Präsidentenwahl in Österreich

Kampf um die Wiener Hofburg

Die Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten in Österreich, Norbert Hofer (rechts) und Alexander Van der Bellen, während des TV-Duells.
Die Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten in Österreich, Norbert Hofer (rechts) und Alexander Van der Bellen, während eines TV-Duells © picture alliance /EPA / Lisi Niesner
Peter Filzmaier im Gespräch mit Julius Stucke |
Norbert Hofer oder Alexander Van der Bellen? Wird ein Rechtspopulist oder ein Grüner neues Staatsoberhaupt Österreichs? Am Sonntag entscheidet sich, wer das Rennen gewinnt. Der Politologe Peter Filzmaier sieht den Zuspruch für Rechtspopulisten in "gigantischer Unzufriedenheit" mit der Regierung begründet.
Fast 6,4 Millionen Österreicher sind zur Wahl des österreichischen Bundespräsidenten am 22. Mai 2016 aufgerufen. In der Stichwahl treten der Kandidat der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Norbert Hofer, und der Kandidat der österreichischen Grünen, Alexander Van der Bellen, gegeneinander an.
Der österreichische Parteienforscher Peter Filzmaier sieht das Rennen um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten noch offen.
Trotz des deutlichen Sieges des Kandidaten der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl sei der Wahlerfolg Norbert Hofers in der Stichwahl nicht automatisch sicher, sagte Filzmaier im Deutschlandradio Kultur.

Entscheidend sind die bisherigen Nichtwählern

Die Hoffnung des Kandidaten der Grünen, Alexander Van der Bellen, ruhe auf den über zwei Millionen Wählern, die im ersten Wahlgang zu Hause geblieben seien. Auch habe die Drittplatzierte eine indirekte Wahlempfehlung zugunsten des Kandidaten der Grünen abgegeben. Mit dem Rücktritt von SPÖ-Chef und Bundeskanzler Werner Faymann habe FPÖ-Kandidat Hofer zudem "seinen Lieblingsfeind" im Wahlkampf verloren, auch das komme eher Van der Bellen zugute, sagte der Professor für Demokratiestudien und Politikforschung an der Universität Krems.
Filzmaier bezweifelte, dass FPÖ-Kandidat Hofer im Falle eines Wahlsieges alles so umsetzen werde, wie er angekündigt habe. Zwar seien die Kompetenzen des Bundespräsidenten nicht nur rein repräsentativ, aber bis auf wenige Ausnahmen sei dieser aber auf die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung angewiesen. "Hofer wird nach der Wahl viel leiser sein, " sagte der Politikexperte.

Konsequenzen bei der nächsten Regierungsbildung

Im Fall eines Wahlsieges des FPÖ-Kandidaten Hofer seien Konsequenzen weniger in der konkreten Tagespolitik als langfristig bei der nächsten Regierungsbildung zu erwarten. Dabei habe der Bundespräsident auch Eingriffsmöglichkeiten: "Da hat der Bundespräsident doch mehr Kompetenzen und ist völlig frei, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt." National wie international werde ein Sieg Hofers allerdings zu starken Kontroversen führen.

"Kein Rechtsruck" in Österreich

Die Motive der FPÖ-Wähler seien nur schwach ideologisch begründet, "es geht also nicht um einen Rechtsruck in Österreich", erklärte Filzmaier weiter. Gründe für den Aufschwung des Rechtspopulismus in Österreich sieht er vielmehr in der Unzufriedenheit mit der Politik der Großen Koalition aus SPÖ und ÖVP: "Die Regierungsunzufriedenheit ist gigantisch." Darüber hinaus herrsche bei 80 Prozent eine durch Ärger und Enttäuschung gekennzeichnete Politikverdrossenheit. Damit habe Österreich, unabhängig von der Wahl am Sonntag "ein demokratiepolitisches Problem." Dies gelte auch für die extreme Konfrontation der politischen Positionen in der Bevölkerung.

Im ersten Wahlgang der österreichischen Bundespräsidentenwahl hatte FPÖ-Kandidat Norbert Hofer 35,1 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können. Alexander Van der Bellen, Kandidat der Grünen, kam als Zweitplatzierter auf 21,3 Prozent. Die Kandidaten der Großen Koalition aus SPÖ und ÖVP kamen beide jeweils nur auf rund elf Prozent. Der Bundespräsident in Österreich hat seinen Amtssitz in der Wiener Hofburg und hat ähnlich wie in Deutschland traditionell eine vorwiegend repräsentative Funktion, doch ernennt er den Bundeskanzler und kann in bestimmten Fällen das Parlament auflösen und ist auch Oberbefehlshaber des Bundesheeres. Befugnisse, von denen die bisherigen Bundespräsidenten keinen Gebrauch machten.


