Touristen verzweifelt gesucht
22:41 Minuten
Eigentlich sollten die Strände der Algarve derzeit überfüllt sein mit ausländischen Touristen. Doch die Kneipen in der Tourismushochburg Albufeira sind so leer wie die Strände. Viele in der Region machen gerade eine bittere Erfahrung.
Kurz vor neun Uhr und schon fast 30 Grad: Im Yachthafen der portugiesischen Tourismushochburg Albufeira macht Skipper Diarley Marinho das Ausflugsboot startklar, neun Touristen wollen heute mit ihm Delfine beobachten und die berühmten Felsengrotten der Algarveküste besuchen. Obwohl August und damit eigentlich Hochsaison ist, eine der ersten Fahrten, die Marinho in diesem Sommer macht:
"Wir hatten wegen der Corona-Pandemie Kurzarbeit und praktisch nichts zu tun! Alles stand still. Jetzt geht es langsam wieder los, im August kommen wenigstens ein paar portugiesische Urlauber. Aber mit dem Trubel anderer Jahre ist das absolut nicht zu vergleichen. In keiner Weise."
Im Ferienparadies Algarve herrscht Panik: Wegen des Coronavirus bleiben die Touristen weg. Normalerweise besuchen um die 20 Millionen Urlauber im Jahr die Region, jetzt sind die Zahlen um bis zu 90 Prozent eingebrochen. Viele Hotels haben gar nicht erst aufgemacht, die meisten anderen melden Auslastungen bestenfalls um die 40 Prozent – in der Hochsaison, zu der eigentlich alles voll sein sollte.
Leere Geschäfte und Cafés
Touristenflaute herrscht auch im Jachthafen. Die Geschäfte und Cafés sind leer, ebenso viele der Ferienapartments. Skipper Marinho hat seinen Mund-, Nasenschutz aufgesetzt und das Boot desinfiziert, die Urlauber haben Platz genommen.
"Ich trage die Maske, desinfiziere oft die Hände und versuche, die Kunden zu bewegen, das Gleiche zu tun. Das ist manchmal harte Arbeit, weil einige das nicht wollen. Angst, mich anzustecken, habe ich eigentlich nicht, aber Sorge um die älteren Gäste. Darum halte ich die Regeln ein."
Dann gehts los. Die "Insonia 1" nimmt Kurs nach Westen, zuerst zu den Delfinen. Die wenigen Kunden für heute sind auf den Weg gebracht, Zeit für einen Espresso. Raul Correia hat sich an einen der leeren Tische gesetzt und die Maske abgenommen. Der Mann Mitte 40 leitet die Firma "Dream Wave". Neben den drei kleinen Booten, zu denen die "Insonia 1" gehört, besitzt er noch ein größeres, eine Segeljacht, mehrere Schnellboote, vermietet Jetskis, und bietet Fallschirmfliegen über dem Meer an. Normalerweise, denn zurzeit geht gar nichts:
"Wir leben praktisch von einem Tag auf den anderen, können nichts planen. Jetzt, in der besten Hochsaison, kommen höchstens so viele Leute wie sonst im Winter. Das macht uns schwer zu schaffen."
Investitionen in Millionenhöhe müssen abbezahlt werden. Ein neues Schiff, kurz vor der Krise geordert, konnte Correia gerade noch abbestellen. Trotzdem: Die laufenden Kosten sind hoch, 40 Angestellte müssen bezahlt werden, obwohl die Einnahmen minimal sind:
"Eigentlich sollte Juli einer der besten Monate sein. Aber wir haben nur so viel eingenommen, wie wir brauchen, um die Löhne zu bezahlen. Im ganzen Monat kam nur so viel Geld rein, wie für Löhne rausging."
Portugal kam bisher glimpflich durch die Krise
Vorher war fast drei Monate lang Stillstand. Portugal hatte auf den Ausbruch der Coronapandemie schnell reagiert und schon im März den Notstand verkündet. Schulen und Geschäfte wurden geschlossen, es herrschte eine strenge Ausgangs- und Kontaktsperre. Die drastischen Maßnahmen dürften dafür gesorgt haben, dass das Land bis jetzt relativ glimpflich durch die Krise kam.
Auch Raul Correia musste dichtmachen, sein Personal nach Hause schicken. Das beunruhigt ihn auch jetzt noch. Bei vielen Mitarbeitern dürfte es, da sie im Sommer weniger verdienen und nicht sparen können, spätestens ab Herbst, finanziell sehr eng werden:
"Am meisten mache ich mir Sorgen um meine Leute. Wir sind ein tolles Team. Nur weiß ich nicht, wie die über den Winter kommen sollen, wenn es keine Arbeit gibt."
