Postkoloniale Zerwürfnisse
Die berühmte Kriegsreporterin Martha Gellhorn schildert in ihren drei afrikanischen Novellen, wie die lange Kolonialzeit in Afrika immer noch das Zusammenleben von Schwarzen und Weißen beeinflusst. Zuweilen fällt sie dabei aber bei der Beschreibung der Afrikaner in alte Klischees zurück und schreibt so Kolonialherren-Prosa.
In ihren drei afrikanischen Novellen aus dem Jahr 1984 konzentriert sich die berühmte Kriegsreporterin und leider immer noch zu wenig gewürdigte Erzählerin Martha Gellhorn (1908–1998) auf eine bestimmte Region, eine bestimmte Epoche und ein bestimmtes politisch-soziales Biotop in Afrika – auf das koloniale Establishment von britischen Plantagenbesitzern und Hoteliers in Kenia und Tanzania am Übergang von der britischen Herrschaft zur Unabhängigkeit der jungen afrikanischen Staaten.
Alle drei Novellen spielen in den 1950er und 1960er Jahren in Ostafrika: Das waren die letzten Jahre eines kolonialherrlichen Lebensstils weißer Farmer und Großwildjäger im Hochland am Victoria-See und in ihren Safari-Luxushotels am Kilimandscharo oder am Indischen Ozean – eines Lebensstils, den Martha Gellhorn mit scharfem Detailblick und einem feinen Ohr für die Tonfälle und sozialen Nuancierungen der weißen Siedler untereinander plastisch darstellt. Sie kann glaubhaft schildern, wie in den Golf- und Tennis-Clubs, in den Hotel-Bars der Weißen und bei den Tee-Gesellschaften der Siedler-Frauen geredet wurde – neugierig, klatschsüchtig und hämisch.
Im Hintergrund aber kündigt sich das Ende der britischen Herrschaft bereits an: Die Mau-Mau-Aufstände in Kenia gewittern durch Gellhorns Erzählungen; deren Folge, die Entlassung Kenias in die Unabhängigkeit 1963, stellt die ansässigen Weißen vor die Entscheidung: hier bleiben und sich mit den neuen afrikanischen Herren arrangieren; oder das Land verlassen und nach Südafrika oder England auswandern.
Gellhorn interessiert sich für die mannigfaltigen Konflikte, die in dieser heiklen Übergangszeit zwischen den alten weißen und den neuen schwarzen Herren entstehen, wie auch bei den Bevölkerungsgruppen untereinander. Die Umkehrung der Machtverhältnisse schafft vielerlei Missverständnisse und Reibereien. Die Briten schwanken zwischen ihrer alten Herrschaftsroutine und der Anerkennung der neuen Lage; die Afrikaner fühlen sich immer noch unterdrückt und gedemütigt und reagieren unsicher, wie sie ihre neue staatliche Überlegenheit ausspielen sollen. Aus harmlosen Alltagssituationen können sich plötzlich brisante Konfrontationen ergeben, die Stimmung ist aufgeladen mit ungeklärtem Konfliktstoff.
Diese heikle Periode eröffnet der Erzählerin Gellhorn ein weites Feld, um die unterschiedlichsten Beziehungen zwischen Briten und Afrikanern durchzudeklinieren, bis hin zu tragisch-gewaltsamen Katastrophen.
In der Novelle «Am Berg» etwa verstrickt sich die hochmütige und schöne Hotelierstochter Jane in eine sado-masochistische Sex-Affäre mit einem jungen afrikanischen Regierungsbeamten, zerstörerisch und selbstzerstörerisch; politische Machtspiele und allerlei Erniedrigungs- und Unterwerfungsrituale drücken sich hier in sexueller Besessenheit und sexueller Verachtung aus.
In der Novelle «Am Meer»ist die Heldin eine alleinreisende Engländerin, die Ferien in einem ostafrikanischen Luxus-Hotel macht und bei einem Ausflug einen kleinen afrikanischen Jungen totfährt. Gellhorn steigert diesen Unfall ins Paradigmatische, zum fatalen Zusammenprall zwischen Erster und Dritter Welt. Die tödlichen Missverständnisse zwischen der Britin und den Afrikanern sind quasi einprogrammiert.
In der Novelle «In Hochland» versucht ein weißer Farmer das politische Übergangsproblem auf private Weise zu lösen – indem er ein afrikanisches Waisenkind adoptiert, mit der Perspektive, der Ziehtochter dereinst seine Musterfarm zu überschreiben. Diese dritte Novelle ist die einzige nicht gelungene: Martha Gellhorn verbeißt sich in die Darstellung einer unbelehrbaren englischen Rassistin, die von Anfang an als eklige, dumme und hässliche Negativ-Figur denunziert wird, was erzählerisch wenig ergiebig ist.
Gellhorn schildert Ostafrika als eine gesegnete Region von paradiesischer Fruchtbarkeit und Schönheit, auf die sich die Kolonial-Engländer durch ihre Tüchtigkeit ein Recht erworben zu haben glauben, das jedoch nicht von Dauer ist. Die Afrikaner werden sehr ambivalent gezeichnet, als unsicher, untüchtig, unselbständig, heimtückisch und voll Ressentiment. Gellhorns Perspektive ist durchgehend die weiße: Sie zeigt das Verhalten der Briten in allen Nuancen, oft kritisch, distanziert, voller Ironie, aber stets von innen; die Afrikaner hingegen werden zumeist nur von außen wahrgenommen – als Haus-, Farm- und Hotel-Personal im Hintergrund, in unterschiedlichen Graden von Dienstfertigkeit oder Aufsässigkeit. Gellhorns Blick auf Afrika ist zwar gebrochen, doch immer strikt der europäisch-koloniale.
