Portugal

Die EU braucht uns nicht

Fischkutter liegen im Hafen von Peniche in Portugal.
Fischkutter liegen im Hafen von Peniche in Portugal. © Jochen Faget
Von Jochen Faget |
Seit 1982 betreiben die EU-Staaten gemeinsam Fischereipolitik. Wer von den Fischern aufs Meer darf, was sie mitbringen können, regeln Fangquoten. In Portugal hat sich so die Anzahl der hauptberuflichen Fischer auf 200 reduziert.
Kurz vor elf Uhr vormittags im Hafen von Peniche. Die Sardinenfischkutter liegen fest vertäut am Kai, sind seit Wochen nicht ausgelaufen. Sie dürfen nicht fischen, damit die Sardinenbestände sich erholen. Möwen drehen ihre Runden und kreischen. Gerade hat die 'Cais Mar’ angelegt - zu deutsch 'Die Hafenmauer’. Ein kleiner Kutter, keine zehn Meter lang, vier Mann Besatzung. Sie dürfen noch raus – um schwarzen Degenfisch zu fangen. Der lagert nun in acht Kisten und soll gleich versteigert werden. Aber so richtig zufrieden ist João Cabral, der Bootsführer, nicht:
"Die Fischerei hat schon bessere Zeiten gesehen. Wir fangen immer weniger, die Vorschriften werden immer mehr. Alles nur noch Politik. Aber was können wir schon tun, wir machen weiter unsere Arbeit.“
Der 47-jährige Mann kratzt sich am Bart, blickt auf den Fang und seine drei Kollegen, schüttelt den Kopf und verschwindet Richtung Versteigerungshalle. Die Stimmung ist schlecht unter Portugals Fischern. Schuld daran sei vor allem die jüngste Fischereireform der EU, findet Humberto Jorge, der Präsident des Fischereiverbands Mittelportugal:
"Da hat Portugal jahrelang versucht, eine vernünftige Fischereipolitik zu betreiben. Aber jetzt reden alle nur noch von Beifang und Überkapazitäten, obwohl das hier kein Thema ist. Und wir werden trotzdem unter den neuen Vorschriften leiden.“
Eine vertrackte Situation: Aus der einstigen Seefahrernation Portugal ist längst ein Staat von Landhockern geworden. Die stolze Kabeljaufangflotte der 1950er-Jahre verrostet in Häfen wie Viana do Castelo und Aveiro im Norden des Landes. Die alten Kähne werden nicht mehr gebraucht. Nur noch wenige dürfen raus, um den Lieblingsfisch der Portugiesen zu fangen. 8000 Tonnen Kabeljau stehen dem Land laut EU-Quote pro Jahr zu. Das reiche gerade einmal für ein gutes Dutzend Trawler, klagt Humberto Jorge vom Fischereiverband:
"Nur 14 portugiesische Schiffe haben Lizenzen für den Nordatlantik. Das sind auf keinen Fall zu viele für die vorhandenen Bestände.“

