Elitenmeinung kämpft gegen Volksstimme
Die Unterstützung für Donald Trumps Erfolge entstamme einer tiefen Unzufriedenheit in der Bevölkerung, meint der frühere US-Botschafter John Kornblum. Er sieht Hillary Clinton im Vorteil, auch wenn sie das für die Politik nötige Showgeschäft nicht beherrsche.
Der ehemalige Botschafter der USA in Deutschland, John Kornblum, bewertet den amerikanischen Wahlkampf um das Präsidentenamt vor allem als Diskussion über die Probleme des Landes. Im Wahlkampf ginge es darum, wie die Vereinigten Staaten auf die großen Herausforderungen der Globalisierung und Digitalisierung reagieren müssten, sagte Kornblum im Deutschlandradio Kultur:
"Die Unterstützung für Trump speist sich aus einer tiefen Unzufriedenheit in der Bevölkerung: Unzufriedenheit mit der Wirtschaft, aber auch mit der Politik, die – wie man meint – diesen Tsunami von wirtschaftlichen Änderungen nicht unter Kontrolle gebracht hat."
Falls Donald Trump gewinne, stelle sich die Frage, in welche Richtung Amerika sich entwickeln werde, äußerte Kornblum. Für ihn und die überwiegende Mehrheit der Beobachter gingen Trumps Vorstellungen allerdings in die falsche Richtung. Dennoch sei festzuhalten:
"Diese Wahl zeigt – wie wahrscheinlich keine andere in letzter Zeit -, dass der Unterschied zwischen der Elitenmeinung und der Volksstimmung teilweise sehr groß ist."
Die Vorteile und die Schwächen Hillary Clintons
Hillary Clinton habe in diesem Rennen die meisten Vorteile, meinte Kornblum. Sie habe allerdings in verschiedenen Wahlkämpfen auch Fehler gemacht, die sie geschwächt hätten:
"Wenn sie sozusagen ihre Botschaft klar stellt und keine großen Fehler macht, soll sie ohne Schwierigkeiten gewinnen."
"Trump ist sowieso nur Show"
Politik sei heutzutage eine Mischung aus Regierungskompetenz, Intelligenz und Showgeschäft geworden, sagte Kornblum. Letzteres falle Clinton als seriöser und engagierter Persönlichkeit schwer:
"Das ist teilweise ein Problem für sie. Aber dieses Mal wird es vielleicht im Endeffekt gar kein großes Problem, weil Trump sowieso nur Show ist, sozusagen. Und die Bevölkerung sucht nach Antworten. Wenn sie ihre Botschaft sehr gut definiert und pointiert anbringt, wird sogar ihre Langweiligkeit zum Vorteil werden."
Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Wer wird Barack Obama folgen? Das werden die Amerikaner im November entscheiden. Diese Woche hat die Klarheit gebracht, wen sie dabei zur Auswahl haben: Den Geschäftsmann und Immobilienmilliardär Donald Trump oder eben Hillary Clinton, die das Weiße Haus als Gattin ja bekanntermaßen schon kennt und auch sonst kein Neuling ist im politischen Geschäft als frühere Senatorin und Außenministerin. Amerika, wie geht es dir mit dieser Konstellation? Fragen wir eine vertraute Stimme, wenn es darum geht, uns amerikanische Befindlichkeiten zu erklären, John Kornblum, den ehemaligen amerikanischen Botschafter in Berlin. Herr Kornblum, guten Morgen!
John Kornblum: Guten Morgen!
Frenzel: Langweiliges, aber verlässliches Establishment gegen schillernden, unberechenbaren Populismus – ist das ist Alternative, vor der Amerika steht?
Kornblum: Das ist zumindest die öffentliche Darstellung, und der Eindruck ist natürlich da, wenn man in die Presse oder Fernsehen schaut. Aber ich glaube, die Wahl ist noch komplizierter, und ich glaube, dass der Wahlkampf zeigen wird, was wirklich hier zur Diskussion steht.
Ein Tsunami an wirtschaftlichen Problemen
Frenzel: Was steht denn wirklich zur Diskussion?
Kornblum: Zur Diskussion steht, wie die Vereinigten Staaten auf die großen Herausforderungen, aber auch auf die Probleme der Globalisierung, der Digitalisierung (reagieren). Trump speist – die Unterstützung für Trump - speist sich aus einer tiefen Unzufriedenheit in der Bevölkerung, Unzufriedenheit mit der Wirtschaft, aber auch mit der Politik, die, wie man meint, diesen Tsunami von wirtschaftlichen Änderungen nicht unter Kontrolle gebracht hat.
Frenzel: Bleiben wir mal kurz bei diesem Donald Trump, mit diesem Hintergrund, der ihn da antreibt, der ihn beflügelt – würde denn das politische System der USA eine Präsidentschaft Donald Trumps überleben?
Kornblum: Oh ja, natürlich. Das ist – wenn man die amerikanische Geschichte anschaut, haben wir sehr viele schillernde Figuren als Kandidaten oder als Präsident gehabt. Das politische System würde es natürlich überleben. Vor fast genau 30 Jahren hat man genau dasselbe über Ronald Reagan gesagt, und wir haben es sehr gut überlebt. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, welches sind die Antworten und was für eine Richtung würde das Land einnehmen, wenn er tatsächlich Präsident werden würde.
Frenzel: Und das wäre die falsche?
