, dass es wohl an diesem Gefühl der Partizipation fehlt.
Klaus Ernst: "Und es wäre fatal jetzt zu sagen das ist alles populistisch, was die sagen, das ist Quatsch. Wenn dort Positionen vertreten werden, dass ausgegrenzt wird, dann muss man das ernst nehmen und kucken was man da ändern muss. Damit man die Bürger wieder einfängt. Also muss man die Politik ändern und nicht nur auf die eindreschen."
Michael Frieser: "Ich kann die Politik insgesamt nur auffordern, genau das aufzugreifen, also nicht aus falsch verstandener politischer Korrektheit Dinge nicht aufzugreifen ... - reden wir nicht drüber - sondern tatsächlich darüber zu reden."
Die Marginalisierung von beachtlichen Bevölkerungsgruppen bei der Meinungs- und Entscheidungsfindung - das ist eine Kernbehauptung der Populisten. Aber sie gilt als gesetzt. Jetzt wird um Ausgeschlossene gekämpft - statt sich darauf zu verlassen, dass die Bürger im Land ihre vielfältigen Partizipationsmöglichkeiten selbstständig wahrnehmen. Parteien öffnen sich für Nichtmitglieder. Überall Bürgerdialog. Klaus Ernst von den Linken, Michael Frieser von der CSU - kein Politiker, der nicht verspricht, genauer hinzuhören. Das wirkt dann schon so, als ob er es zuvor nicht getan hätte. Der Bonner Politologe Frank Decker beobachtet, wie sich das politische Geschäft verändert.
Frank Decker: "Das hat damit zu tun, dass die populistischen Akteure, jetzt im engeren Sinne, Druck ausüben auf die etablierten Parteien, ihre inhaltliche Agenda zu verändern, aber möglicherweise auch eine andere Form der Wähleransprache zu suchen, die dann eben auch populistische Elemente aufgreift."
Die Debatten werden härter, es wird schneller und entschiedener auf neue Themen reagiert - Themen die von den Rechtspopulisten gesetzt werden. Sie treiben mit Massen und Mehrheiten, die es so gar nicht gibt, alle anderen vor sich her.
Thomas de Maizière: "Ich bestehe natürlich nicht auf dem Begriff der Leitkultur, aber ich benutze ihn gerne."
Frank Decker: "Und wir konnten das in der Bundesrepublik exemplarisch beobachten nach dem September 2015 wie dann relativ schnell das was man da als Willkommenskultur bezeichnet hat, umgeschlagen ist in eine Politik der Abschottung und Begrenzung."
Angela Merkel – Populistin ohne Volk?
Das politische System korrodiert. Denn für das langwierige Aushandeln von Kompromissen - das gehört zur funktionierenden Demokratie dazu - bleibt immer weniger Raum. Und ohne diesen Prozess erhöht sich die Gefahr, dass Bürger sich ausgeschlossen fühlen und abwenden. Was wiederum den Populisten in die Hände spielt. Aber vielleicht ist es einfach die richtige Zeit für den Auftritt der großen Volksversteher.
Bernd Stegemann: "Großes Theater!"
Bernd Stegemann: "Großes Theater!"
Bernd Stegemann, Autor, Professor an der Schauspielschule Ernst Busch und Dramaturg am Berliner Ensemble. Stegemann hat sich mit seinem Buch über "Das Gespenst des Populismus" in die jüngste Populismus-Debatte eingeschaltet.
Bernd Stegemann: "Und der Populismus, der einen so großen Schrecken auslöst in der bis dahin irgendwie existierenden demokratischen Öffentlichkeit, besteht natürlich genau darin, dass der Populismus die Regeln in Frage stellt und sagt, ihr habt hier Regeln und durch diese Regeln werden ganz bestimmte politische Meinungen, Menschen, Weltanschauungen ausgegrenzt. Und die sollen doch bitte wieder Teil der politischen Öffentlichkeit werden. Das ist der Grundangriff des Populisten auf die demokratische Öffentlichkeit."
