Potsdam streitet

Kontroverse um eine DDR-Ruine

Blick auf das Potsdamer Terrassenrestaurant "Minsk" am Brauhausberg, 2018
Blick auf das Potsdamer Terrassenrestaurant "Minsk" am Brauhausberg, 2018 © Landeshauptstadt Potsdam, Barbara Plate
Von Verena Kemna |
Wie erhaltenswert ist die Architektur der DDR? Exemplarisch lässt sich das am Beispiel des "Minsk" in Potsdam diskutieren. Das Terrassenrestaurant steht leer und verfällt. Investoren sind scharf auf die Fläche. Doch es gibt Argumente für den Erhalt.
Die Hanglage ist für Investoren top. Doch auf dem Brauhausberg gegenüber vom Potsdamer Hauptbahnhof steht kein einziges Bauherrnschild. Bäume und Gestrüpp wuchern hinter einem Bauzaun. Nur, wer genau hinsieht, erkennt die Umrisse des ehemaligen Terrassenrestaurants "Minsk". Zerbrochene Scheiben, mit Graffiti beschmierte Balkone, fast unkenntlich der Schriftzug "Minsk" vor dem Flachdach des zweistöckigen Betongebäudes. Es gibt kaum einen Potsdamer, den der drohende Abriss gleichgültig lässt:
"Das ist eines der letzten Teile DDR-Architektur, die in dieser Stadt überhaupt noch stehen geblieben sind und ich denke, es ist ein Teil der Geschichte, es hat seine Berechtigung und es sollte da bleiben, man kann es ja anders nutzen.
"Also ich fände es auch schön, wenn es erhalten bliebe. Zumal ja auch die Fachhochschule abgerissen wird und damit quasi Spuren von Geschichte aus der Stadt getilgt werden."
Gefühlt wollen immer mehr Potsdamer das "Minsk" erhalten.
"Ich selber finde das sehr schade, dass das alles ausradiert werden soll und nicht saniert werden soll, also das Thema haben wir ja immer wieder hier in Potsdam und ich finde das nicht schön, dass man immer mehr schick macht und das Alte verschwinden soll."

Eine Perle der Potsdamer Nachkriegsarchitektur

Mit einem offenen Brief appellieren vor allem Kunsthistoriker und Architekten für Erhalt des Terrassenrestaurants. Das einsturzgefährdete, vom Abriss bedrohte Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz. Dabei sei es ein Unikat, eine Perle der Potsdamer Nachkriegsmoderne, heißt es in dem offenen Brief. In den siebziger Jahren hatte die ehemalige DDR-Bezirkshauptstadt Potsdam das Restaurant im Stil einer weißrussischen Folkloregaststätte errichten lassen. Doch die Marmorplatten im Eingang, die Lampen aus Kupfer und die Schnitzereien aus Mooreiche sind längst zerstört. Das Gebäude steht seit zwanzig Jahren leer. Der Architekt Falco Herrmann ist einer von vielen, die sich für das Minsk einsetzen.
"Ich bin Jahrgang 75. Und 1975 war das europäische Denkmalschutzjahr und das Motto damals war, eine Zukunft für unsere Vergangenheit und ich finde, das ist ein schönes Motto, das in Potsdam gerade so ein bisschen verloren geht, nämlich der Blick der Stadtgesellschaft auf diese Zeitschicht zwischen 1945 und 1989."
Außerdem sei das "Minsk" auch architektonisch etwas "Besonderes".
"Das Minsk ist ein sehr relevantes Gebäude, das ist kein Typenbau, sondern das ist ein individuell entstandenes und geplantes Gebäude und hat sehr große städtebauliche und architektonische Qualitäten. Und wir sind der Meinung, dass diese Zeitschicht stadthistorisch bewahrt werden kann und sollte."
Blick auf das Potsdamer Terrassenrestaurant "Minsk" am Brauhausberg, 1987
Blick auf das Potsdamer Terrassenrestaurant "Minsk" am Brauhausberg, 1987© Landeshauptstadt Potsdam / Vera Futterlieb
Das Gebäude steht auf einem von drei Filetgrundstücken in Top-Wohnlage. Erst im Dezember 2017 hat die Stadtverordnetenversammlung den Bebauungsplan für Wohnungen auf dem Brauhausberg verabschiedet. Ein Abriss des "Minsk" ist darin nicht zwingend vorgesehen. Der Auftrag der Stadt an die Stadtwerke ist eindeutig: Die fast zwanzigtausend Quadratmeter mit Blick auf Havel und historische Innenstadt sollen meistbietend verkauft werden. Im Raum steht ein Höchstgebot von 27 Millionen Euro für alle drei Grundstücke. Auch mit vier weiteren Investoren hat Horst Müller-Zinsius, Geschäftsführer der Potsdamer Stadtwerke, bereits verhandelt.

Immobilien-Euros und der Wert der Geschichte

"Wichtig ist, dabei zu wissen, dass die fünf Bieter, die die höchsten Gebote abgegeben haben, unisono erklärt haben: 'Sie kaufen entweder alle drei Lose oder gar keins und das beinhaltet auch den Abriss des Minsk.'"
Was die einen als Gnadenfrist für das Minsk bezeichnen, ist für andere eine Politposse, denn gerade erst haben die Linken, die Wählergruppe die aNDERE und die Grünen in der Stadtverordnetenversammlung mit ihren Anträgen den Verkauf in eine ungewisse Zukunft verlagert. Demnach soll das Terrassenrestaurant aus DDR-Zeiten erhalten, der Bebauungsplan geändert, das Gelände neu ausgeschrieben werden. Typisch Potsdam, sagt Horst Müller-Zinsius, er ist entsetzt.
"Wer das Minsk schon immer gewollt hat, der hätte es nicht verfallen lassen dürfen. Die haben alle zugeguckt und zwar seit Mitte der 90er-Jahre."
Nach jahrelangem Procedere hofft er doch noch auf eine klare Entscheidung.
"Da erwarte ich, dass genug Stadtverordnete genug Rückrat aufbringen, zu sagen, wir behalten die bisherige Haltung bei und die beiden Anträge der Fraktion die Linke und der Grünen werden abgelehnt und dann hoffentlich so schnell, dass wir noch Bieter haben."
Doch die Debatte, so scheint es, hat gerade erst begonnen.
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