Rezensiert von Sigrid Löffler
Martha Gellhorn: Das Wetter in Afrika
Novellen. Aus dem Amerikanischen neu übersetzt von Miriam Mandelkow
Dörlemann Verlag, Zürich 2008
287 S., 21,90 Euro
Alle drei Novellen spielen in den 1950er und 1960er Jahren in Ostafrika: Das waren die letzten Jahre eines kolonialherrlichen Lebensstils weißer Farmer und Großwildjäger im Hochland am Victoria-See und in ihren Safari-Luxushotels am Kilimandscharo oder am Indischen Ozean – eines Lebensstils, den Martha Gellhorn mit scharfem Detailblick und einem feinen Ohr für die Tonfälle und sozialen Nuancierungen der weißen Siedler untereinander plastisch darstellt. Sie kann glaubhaft schildern, wie in den Golf- und Tennis-Clubs, in den Hotel-Bars der Weißen und bei den Tee-Gesellschaften der Siedler-Frauen geredet wurde – neugierig, klatschsüchtig und hämisch.
Im Hintergrund aber kündigt sich das Ende der britischen Herrschaft bereits an: Die Mau-Mau-Aufstände in Kenia gewittern durch Gellhorns Erzählungen; deren Folge, die Entlassung Kenias in die Unabhängigkeit 1963, stellt die ansässigen Weißen vor die Entscheidung: hier bleiben und sich mit den neuen afrikanischen Herren arrangieren; oder das Land verlassen und nach Südafrika oder England auswandern.
Gellhorn interessiert sich für die mannigfaltigen Konflikte, die in dieser heiklen Übergangszeit zwischen den alten weißen und den neuen schwarzen Herren entstehen, wie auch bei den Bevölkerungsgruppen untereinander. Die Umkehrung der Machtverhältnisse schafft vielerlei Missverständnisse und Reibereien. Die Briten schwanken zwischen ihrer alten Herrschaftsroutine und der Anerkennung der neuen Lage; die Afrikaner fühlen sich immer noch unterdrückt und gedemütigt und reagieren unsicher, wie sie ihre neue staatliche Überlegenheit ausspielen sollen. Aus harmlosen Alltagssituationen können sich plötzlich brisante Konfrontationen ergeben, die Stimmung ist aufgeladen mit ungeklärtem Konfliktstoff.
Diese heikle Periode eröffnet der Erzählerin Gellhorn ein weites Feld, um die unterschiedlichsten Beziehungen zwischen Briten und Afrikanern durchzudeklinieren, bis hin zu tragisch-gewaltsamen Katastrophen.
In der Novelle «Am Berg» etwa verstrickt sich die hochmütige und schöne Hotelierstochter Jane in eine sado-masochistische Sex-Affäre mit einem jungen afrikanischen Regierungsbeamten, zerstörerisch und selbstzerstörerisch; politische Machtspiele und allerlei Erniedrigungs- und Unterwerfungsrituale drücken sich hier in sexueller Besessenheit und sexueller Verachtung aus.
In der Novelle «Am Meer»ist die Heldin eine alleinreisende Engländerin, die Ferien in einem ostafrikanischen Luxus-Hotel macht und bei einem Ausflug einen kleinen afrikanischen Jungen totfährt. Gellhorn steigert diesen Unfall ins Paradigmatische, zum fatalen Zusammenprall zwischen Erster und Dritter Welt. Die tödlichen Missverständnisse zwischen der Britin und den Afrikanern sind quasi einprogrammiert.
In der Novelle «In Hochland» versucht ein weißer Farmer das politische Übergangsproblem auf private Weise zu lösen – indem er ein afrikanisches Waisenkind adoptiert, mit der Perspektive, der Ziehtochter dereinst seine Musterfarm zu überschreiben. Diese dritte Novelle ist die einzige nicht gelungene: Martha Gellhorn verbeißt sich in die Darstellung einer unbelehrbaren englischen Rassistin, die von Anfang an als eklige, dumme und hässliche Negativ-Figur denunziert wird, was erzählerisch wenig ergiebig ist.
Gellhorn schildert Ostafrika als eine gesegnete Region von paradiesischer Fruchtbarkeit und Schönheit, auf die sich die Kolonial-Engländer durch ihre Tüchtigkeit ein Recht erworben zu haben glauben, das jedoch nicht von Dauer ist. Die Afrikaner werden sehr ambivalent gezeichnet, als unsicher, untüchtig, unselbständig, heimtückisch und voll Ressentiment. Gellhorns Perspektive ist durchgehend die weiße: Sie zeigt das Verhalten der Briten in allen Nuancen, oft kritisch, distanziert, voller Ironie, aber stets von innen; die Afrikaner hingegen werden zumeist nur von außen wahrgenommen – als Haus-, Farm- und Hotel-Personal im Hintergrund, in unterschiedlichen Graden von Dienstfertigkeit oder Aufsässigkeit. Gellhorns Blick auf Afrika ist zwar gebrochen, doch immer strikt der europäisch-koloniale.
Rezensiert von Sigrid Löffler
Martha Gellhorn: Das Wetter in Afrika
Novellen. Aus dem Amerikanischen neu übersetzt von Miriam Mandelkow
Dörlemann Verlag, Zürich 2008
287 S., 21,90 Euro