"Das Geld reicht nicht, um Essen zu kaufen"
Bei ihnen ist es schon eng geworden: Im Lager der Wohlfahrtsorganisation "Santa Casa da Misericórdia de Albufeira" holen Frauen Lebensmittelspenden ab, ohne die sie und ihre Familien hungern müssten. Im Lager türmen sich Paletten mit Milchpaketen und Dosen, ein Gabelstapler lädt Gemüse um. Helfer tragen Pakete durch die Halle. Maria Oliveira, eine Frau Mitte 50, kommt einmal die Woche. Ihr Arbeitgeber, ein Aparthotel, hat sie mit deutlich weniger Geld in Kurzarbeit geschickt.
"Es geht mir schlecht. Aber die Santa Casa hilft mir wenigstens, damit ich essen kann. Wegen der Pandemie bin ich in Kurzarbeit, da reicht das Geld nicht, um Essen zu kaufen. Ohne die Hilfe wüsste ich nicht, was ich machen sollte."
Ironie des Schicksals: Maria Oliveira ist erst vor wenigen Jahren aus dem Ausland zurückgekehrt, hatte lange als Gastarbeiterin in Frankreich gearbeitet.
"Portugal hatte damals die Finanzkrise überwunden, es ging aufwärts. Da habe ich beschlossen heimzukehren. Kurz lief es gut und dann passiert das! Ich weiß nicht mehr ein noch aus."
Die Wirtschaft ist zu sehr am Tourismus orientiert
Dann lädt Maria Oliveira ihre Wochenration in den alten klapprigen Nissan. Zum Abschied wird sie nachdenklich:
"Portugal darf seine Wirtschaft nicht nur auf den Tourismus ausrichten. In der Algarve müssen wir eben wieder fischen und eine Industrie aufbauen. Denn wenn die Touristen nicht kommen, gibt es keine Arbeit."
Diese bittere Erfahrung macht gerade auch der Landrat von Albufeira. Auf seinem Schreibtisch häufen sich Aktenordner. Draußen ist es mit fast 40 Grad brütend heiß, drinnen dank der Klimaanlage angenehm kühl. Trotzdem kommt José Rolo durch die Coronakrise ins Schwitzen:
"Seit vielen Jahren sage ich, wir müssen die Wirtschaft der Algarve diversifizieren. Die Algarve kann nicht nur Tourismus sein. Wir brauchen andere Wirtschaftszweige, sei es auch nur, um den Tourismus zu ergänzen. Darüber hinaus bräuchten wir Betriebe aus dem Bereich der neuen Technologien. Saubere Energie, Sonnenkollektoren und Forschung im Bereich Solarenergie. Oder Wasserstoff für Fahrzeuge. Wir haben die Infrastruktur dafür, wir können das."
Könnten das, genauer gesagt. Denn die Algarve hat jahrzehntelang fast ausschließlich auf den Tourismus, vor allem den Massentourismus gesetzt.
Beispiel Albufeira: Dort leben im Winter rund 30.000 Menschen. In den Sommermonaten explodiert die Bevölkerungszahl auf um die 200.000. Fast alle leben vom Tourismus, der kleine Supermarktbesitzer, die Hotelangestellten, die Restaurants, die Sonnenschirmvermieter am Strand. Der Landrat ist ratlos:
"Ich weiß nicht, was ich machen soll. Das hängt ja alles nicht von uns ab, nicht einmal von den Regierungen. Nichts ist mehr sicher, niemand kann mehr planen. Und das wird so schlimm bleiben, bis es eine Coronavirus-Schutzimpfung gibt."
Die Delfine freuen sich über weniger Trubel
Diarley Marinho auf der "Insonia 1" hat inzwischen für seine Touristengruppe die Delfine gefunden. Über Sprechfunk informiert er die Kollegen auf den anderen Booten. Schnell verfolgen gleich fünf Boote die Tiere.
"Einen haben wir schon", freut sich der Skipper. "Nein, es ist sogar ein Muttertier mit einem Jungen."
Handys werden gezückt, alle fotografieren oder filmen. Es seien Große Tümmler, von denen es viele an der Algarveküste gebe. Jetzt, da sie Junge hätten, seien sie aber schwerer zu finden und misstrauischer. Irgendwie gut, dass Viruskrise ist. Sonst würden noch mehr Boote die Tümmlerfamilie nerven. Marinho dreht noch eine Runde, dann geht es weiter zu den Grotten an der Felsenküste, so wie immer.
