Was ist noch übrig vom amerikanischen Traum? Deutschlandradio Kultur-Reporterin Nana Brink hat diese Frage US-Amerikanern aus allen Bevölkerungsschichten gestellt. Sendedatum: 24.-29.10.2016 in unserer Sendung Studio 9
Wo der amerikanische Traum stillsteht
Amanda Terkel aus Washington hat etwas gewagt: Sie hat sich ein Haus gekauft. Für viele ihrer Generation ist dieser Traum unerreichbar. Denn trotz guter Ausbildung haben sie häufig Schulden. Der amerikanische Traum vom ewigen Aufstieg kommt an seine Grenzen.
"Der amerikanische Traum vom eigenen Haus ist für mich präsent, aber nicht für viele Menschen hier."
Washington, Regierungsviertel, 13 Uhr. Wie auf Bestellung spucken die Drehtüren Menschenmassen in dunklen Kostümen und Anzügen auf die Straßen. Amanda Terkel ist da eine kleine Ausnahme mit ihren glitzernden Schuhen und dem legeren T-Shirt. In einem Café unweit des Weißen Hauses trifft sie sich mit Freunden zum Lunch. 30 Minuten für einen Chai-Latte mit Sojamilch und ein veganes Sandwich:
"Ich wurde aus Korea adoptiert und bin ich einem weißen, jüdischen Haushalt aufgewachsen. Ich hatte meine Bat Mizwa, alles. Ich bin in einer ländlichen Kleinstadt aufgewachsen, konservativ, überwiegend weiß, als eine asiatische amerikanische Jüdin, ja, das ist sehr amerikanisch."
Mit einem sehr amerikanischem Traum.
"Ich habe gerade ein Haus gekauft und habe diesen Teil des amerikanischen Traums realisiert, ich bin verheiratet, hatte Jobs, bin nicht arbeitslos geworden und meine Arbeitssituation ist stabiler als die der meisten. Noch nie haben so wenige Menschen ein Haus gekauft wie in den letzten 15 Jahren. Viele versuchen einfach nur, den Kopf oben zu halten."
"Du kannst aufs College gehen, aber Du wirst Schulden haben"
Amanda weiß, von wem sie spricht. Mehr als die Hälfte ihrer Studienfreunde hat über 100.000 Dollar Schulden nach dem Abschluss und nur jeder zweite einen Job, von dem er leben kann. Vor allem in teuren Städten wie Washington, wo ein kleines Apartment schon mal 3000 Dollar Miete im Monat kostet.
Als politische Reporterin für das einflussreiche Onlinemagazin Huffington Post hat sie vor allem ihre Generation im Blick: die 20- bis 30-jährigen. Sie nennt sie die "American-Dream-Babys". Ihre Eltern konnten den amerikanischen Traum noch leben. Und sie selbst?
"Viele Leute sind skeptisch geworden. Du kannst aufs College gehen, aber du wirst Schulden haben. Du bekommst einen Job, aber den magst du nicht wirklich. Du kannst kein Haus kaufen, weil du gucken musst, dass du über die Runden kommst. Das frustriert viele."
Das findet auch Amandas Freundin Simran, die sich nach einem unbezahlten Praktikum gerade zu ihrer ersten bezahlten Stelle hangelt. Ihre Eltern sind aus Indien eingewandert und haben den Traum noch gelebt.
"Meine Eltern sind hierher gekommen, als ich ein Jahr alt war, und sie sind ohne Ausbildung gekommen, aber meine Mutter besitzt ein kleines Geschäft, das ist eine sehr gute Definition des amerikanischen Traums. Sie hat es geschafft. Aber ich - aufgewachsen in der Mittelklasse - werde da nicht herauskommen, nicht gegen all diese Barrieren."
Zweifel an Donald Trump wachsen
Der Amerikanische Traum also ist stehen geblieben. Es geht nicht mehr darum, dass es deinen Kindern besser geht als dir. Heute kannst du schon froh sein, wenn es ihnen gut geht.
Die Mittagspause ist vorbei. Die Straßen rund um das Weiße Haus sind merklich leerer geworden. Plötzlich sieht man Obdachlose an jeder Ecke. Viele junge Leute sind dabei. Amanda Terkel ist wieder auf dem Sprung. Ihre nächste Geschichte handelt von dem Mann, von dem viele glauben, er lebe den amerikanischen Traum. Auch wenn der immer mehr Kratzer abbekommt: Donald Trump.
"Er ist reich, hat seinen eigenen Lebensstil, man verbindet ihn mit diesen goldenen Türmen, und er scheint dieser Archetypus des reichen Mannes zu sein und viele Leute wollen sein wie er. Das Ding ist nur, er scheint nicht so reich zu sein, wie viel glauben. Aber er hat jetzt so viele befremdet, aber für eine lange Zeit dachten wir, er verkörpert den Amerikanischen Traum."