Kornblum: Für mich wäre es die falsche, und für die überwiegende Mehrheit der normalen Beobachter ist es die falsche (Richtung). Aber wie gesagt, diese Wahl zeigt - wie wahrscheinlich keine andere in letzter Zeit -, dass der Unterschied zwischen, wollen wir sagen, Elitenmeinung und der Volksstimme teilweise sehr groß ist.
Frenzel: Was glauben Sie denn, wer sich da durchsetzen wird am Ende? Elitenmeinung oder Volksstimme? Also ich übersetze mal: Clinton oder Trump?
Clintons Problem: Geringe Sympathiewerte
Kornblum: Clinton hat die meisten Vorteile. Die Wahl ist, wie man in Amerika sagt: "Es ist ihre Wahl zu verlieren." Und sie hat leider in verschiedenen Wahlkämpfe, an denen sie teilgenommen hat, auch Fehler gemacht, die sie geschwächt haben. Und wenn sie sozusagen ihre Botschaft klar stellt und keine große Fehler macht, sollte sie ohne Schwierigkeiten gewinnen.
Frenzel: Hillary Clinton hat ja seit Jahren ein Riesenproblem. Sie hat ganz geringe Sympathiewerte. Sie wird ganz offenbar geschätzt, aber sie wird nicht geliebt. Wie erklären Sie sich das?
Kornblum: Das ist schwer zu erklären. Es ist, glaube ich, dass Politik nicht nur in Amerika, sondern in allen Ländern eine Mischung aus Regierung, Kompetenz, Intelligenz, aber auch, wenn Sie wollen, Showgeschäft. Und sie ist eine so seriöse und auch engagierte Person, dass für sie das Showgeschäft – es gibt viele, viele Zitate von ihr, wo sie sagt, nein, ich kann das nicht, ich kann einfach nicht da stehen wie ein Unterhaltungsmensch und reden. Und das ist teilweise ein Problem für sie.
Aber dieses Mal wird es vielleicht im Endeffekt gar kein großes Problem, weil Trump sowieso nur Show ist sozusagen. Und die Bevölkerung sucht im Endeffekt nach Antworten. Deshalb meinte ich eben gerade, wenn sie ihre Botschaft sehr gut definiert und pointiert anbringt, wird sogar ihre Langweiligkeit zum Vorteil werden.
Warum will Clinton Präsidentin werden?
Frenzel: Wissen Sie denn, erkennen Sie denn, warum Hillary Clinton Präsidentin werden will? Bei Bernie Sanders ist es ganz offensichtlich, der hat eine klare Agenda. Aber was ist das bei Clinton? Ist das am Ende nur das Ego?
Kornblum: Ihre Frage ist interessant, weil es wieder diesen Mangel an Empathie zeigt, die sie hat. Die Wahrheit ist genau das Gegenteil. Frau Clinton, lange bevor sie mit Bill Clinton verheiratet war, war immer eine Aktivistin. Sie hat als sehr junger Mensch als Anwalt für Frauenrechte gekämpft zum Beispiel. Sie hat für die Rechte der Minoritäten, vor allem der Mexikaner in Kalifornien gekämpft. In ihrer ganzen Laufbahn hat sie sich immer eingesetzt für die Schwachen und für Sachen, die der allgemeinen Bevölkerung helfen.
Aber irgendwie kann sie dieses Engagement nicht transportieren. Und stattdessen, wie Ihre Frage auch zeigte, glaubt man, dass sie auch keine Inhalte und keine Ziele hat. Und es ist genau das Gegenteil eigentlich.
Barack Obama: Erwartungen und Enttäuschungen
Frenzel: Malen wir doch mal ein positives Bild. Wir haben ja die Erfahrung gemacht mit Barack Obama, der sie vor acht Jahren geschlagen hat im Vorwahlkampf, wo sie ja schon ganz nahe dran war an dieser Nominierung, den wir alle, gerade auch in Europa, geliebt haben, eine riesige Erwartung hatten und auch die eine oder andere Enttäuschung. Könnte es bei Hillary Clinton genau andersherum sein, eine geschätzte, nicht geliebte Präsidentin, die ins Weiße Haus kommt und die uns dann sehr überraschen wird?
Kornblum: Ja, ich glaube, die Möglichkeit besteht nicht nur, sondern ist vielleicht sehr groß. Barack Obama war natürlich nie so unerfolgreich, wie viele gerade in Europa meinten. Und am Ende seiner Amtszeit ist es sehr interessant: Sein Popularitätsgrad steigt ständig jetzt, vielleicht im Vergleich zu Trump.
Die erste weibliche Präsidentin?
Aber Ihre Analyse, meine ich, ist sehr richtig. Wenn man mit zu hohen Erwartungen anfängt, dann kann man fast nur enttäuscht werden. Mit Hillary wird man sagen, das ist eine sehr gut ausgewogene, erfahrene Kandidatin, wollen wir mal sehen, was sie tut. Und dann kommt es darauf an, was sie tun kann. Aber dazu darf man nicht unterschätzen – das ist ein bisschen verloren gegangen jetzt in dem Theater –, sie ist die erste weibliche Kandidatin und wenn, wird sie die erste weibliche Präsidentin der Vereinigten Staaten sein.
Nach Barack Obama, dem ersten afroamerikanischen Präsidenten, jetzt die erste weibliche Präsidentin. Das ist ein Zeichen, aber auch eine sehr, sehr wichtige auch politische Entwicklung für das Land.
Frenzel: Na, dann wäre es doch schön, wenn Amerika weiter Geschichte schreibt. John Kornblum, der ehemalige amerikanische Botschafter in Deutschland. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Kornblum: Ich bedanke mich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.