Viel Feind, viel Ehr?
Etwa 350 Mitarbeiter hat die Behörde, die Hälfte sind Ökonomen oder Juristen - und Andreas Mundt ist ihr Chef. Der Präsident des Bundeskartellamts weiß, dass seine Behörde unbeliebt ist. Mundt selbst sieht sich auch als Anwalt der Verbraucher.
Ein fester Händedruck, ein aufmerksames Lächeln:
"Mein Name ist Andreas Mundt, ich bin der Präsident des Bundeskartellamtes seit dem Jahr 2009 und habe hier im Dezember 1999 als Referent ohne Zeichnungsbefugnisse angefangen."
Das hat sich geändert. Mundt, grauer Anzug, weißes Hemd, rötlich schimmernde Krawatte, wird in wenigen Tagen 56 Jahre alt. Er ist erst der sechste Präsident des Amtes in knapp 60 Jahren. Vor seiner Zeit im Amt war er im Bundeswirtschaftsministerium und als Referent in der FDP-Bundestagsfraktion tätig. Nun sitzt er in seinem Büro im ersten Stock, Raum 118, das Präsidentenzimmer. Durch die drei Fenster blickt er auf die Villa Hammerschmidt, den einstigen Sitz des Bundespräsidenten in Bonn, doch sein Augenmerk gilt dem Wettbewerb:
"Ludwig Erhard hat einmal gesagt, dass das Kartellrecht das Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft ist. Das macht ganz schnell den Stellenwert des Kartellrechts an sich deutlich."
Und kennt auch keine Ausnahmen: In den vergangenen zwei Jahren verhängte sein Amt Bußgelder in Höhe von über 1,3 Milliarden Euro. Es traf Automobilzulieferer, Matratzenhersteller, Anzeigenblätter oder auch den Sanitär-Großhandel. Mundts Behörde beschäftigte sich mit der Vergabe von Fernsehrechten der Fußball-Bundesliga oder auch mit Facebook.
"Also wir selber verstehen uns eigentlich als Schiedsrichter. Als Schiedsrichter in einem Spiel, das in der Wirtschaft stattfindet, dessen Verlauf wir möglichst wenig beeinflussen wollen, wo wir aber diejenigen sind, die darauf achten, dass die Spielregeln eingehalten werden."
Etwa 350 Mitarbeiter hat die Behörde, von denen die Hälfte Ökonomen oder Juristen sind. Die sich nicht immer beliebt machen, weiß auch ihr Chef, selbst Jurist. Kartelle habe es schon immer gegeben, werde es immer geben. Und dagegen vorzugehen, war noch nie beliebt, so Mundt.
"Einer meiner Vor-Vorgänger hat immer gesagt: Wettbewerb hat keine Lobby. Das liegt daran, dass diejenigen, die davon profitieren, im Grunde keine echte Stimme haben. Wenn wir was für den Verbraucher tun, wer soll sich da positiv äußern."
Ein politisches Ventil schaffen
Mundt sieht sich auch als Anwalt der Verbraucher, bekämpft Bierpreis-Kartelle oder unlauteren Wettbewerb mit Best-Price-Klauseln im Internet. Bei der Rollenbeschreibung bleibt er im Fußball-Bild:
"Nun gibt es schon mal Situationen, wo der Schiedsrichter sich unbeliebt macht. Das ist sicherlich so, das ist völlig unbenommen. Gleichwohl würde ich auch sagen, dass es anerkannt ist, dass der Schiedsrichter ein absolut notwendiges Element eines solchen Spiels ist."
Und um Schiedsrichter gibt es auch Diskussionen. Wie zuletzt auch im Fall Edeka/Tengelmann, obwohl Mundts Amt beim Konflikt nun nur noch am Rande eine Rolle spielte. Die Wächter aus Bonn hatten die Übernahme der Supermarkt-Ketten untersagt, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel von der SPD sich darüber hinweggesetzt, die Übernahme mit einer sogenannten Ministererlaubnis gestattet. Dies untersagte nun zwar das Oberlandesgericht Düsseldorf. Doch ungeachtet der Auseinandersetzung zwischen Wirtschaftsminister und OLG sieht Mundt in Gabriels Entscheidung keine Niederlage seines Amtes:
"Sie müssen eine Art politisches Ventil schaffen. Wir sind eine rechtsanwendende Behörde, wir machen Wettbewerbsrecht. Wenn es aber dazukommt, das Wettbewerbsrecht vielleicht mal Wettbewerbsrecht sein zu lassen und aus übergeordneten Gemeinwohl-Gründen zu sagen: Ich entscheide hier politisch."
Genauso wichtig sei es aber auch, dass es eine Ausnahme bleibe: Seit der Einführung im Jahr 1973 gab es nur 22 Anträge auf eine Ministererlaubnis, wovon nur neun positiv beschieden wurden – inklusive Edeka/Tengelmann. Mundt ist ein Anhänger der Regelung. Sie sichere die Unabhängigkeit, …
"… wenn sie sie nicht hätten, dann würden all dieser politische Druck, all diese politischen Erwägungen, die würden alle auf dem Bundeskartellamt lasten. Das wäre dann vielleicht auch ein bisschen viel des Guten, und insofern ist es ein gutes Ventil."
Digitalisierung und Globalisierung überfordern
Zumal sich die Bonner Behörde ansonsten gut unterstützt sieht: In Verdachtsfällen kann sie Durchsuchungen machen, Beweise beschlagnahmen und letztendlich Strafen in Höhe von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes verhängen. Und seitdem im Jahr 2000 die Kronzeugenregelung einführt wurde, gibt es viele Hinweise aus dem Markt. Ein Anreiz: Der erste Zeuge geht straffrei aus. Zusätzlich kann Mundts Behörde Fusionen untersagen, geht Beschwerden bei Vergaben nach und übt – bei marktbeherrschende Unternehmen – eine sogenannte Missbrauchsaufsicht aus. Das werde immer wichtiger:
"Wie gehen wir mit diesen großen Unternehmen, diesen Internetgiganten oder vielleicht auch anderen Unternehmen, wie gehen wir damit um? Wie sorgen wir dafür, dass sie die Position, die sie in der Wirtschaft haben, wirtschaftlich nicht missbrauchen? Das ist, glaub' ich, die große Zukunftsaufgabe."
Die Digitalisierung gepaart mit der Globalisierung. Die Herausforderung, auch für die Bonner Behörde. Im Kartellamt hat man eine Task Force gegründet, die sich mit Phänomen der Digitalisierung beschäftigt, und daraus Konzepte entwickelt. Zudem: Internationale Vernetzung mit ausländischen Behörden, Mundt ist auch Vorsitzender des International Competition Network, dem Zusammenschluss von 130 Wettbewerbsbehörden. Mundt sieht die Herausforderung:
"Der Wettbewerbsrechtler sagt immer: Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen ist der Mount Everest des Wettbewerbsrechts. Das ist unsere Aufgabe, den zu bezwingen."