Zweifel an Sinn und Zweck von Reformen
In Portugal klopft der Internationale Währungsfond diese Woche wieder einmal an, um die Fortschritte bei den Sparbemühungen einzuschätzen. Die Forderung aus Washington ist klar: Portugal soll weiter sparen. Doch im Land sieht man das anders.
Etwa eine halbe Millionen Menschen nutzen an Wochentagen das U-Bahn-Netz von Lissabon. Im vergangenen Jahrzehnt sind wichtige neue Strecken gebaut worden, etwa zum internationalen Flughafen.
Das hat viel Geld gekostet. Die Schulden des Staatsbetriebs belasten die öffentlichen Kassen mit über vier Milliarden Euro. Deshalb ist die Regierung nun auf der Suche nach einem privaten Investor, an den die Nutzungsrechte der U-Bahn für Jahrzehnte übertragen werden sollen.
Der Deal ist Teil des umfangreichen Privatisierungsprogramms, das die Mitte-Rechts-Koalition seit 2011 umsetzt. Für die Regierung ist der Verkauf der Staatsunternehmen ein wichtiger Beweis dafür, dass Portugal auch nach dem offiziellen Ende des internationalen Hilfsprogramms vor zehn Monaten an wichtigen Reformen festhält.
Anders jedoch sieht das der Internationale Währungsfonds. Subir Lall, Chef der Washingtoner Delegation, sagte zum Abschluss seines jüngsten Kontrollbesuchs in Lissabon:
"Das Spar- und Reformprogramm hat in Portugal gut funktioniert, aber die Herausforderungen werden noch lange weiter bestehen. Jetzt ist ein sehr guter Zeitpunkt, um weitere Reformen anzugehen. Es ist richtig: Portugal hat schon vieles umgesetzt, aber der Prozess muss weitergehen und er wird in den kommenden Jahren nicht einfach so beendet werden können – ganz unabhängig von den politischen Rahmenbedingungen."
Portugal soll sich weiter zum Sparkurs bekennen
Die Botschaft ist klar: Die konservative Regierung unter Premierminister Pedro Passos Coelho und die gemäßigte Opposition sollen sich gerade im Wahljahr 2015 weiter zum Sparkurs bekennen. Langfristig, so der IWF, könne die portugiesische Wirtschaft nur wachsen, wenn sie wettbewerbsfähiger wird und das Land strukturelle Reformen umsetzt.
Was aber heißt das, fragt sich José Silva Peneda, der Präsident des portugiesischen Wirtschafts- und Sozialrates. Seit 2009 steht Peneda an der Spitze der einflussreichen Institution, die den Dialog zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern und der Politik fördern soll. Mit strukturellen Reformen, so Peneda, habe man in Portugal bisher vor allem eines verbunden: Lohnkürzungen, Steuererhöhungen und die Lockerung des Kündigungsschutzes. Er hält es für unmöglich, weitere Arbeitsmarktreformen unter diesen Vorzeichen umzusetzen. Reformbedarf gäbe es in Portugal an anderer Stelle:
"Wir brauchen ein Justizsystem, dass effizienter arbeitet. Zudem brauchen wir einen besseren Zugang zu Krediten. Hier ist zwar gerade auch von der Europäischen Zentralbank einiges getan worden, aber es ist nicht klar, ob das Geld wirklich bei den Unternehmen ankommt. Dann brauchen wir Reformen im Infrastrukturbereich, vor allem eine bessere Güterzuganbindung an Europa, um den Export zu fördern. Und schließlich Anreize in den Bereichen Innovation und Weiterbildung. Das sind für mich wichtige strukturelle Reformen. Der Internationale Währungsfonds wählt den Begriff aber immer sehr schwammig, ohne konkrete Vorschläge zu machen."
Ton zwischen Washington und Lissabon verschärft
In den vergangenen Monaten hat sich der Ton zwischen Washington und Lissabon verschärft. Eine politische Entscheidung ist bei den internationalen Finanzhütern besonders schlecht angekommen: Im Herbst hatte die portugiesische Regierung den monatlichen Mindestlohn von 485 Euro auf 505 Euro angehoben. Eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit der portugiesischen Wirtschaft und die Haushaltskonsolidierung – so die die IWF-Finanzexperten.
Der Ökonom Silva Peneda hält diese Sorge aber für unbegründet, und verweist darauf, dass sich auch die Haltung in Brüssel in den letzten Monaten geändert habe.
"Innerhalb der Europäischen Kommission macht sich ein Umdenken bemerkbar. So steht das Investitionsprogramm, das Kommissionspräsident Junker vorgestellt hat, in einem gewissen Widerspruch zu den Ideen des Internationalen Währungsfonds. Auf dem EU-Gipfel soll darüber ja jetzt verhandelt werden. Es scheint, als ob sich die harte Sparlinie in Brüssel aufweicht und das zwanghafte Festhalten an den Defizitvorgaben nicht mehr im Mittelpunkt steht."
José Silva Peneda wird bald selbst dafür sorgen können, dass seine Ideen zur Konjunkturbelebung in Brüssel Gehör finden. In ein paar Monaten beginnt Peneda seine Arbeit in der Europäischen Kommission: als Berater von Präsident Jean-Claude Junker.