Fünfsternehotel statt Holzklasse
So wie immer soll es auch im Nobelresort Pine Cliffs in Albufeira wieder laufen: Der Springbrunnen plätschert, viel kühlender Marmor, in der Hotellobby edle Kunst dazwischen. Und ein Desinfektionsgerät zum Händereinigen für die Gäste, Einbahnpfeile auf dem Boden, damit sich keine Wege kreuzen. Haltelinien und Plexiglasscheiben vor der Rezeption.
Doch der Parkplatz ist voll, alles mindestens teure gehobene Mittelklasse. Der deutsche Direktor Thomas Schön kann nach dem Lockdown vor drei Monaten wieder aufatmen:
"Als Hotelier, der schon 30 Jahre in der Industrie arbeitet, ist es eine völlig neue Erfahrung. Wir haben uns entschlossen, hier das Resort am ersten April zu schließen. Weil so wie auch alle anderen Menschen auf der Welt wussten wir nicht, was auf uns zukommt. Nachdem dann auf irgendeine Weise doch klar wurde, wie sich das Ganze entwickelt, hat das Resort hier wieder am 6. Juni aufgesperrt. Seitdem sind wir offen und handhaben die Pandemie so gut, wie wir können."
Der Masse aus dem Weg gehen
In der Fünfsterneklasse scheint das leichter zu gehen als in den Beton-Hotelburgen für die Massentouristen aus der Holzklasse an den Stränden nebenan:
"Pine Cliffs hat eine besondere Stellung hier in der Algarve, weil wir den Gästen ein Komplettprodukt anbieten. Da gibt es viele Möglichkeiten, wo sich wirklich jeder Gast aller Altersgruppen beschäftigen kann. Es gibt wirklich wunderschöne Touren, die man hier machen kann. Mit Kajaktouren, wo man auch der größeren Masse ohne Probleme aus dem Weg gehen kann."
Social distancing, auch und vor allem im Urlaub. Das hilft gerade dem Pine-Cliffs-Luxusresort über die Runden. Wer es sich leisten kann, bucht eine Villa oder ein Apartment und macht möglichst allein mit der Familie Urlaub. Zwar kommen zurzeit so gut wie keine Ausländer. Dafür haben die Portugiesen die Vorzüge abgeschlossener Resorts entdeckt und buchen verstärkt ihren Urlaub in der Edel-Ferienanlage:
"Juni und Juli waren wirklich schwach im Verhältnis zu den Vorjahren. Im Monat August schaut es etwas anders aus. Wir werden also bis zu 70 Prozent unseres normalen Geschäftes hier im Pine-Cliffs-Resort erreichen."
"Wir haben keine Mieten mehr verlangt"
Damit auch die Golfakademie, die Tennisschule und andere Geschäfte auf dem Resortgelände weiterlaufen, setzt Schön auf gegenseitige Hilfe:
"Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man in einer Krise wirklich die Partnerschaften dann auch wirklich lebt. Ich habe natürlich kein Interesse, dass diese Leute dann nicht wirtschaftlich überleben. Und ich glaube, es ist ganz wichtig, in guten wie in schlechten Zeiten als Partner zu arbeiten. Und wir haben natürlich sehr früh in der Krise angefangen, keine Mieten mehr zu verlangen."
Und so stehen die Golfer auf dem Driving Range und üben Abschläge, als ob es die Coronavirus-Pandemie nie gegeben hätte. Neben der Desinfektionsanlage für die Golfbälle, der eine oder andere sogar mit Maske. Jorge Abreu ist mit der Familie vor zwei Tagen aus der Stadt Porto ganz im Norden angekommen und lässt sich durch nichts aus seiner Ferienruhe bringen.
"Wir müssen uns an die neue Lage anpassen. Aber gleichzeitig wollen wir unseren Urlaub genießen. Wir müssen eben vorsichtiger sein, wegen der Pandemiesituation."
Nach dem Wegbleiben der ausländischen Touristen ist die Arbeitslosenquote in der Algarve um 230 Prozent angestiegen. Von den rund 500.000 Einwohnern haben im Augenblick fast 30.000 keinen Job, so der Gewerkschaftssprecher Tiago Jacinto:
"Die Lage ist dramatisch und schlimmer als in den anderen Jahren. Viele Tausend Arbeiter und ihre Familien haben kein Einkommen."