Bernd Stegemann: "Und der Populismus, der einen so großen Schrecken auslöst in der bis dahin irgendwie existierenden demokratischen Öffentlichkeit, besteht natürlich genau darin, dass der Populismus die Regeln in Frage stellt und sagt, ihr habt hier Regeln und durch diese Regeln werden ganz bestimmte politische Meinungen, Menschen, Weltanschauungen ausgegrenzt. Und die sollen doch bitte wieder Teil der politischen Öffentlichkeit werden. Das ist der Grundangriff des Populisten auf die demokratische Öffentlichkeit."
Der Intellektuelle mag die rechten Populisten nicht, aber er beobachtet mit einer gewissen Befriedigung, wie sie das bestehende politische System zum Knarzen bringen. Ängste auslösen im Bürgertum - so wie einst dieses andere Gespenst, bei Marx. Das es soweit kommen musste, liegt - stellvertretend für das "System" an: Angela Merkel. Ihr diskretes Strippenziehen, ihre glatte Rationalität hinterfragt Stegemann. Er sieht in ihr eine Populistin – eine, die kein Volk braucht.
Bernd Stegemann: "Angela Merkel hat das unglaublich geschickt gewendet und an die Stelle des Volkes den Markt gesetzt. Sie hat die marktförmige Demokratie ausgerufen und gesagt, ich habe lange über etwas nachgedacht, ich bin zu einer rationalen Entscheidung gekommen, die ist dann alternativlos. Das heißt, über die muss auch gar nicht abgestimmt und diskutiert werden. Das heißt, ich bin als Angela Merkel in der Lage, die Wahrheit, die der Markt will von der Gesellschaft, wahrzunehmen und diese Wahrnehmung ist damit der hundertprozentige Grund, warum das dann richtig ist, wenn man das dann so tut."
Bernd Stegemann: "Angela Merkel hat das unglaublich geschickt gewendet und an die Stelle des Volkes den Markt gesetzt. Sie hat die marktförmige Demokratie ausgerufen und gesagt, ich habe lange über etwas nachgedacht, ich bin zu einer rationalen Entscheidung gekommen, die ist dann alternativlos. Das heißt, über die muss auch gar nicht abgestimmt und diskutiert werden. Das heißt, ich bin als Angela Merkel in der Lage, die Wahrheit, die der Markt will von der Gesellschaft, wahrzunehmen und diese Wahrnehmung ist damit der hundertprozentige Grund, warum das dann richtig ist, wenn man das dann so tut."
Stegemanns Populismusvorwurf ist recht eigen. Ein Verfremdungseffekt mit Aufmerksamkeitspotential - Angela Merkel wird sonst nie mit dem P-Wort belegt. Sie verkörpert ja gerade das Integre, Etablierte. Stegemanns Drama der aktuellen Politik: Die populistischen Unholde treten von rechts auf die Bühne und decken die Verlogenheit der Herrschenden auf. Und beide, so hofft der Dramaturg, gehen in dem Konflikt zugrunde - um für etwas Neues Platz zu machen.
Bernd Stegemann: "Die stellen womöglich die richtige Frage, oder weisen mit dem Finger auf den richtigen Punkt, nämlich, dass immer mehr Menschen ausgegrenzt werden, und dass es immer ungleicher zugeht. Dann muss man sagen, den Punkt verstehen wir und jetzt klären wir den nämlich nach unseren Regeln, denen der liberalen Gesellschaft und nicht denen der rechtslastigen ausgrenzenden, nationalistischen Regeln. Diese Unterscheidung muss man schon treffen können, als liberale Gesellschaft."
Sagen Sie mir nochmal ganz schnell, warum Horst Seehofer kein Populist ist:
Frank Decker: "Äh, darauf, hmm, könnte ich Ihnen keine Antwort geben."
Bernd Stegemann: "Die stellen womöglich die richtige Frage, oder weisen mit dem Finger auf den richtigen Punkt, nämlich, dass immer mehr Menschen ausgegrenzt werden, und dass es immer ungleicher zugeht. Dann muss man sagen, den Punkt verstehen wir und jetzt klären wir den nämlich nach unseren Regeln, denen der liberalen Gesellschaft und nicht denen der rechtslastigen ausgrenzenden, nationalistischen Regeln. Diese Unterscheidung muss man schon treffen können, als liberale Gesellschaft."
Sagen Sie mir nochmal ganz schnell, warum Horst Seehofer kein Populist ist:
Frank Decker: "Äh, darauf, hmm, könnte ich Ihnen keine Antwort geben."