Potsdam und die Folgen

Von Michael Groth |
Es wurde schnell reagiert, und das hat positive Folgen: die personell aufgestockte Sonderkommission nahm zwei Personen fest, die verdächtig sind, am Ostersonntag einen Deutschen äthiopischer Herkunft fast zu Tode geprügelt zu haben. So weit so gut, und damit zur Tagesordnung?
Hoffentlich nicht. Wenige Wochen bevor Deutschland die Welt bittet, "zu Gast bei Freunden" zu sein, wurde eines nochmals deutlich: Menschen, die anders aussehen oder denken als man sich das im dumpfen Gewalttätermilieu vorstellt, können sich hierzulande nicht überall sicher fühlen.

Da die Täter ihr Opfer während des Überfalls als "nigger" beschimpften – dies geht aus einer Handy-Aufzeichnung hervor – darf man von einem rechtsradikalen Hintergrund ausgehen. Richtig also auch, das der Generalbundesanwalt das Verfahren an sich zog. Politisch falsch dagegen, das Brandenburgs Innenminister Schönbohm und Bundesinnenminister Schäuble angesichts der nicht abgeschlossenen Ermittlungen dies nicht deutlich sagten. Schäubles Hinweis, das "auch blauäugige, blonde Menschen Opfer von Gewalt werden," ist ja nicht falsch. Im Zusammenhang mit der Tat von Potsdam wird er indes als Relativierung eines Anschlags verstanden, der nicht zu relativieren ist. Wo Vergleiche hinführen in Deutschland, das haben wir –vor Jahren – ja schon erlebt, als in der so genannten "Historikerdebatte" Verbindungen zwischen den Verbrechen der Nationalsozialisten und denen der Stalinisten hergestellt wurden.

Die Vorlage der Innenminister wird vom politischen Gegner gern aufgegriffen, von der stets politisch korrekten Grünenvorsitzenden sowieso, aber auch von Sozialdemokraten, die nach wie vor dabei sind, sich von ihrem innenpolitischen Übervater Schily zu emanzipieren. Der Streit trägt nicht dazu bei, die Lage zu ändern, im Gegenteil. Politische Schuldzuweisungen vernebeln Lösungen ebenso wie Ankündigungen von Integrationsgipfeln oder "Bündnisse für Erziehung".

Geredet wird seit langem über Integration von Ausländern einerseits und den Kampf gegen Rechtsradikalismus auf der anderen Seite. Das dies Seiten derselben Medaille sind, darauf wirft die Tat von Potsdam ein grelles Licht. Dass der Überfallene seit 20 Jahren hier lebt, mit einer Deutschen verheiratet ist, sowie gesellschaftlich und politisch engagiert, das spielte für die Täter keine Rolle. Wer eine andere Hautfarbe hat als wir, so die wahrscheinliche Assoziation in ihren Köpfen, der gehört nicht hierher. Ich bezweifele, dass mit gutem Willen und politisch korrekten Statements daran viel zu ändern ist.

Nötig ist hoher Verfolgungsdruck, "null Toleranz", mehr Sicherheitskräfte, vor allem dort, wo es dunkel und unsicher ist; Sicherheitskräfte, die nicht in die andere Richtung schauen, wenn Ärger droht. Niemand will den Polizeistaat, aber lieber mehr Polizei auf den Straßen als Gefahr für die, die nicht in das krude Weltbild der Täter passen. Letzteres ist im Osten Deutschlands leider eher der Fall ist als andernorts. Das ist historisch zu erklären, wird aber dennoch gern verdrängt.

Bleibt zu hoffen, dass der Fall des Ermyas M. einigen die Augen öffnet.