Zwar seien die Arbeiter im Tourismusbereich schon immer schlecht bezahlt worden, viele von ihnen hätten nur Zeitverträge und seien in der Nebensaison arbeitslos. Doch hätten wegen der Pandemie viele Restaurants Pleite gemacht, Hotels erst gar nicht geöffnet. So sei die Arbeitslosigkeit in die Höhe geschossen. Jetzt räche sich, dass die Politiker der Region immer nur auf den Tourismus gesetzt hätten. Die Schwächen der Monostruktur seien unübersehbar:
"Ich hoffe, dass die Verantwortlichen jetzt endlich einsehen, wie wichtig es ist, die Wirtschaft der Region zu diversifizieren. Auch andere Bereiche sind wichtig für die Entwicklung der Algarve: die Industrie, die Fischerei, die Landwirtschaft. Das Potenzial dafür ist da."
Die falsche Option Billigtourismus
Die Zeit sei reif umzudenken, findet auch der Wirtschaftsprofessor José Maria Castro Caldas. Er forscht am angesehenen Institut für Sozialstudien der Universität Coimbra:
"Die Option Billigtourismus hat sich als falsch erwiesen. Die Algarve hat vor allem auf Masse und niedrige Preise gesetzt. Es war falsch, dass Orte wie Albufeira mit Billigzielen wie Tunesien konkurrieren wollten."
Jetzt gelte es gegenzusteuern, Alternativen zu schaffen. Die Reisegewohnheiten der Menschen änderten sich in Pandemiezeiten, es werde weniger Tourismus geben. Und auch wenn die Tourismusunternehmen gern so weitermachen wollten wie bisher: Es müssten andere, sichere Arbeitsplätze geschaffen werden:
"Es gibt ja auch Wirtschaftsbereiche, in denen Arbeitskräfte fehlen, etwa im Pflege- und Seniorenbereich. Und die Arbeitslosen aus dem Tourismus kennen sich ja mit der Betreuung von Menschen aus. Die müssten jetzt umgeschult werden."
Nur setzt die Regierung lieber auf vermeintlich Altbewährtes, will den Tourismus nicht nur retten, sondern sogar ausbauen. Die Flughäfen werden erweitert, in Lissabon entsteht sogar ein zweiter. Noch kurz vor der Coronavirus-Krise hatte die Regierung das Ziel ausgegeben, 50 Millionen Touristen in das Zehn-Millionen-Einwohner-Land bringen zu wollen. Zahlreiche Bettenburgen sind nach wie vor an der Küste geplant, sollen sogar als "Projekte von nationalem Interesse" besonders gefördert werden. Ein anscheinend nicht zu lösender Konflikt:
"Die Positionen sind klar: Auf der einen Seite die Tourismusindustrie, die bis jetzt viel Geld einbrachte und unter allen Umständen will, dass der Staat sie mit Finanzspritzen ewig weiter unterstützt. Und auf der anderen die, die eingesehen haben, dass wir Alternativen suchen müssen."
Hilfe durch ein 300-Millionen-Euro Regierungsprogramm
Auf die Schnelle soll erst einmal ein 300-Millionen-Euro-Regierungsprogramm der Algarve helfen. Nicht, um Alternativen zu finden, sondern um die Not zu mindern. Mit Fortbildungsmaßnahmen zum Beispiel, wie João Fernandes, der Präsident des Tourismusverbandes der Region, erklärt:
"Wenn die Hauptsaison vorbei ist, wollen wir verstärkt in die Fortbildung der Mitarbeiter investieren. In der Nebensaison wird es noch weniger Nachfrage geben als sonst. Also wollen wir wenigstens dafür sorgen, dass die Betriebe und das Personal im nächsten Jahr besser vorbereitet sind."
Den Massentourismus, der sich inzwischen auch nachteilig auf die Natur auswirkt, will niemand wirklich infrage stellen. Selbst die Tatsache, dass in der Region jeden Sommer massiver Wassermangel herrscht, kann daran nichts ändern. Die Algarve leide nicht unter zu vielen Urlaubern, versichert der Tourismusmanager. Es gebe nur zu wenig andere Einkommensquellen. Darum machten sich die Einbrüche bei den Besucherzahlen so stark in der Wirtschaft der Region bemerkbar.
