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Von Stefan Keim |
Wer den Hügel zur Bochumer Jahrhunderthalle erklimmt, sieht viel Holz. Eine zweite Fußgängerbrücke ist entstanden, eine Bühne aus Sperrholz mit Sitzgelegenheiten. Das Kunstprojekt "Our CenturY" ist eine temporäre Landschaft, die nach dem Ende der Ruhrtriennale wieder verschwindet. Das Künstlerduo Köbberling/Kaltwasser hat es zusammen mit Bürgern des Ruhrgebietes gebaut.
Die Wolken verdichten sich, ein Gewitter naht. Verena Liebers fegt schnell den Staub zusammen, andere Helfer bringen die Werkzeuge in Sicherheit. Dann regnet es doch nicht.

Einen Monat lang wurde rund um die Jahrhunderthalle gebaut. Aus Sperrholz und Europaletten entstand eine Landschaft auf Zeit, mit einer neuen Brücke, Sitzgelegenheiten, offenen Kommunikationsflächen. Jeder konnte sich beteiligen, Vereine, Gruppen und Spaziergänger, die neugierig stehen blieben, mit den Arbeitenden ins Gespräch kamen.

Verena Liebers: "Ich bin Nachbarin. Ich wohne in der Nähe der Jahrhunderthalle und deshalb wollte ich wissen, was hier passiert."

Verena Liebers ist Wissenschaftlerin. Fast jeden Tag nach Feierabend kam sie auf die Baustelle. Und wurde sofort zum Teil eines Teams.

"Wobei das Tolle war, dass man kam und gleich Arbeitshandschuhe kriegte und am Anfang erst mal einfache Tätigkeiten oder Schrauben oder Helfen halt, wo man mit angepackt hat und dann so rein gewachsen ist. Also man kriegte nicht erst einen theoretischen Vortrag gehalten, was die Vision ist. Während man gearbeitet hat, war es für mich so, dass ich gespürt habe, wie die Lücken gefüllt werden, wie langsam eine große Fläche entsteht."

Im Vergleich zum repräsentativen gläsernen Vorbau der Jahrhunderthalle wirken die Holzbauten roh, unfertig, chaotisch. Sie umkreisen das Industriedenkmal mit einer Aura der Anarchie. Das Projekt "Our CenturY" will erobert und benutzt werden. Hier wird kein Programm geplant, die Besucher sollen machen, was sie wollen. Abhängen, Musizieren, Diskutieren, was auch immer.

Beim genaueren Hinsehen entdeckt man Feinheiten. Die Räume zwischen den Europaletten wurden mit Intarsien gefüllt, Gegenständen und Krimskrams, die Leute mitgebracht haben. Verena Liebers ist besonders stolz auf eine Bank, ihre Bank, die sie ganz allein gebaut hat.

"Ich hab noch nie in meinem Leben vorher einen Akkuschrauber in der Hand gehabt. Und mein Freund hat jetzt gemeint, er muss mir unbedingt einen schenken, weil ich ihn wohl gar nicht mehr aus der Hand legen kann. Man kriegte es gezeigt, man kriegte eine Sicherheitsanweisung ganz zu Anfang. Aber man hatte die Möglichkeit, etwas auszuprobieren. Und wenn man etwas nicht gut geschraubt hatte, dann konnte man's ja auch wieder raus machen."
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