Zwei portugiesische Fischer laden ihren Fang an Land ab.
Zwei portugiesische Fischer laden ihren Fang an Land ab.© Jochen Faget
Selbst die traditionelle Küstenfischerei ist stark zurückgegangen. Die frühere Fischereihochburg Peniche in Mittelportugal ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Wie in allen anderen Häfen wurden viele Fangboote verschrottet, haben Hunderte von Fischern ihren Arbeitsplatz verloren:
"Die Zahl der Fischkutter ist in den vergangenen 20 Jahren um die Hälfte zurückgegangen. Während früher fast die ganze Stadt vom Fischfang lebte, haben wir jetzt in Peniche gerade noch 14 Fangschiffe.“
Von früher über Tausend Fischern sind gerade einmal 200 übrig geblieben. Die alten Fischkonservenfabriken am Stadtrand verfallen, nur noch drei halten sich – eher schlecht als recht – über Wasser, alle anderen haben Pleite gemacht. Kein Wunder, dass im Hafen Weltuntergangsstimmung herrscht. Gabriel Nunes, der sich die Zeit mit Netzflicken vertreibt, hat keine Illusionen über die Zukunft:
"In ein paar Jahren wird es keine Fischer mehr geben. Man verdient schlecht und die Jugendlichen wollen nicht mehr Fischer werden. In fünf, zehn Jahren ist alles vorbei.“
Dabei hat Portugal doch eigentlich alles richtig gemacht: Nach dem EU-Beitritt des Landes vor fast 30 Jahren wurden Tausende von alten, kleinen Fischerbooten stillgelegt, um die Flotte zu verkleinern, natürlich mit reichlich Zuschüssen. Doch während Portugal sich an die Spielregeln hielt und immer weniger fischte, tricksten andere Fischereinationen, beschwert sich der Präsident des Fischereiverbands von Mittelportugal.
"Andere Länder haben auch Gelder erhalten um ihre Flotten zu verkleinern. Gleichzeitig bauten sie in Privatinitiative ihre Flotte aus und modernisierten sie. Wir dagegen haben nur verringert. Und zwar sehr viel.“
Nur noch rund 200.000 Tonnen Fisch hole Portugal inzwischen jährlich aus dem Meer, ein gutes Drittel weniger als beim EU-Beitritt, stellt Humberto Jorge trocken fest. Bei den für das Land wirtschaftlich wichtigsten Fischarten gerade einmal 100.000 Tonnen:
"Sardinen, Stöcker und Makrelen davon fangen wir nur 100.000 Tonnen. Nur mal zum Vergleich: Genauso viel fischen allein sechs holländische Industriefangschiffe pro Jahr.“
Das Argument Überfischung greife im Fall Portugals also nicht, meint auch Staatssekretär Manuel Pinto Abreu:
"Laut OECD sind wir Nummer eins was umweltverträgliche Fischerei betrifft. Die Sardinenfischerei ist bereits zertifiziert, andere werden folgen. Hier gibt es keine Überfischung.“
Für die Fehler der anderen bezahlen
Was für andere Länder offensichtlich nicht zutrifft. Daher trage das Land auch die Ziele der EU-Fischereireform mit, die Fischbestände dauerhaft zu sichern, erklärt der zuständige Staatssekretär. Nur fragen sich die Fischer in Portugal, warum sie für die Fehler anderer bezahlen sollen. Nicht nur bei den gefangenen Mengen, sondern auch beim zweiten großen Problem: dem Beifang.
Denn fast alles, was Portugals kleine Fischkutter fangen, wird auch verkauft. Große Schleppnetze, die Hauptschuldigen an der Meereszerstörung und am Beifang, werden kaum verwendet, statt dessen fischen die Portugiesen mit Reusen und Haken. Sardinen und Makrelen werden mit Ringwadennetzen eingekreist und dann gefangen. Höchst umweltfreundlich, so Humberto Jorge – Verbandsvertreter der Fischer:
"Im Augenblick haben die Sardinen Schonzeit und dürfen nicht gefischt werden. Darum fangen wir nur Makrelen und Stöcker. Bei der Ringwadenfischerei können wir das genau steuern. Wenn ein Schwarm Sardinen ins Netz gerät, öffnen wir es einfach, bevor wir es einholen und die Sardinen ziehen weiter.“
Und trotzdem trifft die Fischereireform die Portugiesen jetzt mit voller Härte. Die Zuschüsse – etwa zur Modernisierung der Kutter – sollen weitgehend zurückgefahren werden. Das kritisiert selbst der Sprecher der umweltbewussten "Plattform der Fischerei-Nichtregierungsorganisationen" Gonçalo Carvalho:
"Sogar für Bootsstilllegungen soll es keine Zuschüsse mehr geben. Genau genommen sind keinerlei Mittel vorgesehen, die Fischerei nachhaltiger zu machen.“
Schlechte Aussichten also für Portugals Fischer. Obwohl es hier keine großen Fischereikonzerne gibt, wie in anderen EU-Ländern, die mit modernsten Fangschiffen das Meer plündern, erklärt Humberto Jorge:
"95 Prozent der portugiesischen Fischfangunternehmen bestehen aus einem Bootsbesitzer, einem Bootsführer und einem Boot. Der Besitzer gehört sogar fast immer zur Besatzung.“
Portugals Fischer haben langsam die Nase voll von EU-Fischereivorschriften und Reformen. João Cabral, der Degenfischfischer, sitzt im Hafen von Peniche auf seinen inzwischen leeren Plastikkisten. Der Fang, das Ergebnis von fast zwei Tagen harter Arbeit, ist versteigert und hat rund hundert Euro für jeden der vier Männer eingebracht. Nicht viel, aber immerhin:
"Wir haben schon mehr verdient, aber alles wird teurer, selbst das Dieselöl fürs Boot. Nur unser Einkommen wird immer weniger. Aber so ist das Fischerleben eben.“
Warum muss die EU es eigentlich immer noch härter machen, fragt er zum Abschied und kratzt wieder seinen Vollbart.