Ansonsten jedoch gibt João Fernandes sich optimistisch. In der Vergangenheit habe es immer wieder Katastrophen gegeben, die sich negativ auf den Tourismus auswirkten. Das Attentat auf die Twin Towers von New York 2011, die globale Finanzkrise – all das habe der Reiselust der Menschen langfristig nicht geschadet. Warum also sollte es diesmal wegen der Coronavirus-Pandemie anders sein? Also bitte keine Experimente, Fernandes will weiter auf Tourismus für die Region Algarve setzen:
Ansonsten jedoch gibt João Fernandes sich optimistisch. In der Vergangenheit habe es immer wieder Katastrophen gegeben, die sich negativ auf den Tourismus auswirkten. Das Attentat auf die Twin Towers von New York 2011, die globale Finanzkrise – all das habe der Reiselust der Menschen langfristig nicht geschadet. Warum also sollte es diesmal wegen der Coronavirus-Pandemie anders sein? Also bitte keine Experimente, Fernandes will weiter auf Tourismus für die Region Algarve setzen:
"Ich muss denen absolut widersprechen, die sagen, der internationale Tourismus würde zurückgehen. Er verdoppelt sich alle zehn Jahre. Daran habe ich auch in Zukunft nicht die geringsten Zweifel."
Touristennotstand in Albufeira
Im Augenblick allerdings herrscht in Albufeira Touristennotstand. Einsam und verloren dreht ein Transvestit Rollschuhrunden auf dem Stadtplatz. Normalerweise ist hier Party, drängen sich auf dem Platz die britischen, französischen und deutschen Urlauber. Albufeira hat – zumindest für Briten – Ballermann-Potenzial. Weil britische Urlauber aber nach ihrer Rückkehr zwei Wochen in Quarantäne müssten, kommen sie gar nicht erst.
Außer portugiesischen Familien ist kaum jemand unterwegs. Zwei Irinnen trinken einsam Bier im Sir-Harry’s-Pub, vor den Restaurants warten Kellner mit desinfizierten Plastikspeisekarten auf Gäste, die nicht kommen. Manche der zahlreichen Steak-Häuser und indischen Lokale sind sogar ganz geschlossen. Die Straßenhändler bleiben auf ihren Handtüchern, Badeanzügen und Algarve-Souvenirs sitzen.
Skipper Diarley Marinho ist mit seinen Touristen auf der "Insonia 1" wieder auf dem Rückweg. Letzter Stop, die Grotten beim Fischerdorf Benagil. In Jahrmillionen hat das Meer die Kalksteinfelsen ausgehöhlt, bizarre Steinformationen geschaffen. Weiße Felsen, glasklares Wasser und kaum Menschen am Strand. So hat selbst Marinho die Algarve selten gesehen:
"Normalerweise wären die Strände jetzt überfüllt, so ist das nicht normal. Aber andererseits können die, die trotz der Pandemie gekommen sind, ihre Zeit am Strand umso mehr genießen. Ja, einerseits ist die Lage schlecht, ganz anders, als wir erwartet hatten. Aber wer hier ist, kann die Schönheit der Natur in der Algarve jetzt noch viel intensiver erleben."
Die Portugiesen achten auf Pandemiemaßnahmen
Das findet auch David Seubert aus Würzburg, der mit seiner Freundin an der Bootstour teilnimmt:
"Ja, war sehr schön. Wir haben uns total gefreut, dass wir die Delfine sehen konnten. Das war am Anfang nicht geplant. Aber als wir gehört haben, dass man Delfine sehen kann, war es natürlich toll. Und als es geklappt hat, haben wir uns sehr gefreut darüber."
Über das Reisen in Pandemiezeiten sagt er:
"Wir haben sogar dreimal nachgedacht, aber uns am Ende dann doch dafür entschieden. Ich finde, die Portugiesen achten schon sehr darauf. Maskenpflicht und so weiter ist natürlich überall. Ich finde aber trotzdem, dass wir dadurch nicht wirklich eingeschränkt sind. Alles in Ordnung soweit."
Skipper Marinho macht sich trotzdem Sorgen um die Zukunft:
"Die Sache ist doch, dass wir alle, die wir in der Algarve und vom Tourismus leben, Angst wegen der Zukunft haben. Wir fürchten um unsere Wirtschaft. Und die Coronavirus-Pandemie wird unsere Wirtschaft nachhaltig verändern, unser tägliches Leben und unsere Zukunft. Da bin ich ganz sicher."
Für die Region, die fast ausschließlich vom Tourismus lebe, brächen schwere Zeiten an. Der August, die Hochsaison, die keine war, sei erst der Anfang:
"Glücklicherweise arbeite ich für eine Firma, die noch gesund ist. Zwar mit weniger Personal, aber wir machen weiter. Ich muss ganz einfach dankbar dafür sein, dass ich noch Arbeit habe."
Dann setzt er den Kurs Richtung Jachthafen von Albufeira und gibt Gas. Immerhin haben sich bereits genug Urlauber für eine neue Tour am nächsten Tag angemeldet.