Porsche - Verlust eines Markenzeichens

Es hätte ein Märchen sein können. Es war einmal ein junger ehrgeiziger Maschinenbauer, der Karriere und Millionen machen wollte, bei einem vor dem Aus stehenden Sportwagenhersteller einstieg, wunderbare Wagen bauen ließ, und alles vergoldete, was er anfasste.
So weit der Beginn der Geschichte von Wendelin Wiedeking und seinem unaufhaltsamen Aufstieg bei Porsche. Und wenn er nicht in dieser Woche zur nächtlichen Stunde entlassen worden wäre, dann würde er vielleicht bis ans Ende seiner Tage als größter David aller Zeiten Eigentümerfamilien, Aktionäre, Mitarbeiter und Porschefahrer glücklich machen, einfach märchenhaft.

Die raue Wirklichkeit ist anders, was allerdings nicht heißt, dass das Ende der Geschichte kein gutes ist. Doch der Reihe nach. Der Charme des knorrigen Westfalen Wendelin Wiedeking bestand nicht nur aus seinem Erfolg. Natürlich wurde er bewundert für den Aufstieg aus der Asche, für den Mut zur Perfektion, für sein soziales Engagement auch gegenüber der Belegschaft, die seinen Erfolg Tag für Tag schuf.

Als andere deutsche Millionen-Manager sich brüsteten, dass sie auf Jahre trotz wirtschaftlichen Erfolges in Deutschland keine Steuern zahlen müssten, stellte Wiedeking klar: Porsche zahlt alle Steuern, er selbst ist in Deutschland voll steuerpflichtig und staatliche Subventionen nimmt er für den Luxus-Karossen-Bauer nicht in Anspruch. Seine lapidare Erklärung: "Der Staat braucht das Geld für den Bau der Straßen, auf denen wir fahren wollen."

Wer berechtigt triumphieren kann, wer sich deutlich von der aus Prinzip jammernden Unternehmer-Lobby absetzt, wer Rot-Grün nicht unbedingt für den Untergang Deutschlands hält, macht sich selbst zum Außenseiter. Auch das hat Wendelin Wiedeking genossen, genauso wie ein gutes Essen, ein spätes Bier und eine dicke Zigarre.

Dann berichtete er stolz über das vorbildliche Betriebsklima, auch wegen der vielfältigen Weiterbildungs- und Gratifikationsmöglichkeiten, die Porsche seinen Beschäftigten bot. Da war bei allem bacchantischen Auftreten auch stets die Achtung vor den Menschen zu spüren, die Porsche glänzen ließen.

Wer jetzt, Wiedekings Karriereende vor Augen, meint, dies alles sei dem Mann aus Beckum zu Kopf gestiegen, irrt. Die Auflagen der EU-Kommission, den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch und die Schadstoffemission der Wagenflotten betreffend, hätte Porsche mit seinen geringen Stückzahlen und einseitiger Sportwagen-Ausrichtung nie erfüllen können. Deshalb war das Zusammengehen mit Volkswagen die richtige Lösung, der Versuch des David-Zwerges den Goliath-Weltkonzern zu schlucken. Allerdings der falsche Weg.

Dass dies Wiedeking nicht gelang, obwohl zunächst die finanziellen Modelle für die erfolgreiche Übernahme gar nicht so unrealistisch aussahen, sogar die politischen Voraussetzungen durch Entscheidungen in Brüssel und Unterstützung aus Berlin erfüllbar schienen, ist eine andere, nur teilweise von der Wirtschaftskrise diktierte Geschichte. Darin gibt es dann auch ein eher düsteres Kapitel über die Familienfehde zwischen den Sippen Piech und Porsche, die sich von einem Emporkömmling nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollten.

Der ist nun weg und hat seine hohe Abfindung sozial vorbildlich aufgeteilt, wobei ihm und dem Finanzamt noch ein ordentlicher Teil bleibt. Dass die unter Managern verbreitete Eigenschaft Gier ein Charakterzug des Wendelin Wiedeking ist, wird keiner vom Ex-Porsche-Chef behaupten können. Und nun? Kann dennoch alles gut werden.

Porsche bringt bei VW technisches Know-how ein. Was sich beim Diesel-Cayenne mit Audi-Motor schon abzeichnete, wird sich verstärken, die Kooperation der einzelnen Werke des VW-Konzerns, zu dem nun auch Porsche gehörten wird. Außerdem kann der Sportwagenbauer bei der Entwicklung eines für ihn tauglichen Hybrid- oder Elektroantriebs von der Zusammenarbeit mit den anderen Entwicklungsabteilungen des Riesenunternehmens nur profitieren.

Wenn nach einem erbitterten Streit, der auch Opfer gefordert hat, letztlich beide Seiten feststellen, dass die erzielte Einigung im Interesse beider Kampfparteien liegt, sind Vokabeln wie Desaster oder Untergang fehl am Platz. Und wenn sich der Schlachtenlärm gelegt und der Pulverdampf endgültig verzogen hat, bleibt die Hochachtung vor der unternehmerischen Leistung des Wendelin Wiedeking, die Erinnerung an einen Macher mit Verantwortungsgefühl und eine Frage: Was ist Porsche ohne sein Markenzeichen?