Porträt

    Der neue "Bürgermeister von Italien"

    Matteo Renzi
    Hoffnungsträger Renzi will Italien aus dem "Sumpf" ziehen und die alte Politikergarde "verschrotten" © dpa / picture-alliance / Alessandro Di Meo
    Von Jan-Christoph Kitzler, Rom · 14.02.2014
    Er ist scharfer Kritiker des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Enrico Letta - und dessen Parteifreund: Dass der junge Florenzer Bürgermeister Matteo Renzi, Chef der Regierungspartei Partito Democratico, nun die Regierung übernimmt, ist sehr wahrscheinlich.
    Er wird der "Rottamatore" genannt, der Verschrotter. Und jetzt macht er seinen eigenen Parteifreund Enrico Letta zu Alteisen. An Ehrgeiz hat es dem inzwischen 39jährigen noch nie gemangelt – und auch nicht an Selbstbewusstsein.
    Matteo Renzis Aufstieg in der italienischen Politik ist rasant verlaufen – auch, weil er sich stets als einer verkauft hat, der außerhalb des Parteiensumpfes steht. Schon 2009 war das so. Bevor er erst in der Vorwahl zum Spitzenkandidaten seiner Partei und dann die Wahl zum Bürgermeister von Florenz gewann, fegte Renzi über das politische Establishment seiner Stadt hinweg.
    Für den Aufstieg zum Chef des Partito Democratico brauchte er immerhin zwei Anläufe: Ende 2012 unterlag er noch gegen Pier Luigi Bersani, nur um ein Jahr später zu triumphieren: zweieinhalb Millionen Italiener hatten sich an der Urwahl beteiligt, rund 68% hatten am Ende Renzi gewählt.
    "Ich verspreche Euch: Wir werden nicht einfach eine Führungsriege durch eine andere ersetzen. Ich verspreche Euch, dass wir die Gruppe der Mächtigen nicht einfach austauschen. Wenn wir all diese Stimmen bekommen haben, dann, um das System auseinanderzunehmen, nicht um ihre durch unsere Leute zu ersetzen."
    "Renziani" werden für Ministerposten gehandelt
    Aber genau das ist eben danach auch passiert – die "Renziani" haben längst Schlüsselpositionen in der Partei übernommen und werden nun auch für die Ministerposten gehandelt.
    In diesen Tagen hat sich auch die die Brutalität Renzis auf dem Weg zur Macht gezeigt. Kaum ein Tag verging, an dem es von Ihm keine Kritik gab an der Regierung und an Enrico Letta. Dem bescheinigte er immerhin gnädig, er mache eine gute Außenpolitik. Mit anderen Worten: Renzi will ein höheres Reformtempo, er will Italien aus dem Sumpf führen.
    "Wir haben das schönste Land der Welt, aber wir haben die schlechteste politische Klasse, die die europäische Geschichte der letzten 30 Jahre gesehen hat. Der Schlaf ist vorbei!"
    Aber jetzt kann er sich nicht mehr als einer inszenieren, der von außen kommt, jetzt reichen seine begeisternden, meist frei gehaltenen Reden nicht mehr aus. Jetzt muss Renzi liefern und Reformen durchsetzen – mit einer Regierungskoalition, die schon unter Enrico Letta nicht allzu viel zustande gebracht hat. Das Momentum Renzis könnte schnell verpuffen.
    Drei Kinder hat er und ist mit einer Gymnasiallehrerin verheiratet. Seine politische Heimat ist eher das bürgerlich-liberale Spektrum, als die Linke. Vorgehalten wurde ihm immer wieder seine angebliche Nähe zu Silvio Berlusconi. Schon 2010, als es eigentlich noch keinen Grund dafür gab, besuchte den Skandalpolitiker in seiner Villa bei Mailand. Vor wenigen Wochen war das anders. Da lud er Berlusconi, dessen politischer Stern im Sinken ist, in die Zentrale des Partito Democratico ein, um einen Kompromiss zum Wahlrecht auszuhandeln. Er sagte, es gehe nicht ohne Berlusconi, Kritiker sagen, damit habe Renzi Berlusconi wieder politisch aufgewertet.
    Er wird "Bürgermeister Italiens" genannt
    Wochen später, am Tag nach dem Eklat zeigt sich Renzis Kaltblütigkeit. Noch am Abend wurde Enrico Letta brutal aus dem Amt gejagt. Am Morgen danach ist Renzi wieder ganz der Bürgermeister. Er steht in Florenz, im Palazzo Vecchio, mit der Schärpe um die Brust, spricht über Bürgersinn, Engagement und Löcher in den Straßen – so als wäre nichts geschehen:
    "Für mich ist es ein bisschen schwierig, ich weiß nicht, wie sich jetzt alles entwickelt. Wir reden jetzt nicht über Politik, wir reden von anderem. Ich bitte Sie nur um etwas, von Bürger zu Bürger sozusagen. Wer heute Politik betreibt, ob schlecht oder gut, weiß, es gibt keinen größeren Luxus, nichts Schöneres, als sich die Hand zu geben, die Meinung auszutauschen, jemanden zu umarmen und zu hören, wie es auch ausgeht, du machst es nicht für dich, sondern im Dienst der anderen."
    Den "Bürgermeister Italiens" haben Sie ihn in den letzten Wochen genannt. Schon bald muss er aus dem Palazzo Chigi in Rom, dem Amtssitz der Ministerpräsidenten den Beweis antreten, dass er nicht nur von Reformen reden, sondern sie auch durchsetzen kann.
    Wenn es gelingt, wäre das sicher gut für Italien.
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