Poussin-Ausstellung im Louvre

Der Raffael Frankreichs

Der französische Maler Nicolas Poussin (1594-1665)
Der französische Maler Nicolas Poussin (1594-1665) © imago/United Archives
Von Kathrin Hondl |
Die sakralen Bilder von Nicolas Poussin stehen im Zentrum der Ausstellung "Poussin und Gott" im Pariser Louvre. Den "Raffael Frankreichs" nannten ihn seine Zeitgenossen. War er ein frommer Maler? Die Schau anlässlich seines 350. Todestages gibt Antworten.
Der Louvre hätte diese Ausstellung auch einfach nur "Gott" nennen können. Denn Nicolas Poussin hat seit Jahrhunderten einen privilegierten Platz im Olymp der französischen Kunst als Malergott des 17. Jahrhunderts. Wie sehr dieser göttliche Maler allerdings in seiner Kunst dem Göttlichen huldigte, dazu gab es im Lauf der Jahrhunderte unterschiedliche Ansichten, so Nicolas Milovanovic, einer der beiden Kuratoren der Ausstellung.
"In Frankreich ist Poussin, genauso wie Molière, Racine oder La Fontaine, ein nationales Monument des 17. Jahrhunderts. Aber jede Epoche hat etwas anderes aus ihm gemacht: Im 18. Jahrhundert galt Poussin als Philosoph der Aufklärung. Im 19. Jahrhundert wurde er mehr als christlicher Maler gesehen, und im 20. Jahrhundert wiederum sah man Poussin als Libertin, also als einen völlig Ungläubigen. Poussin drohte dabei fast verloren zu gehen."
"Poussin wo bist Du?" fragen die Kuratoren also und beginnen ihre Ausstellung mit einem berühmten Selbstportrait des Künstlers aus dem Jahr 1650. Poussin präsentiert sich da als gelehrter Maler mit Skizzenheft in der Hand. Im Hintergrund eine Frau: Sie trägt ein Diadem, auf dem ein Auge zu erkennen ist. Das Motiv könne als Hinweis auf die göttliche Vorsehung interpretiert werden, erklärt die Texttafel neben dem Bild. Kann, muss aber nicht.
Doch gleich im nächsten Raum kann man sich nur wundern, dass überhaupt je an der Religiosität dieses Malers gezweifelt wurde: Geradezu ekstatische Darstellungen der Aufnahme Mariens in den Himmel, von pausbäckigen Engelchen umgeben, demonstrieren verführerische barocke Pracht, ganz so wie sie sich kirchliche und königliche Auftraggeber damals von den Künstlern wünschten – als Reaktion der römisch-katholischen Kirche auf die Reformation.
Im Laufe der Zeit aber – das wird in der chronologisch gehängten Ausstellung deutlich – unterscheiden sich Poussins Bilder immer mehr von denen anderer Barockmaler in Rom.
"In Italien steht – ganz in der Logik der Gegenreformation nach dem Konzil von Trient – die Emotion im Vordergrund. Intensive Gefühle, weinende Engel und so etwas. Bei Poussin sieht man davon nichts. Seine Bilder sind distanziert, zurückhaltend. Ihre Wirkung ist fast schon abstrakt, wie Musik. Die Motive wiederholen sich mit kleinen, sehr subtilen Variationen. Und genau das macht Poussin aus. Kein anderer malt die Heilige Familie so wie er."
Raffinierte Bildkompositionen
Poussins Darstellungen der Heiligen Familie ist in der Ausstellung ein ganzer Raum gewidmet. Und es erinnert tatsächlich an die Strukturen der Barockmusik, wie da die bekannte Gruppe – Jungfrau, Josef, Jesuskind – immer wieder anders erscheint. Bis hin zu dem Gemälde, das Kunsthistoriker als das perfekte klassische Bild schlechthin feiern: Die "Heilige Familie auf der Treppe" – eine Leihgabe aus dem Cleveland Museum of Art. Ein Bild, an dem nichts hinzugefügt noch weggenommen werden kann, ohne die Gesamtkomposition zu zerstören.
Wie raffiniert Poussin seine Bilder komponierte, zeigt sich auch an seiner Darstellung des biblischen Berichts von Saphira aus der Apostelgeschichte des Lukas. Im Vordergrund ist die tot zu Boden fallende Saphira zu sehen, daneben Petrus, der mit seiner richtenden Hand auf sie zeigt, nachdem er sie gerade der Lüge überführt hat – sie hatte Geld unterschlagen, das für Bedürftige bestimmt war. Doch Poussins Gemälde zeigt mehr als die biblische Szene – man muss nur genau genug hinschauen, so Kurator Mickael Szanto.
"Wenn man das Bild lange und langsam betrachtet, spürt man seine Tiefenwirkung. Man wird nach und nach vom Vordergrund zu einer zweiten Bildebene geführt, zu einem zweiten Motiv: Der Darstellung eines Bettlers, der ein Almosen empfängt. Vorne also sieht man ganz groß die Bestrafung der Saphira durch Petrus, und dann den Hinweis auf den richtigen Weg der Barmherzigkeit. Und wohin führt er: zum himmlischen Jerusalem."
Das wiederum im Hintergrund des Bildes zu sehen ist.
Mit knapp hundert Gemälden und Zeichnungen zeigt die Ausstellung im Louvre das ganze Spektrum der komplexen sakralen Bildsprache von Nicolas Poussin. So wird auch deutlich wie er – ganz der "gelehrte Künstler", als der er sich selbst darstellte – antike und christliche Vorstellungen des Göttlichen in seiner Malerei vereint, Fortuna und göttliche Vorsehung.
Und selbst in Poussins Landschaftsmalerei, etwa in der monumentalen "Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe" aus dem Frankfurter Städel, erkennen die Kuratoren neben der mythischen Geschichte aus Ovids Metamorphosen auch Hinweise auf die Lehren des Heiligen Augustinus: den in der Gewitterlandschaft völlig ruhig daliegenden See als Symbol der Ordnung und Weisheit, wie sie Augustinus in seiner Schrift "De Ordine" als Weg zu Gott empfahl.
Aber ob Poussin nun ein frommer Mensch und Maler war oder nicht: Vor allem ist "Poussin und Gott" eine Ausstellung, die dazu auffordert, unser Schauen zu verlangsamen und über diese Bilder zu meditieren.
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