Das Interview im Wortlaut:
Julius Stucke: Mit den Rechtspopulisten ist weder eine Debatte, noch ein Dialog möglich – sagt Jean-Claude Juncker. Klare Worte vor der Bundespräsidentenwahl in Österreich. Es könnte aber sein, dass Juncker, ob er mag oder nicht, nach dem morgigen Wahltag mit den Rechtspopulisten in den Dialog treten muss. Denn deren Kandidat Norbert Hofer von der FPÖ hat die Chance, gegen den Grünen Van der Bellen zu gewinnen und Bundespräsident zu werden. Ausgemacht ist damit schon mal: Es machen nicht die beiden Volksparteien SPÖ und ÖVP unter sich aus wie bislang, sondern, ja, ein Grüner oder ein Rechtspopulist. Und so schauen diesmal auch viel mehr Menschen jenseits von Österreich auf die Wahl eines Präsidenten, der eigentlich auch nur repräsentative Aufgaben hat. Wir tun das jetzt mit dem Politikwissenschaftler Professor Peter Filzmaier in Wien, schönen guten Morgen!
Peter Filzmaier: Guten Morgen!
Stucke: Herr Filzmaier, Norbert Hofer hat bei der vorausgegangenen Wahl rund 35 Prozent der Stimmen bekommen, der grüne Gegenkandidat weniger, gut 20 Prozent. Kann man also davon ausgehen, dass Hofer gewinnt?
Filzmaier: Nein, das kann man nicht. Selbstverständlich haben Sie recht, dass Hofer mit über 14 Prozentpunkten Vorsprung viel weniger im zweiten Wahlgang dazugewinnen muss, um 50 Prozent plus eine Stimme nun zu erhalten. Allerdings hat die drittplatzierte parteiunabhängige Kandidatin Irmgard Griss vor wenigen Tagen nun zwar keine formelle Wahlempfehlung abgegeben, aber öffentlich gesagt, sie hat mittels Briefwahl bereits Van der Bellen gewählt. Und es gab als größte Gruppe im ersten Wahlgang über zwei Millionen Wähler, die nicht hingegangen sind. Die wurden jetzt nochmals von beiden Kandidaten angesprochen und sie sind naturgemäß die Hoffnungsgruppe für Van der Bellen.
Stucke: Also bleibt es spannend. Hat denn der Rücktritt von Bundeskanzler Werner Faymann von der SPÖ kurz vor der Wahl noch eine Rolle für diese Wahl gespielt, und dann ja auch ein neuer Bundeskanzler, Kern?

"Faymann war der Lieblingsfeind Hofers"

Filzmaier: Ich würde es umgekehrt formulieren: Werner Faymann als Ex-Bundeskanzler war der Lieblingsfeind in der Kampagne von Norbert Hofer. Hätte er seinen politischen Überlebenskampf auf sozusagen der roten sozialdemokratischen Blutwiese knapp überlebt und wäre trotz Unpopularität bei den gemäßigten Wählern im Amt geblieben, dann wäre das für Van der Bellen schlechter gewesen. Denn Faymann war für ihn, aber eben, wie gesagt, sehr unpopulär. Ob nun der neue Kanzler ein Prowahlmotiv für Van der Bellen ist, das kann man nicht behaupten, aber es ist zumindest die bessere Variante, denn Hofer hat ja eben seinen Lieblingsfeind verloren in der Kampagne.
Stucke: Womit rechnen Sie? Es schauen ja nun viele relativ sorgenvoll auf diese Möglichkeit, dass Norbert Hofer es gewinnen könnte. Wie würde sich Ihrer Ansicht nach Österreich damit verändern? Oder vielleicht gar nicht, weil er eh nur repräsentative Aufgaben hat?

"Hofer wird nach der Wahl viel leiser sein als im Wahlkampf"

Filzmaier: Man muss hier sehr unterscheiden zwischen den Emotionen und dem, was formal passieren könnte oder überhaupt verfassungsrechtlich möglich ist. Die Emotionen werden national wie international im Fall eines Sieges Hofers natürlich viel höher sein; umgekehrt sind die Kompetenzen des Bundespräsidenten zwar nicht nur repräsentativ – da würde ich nicht zustimmen –, aber mit wenigen Ausnahmen, nur in Zusammenhalt mit der Bundesregierung, also auf deren Vorschläge angewiesen, vorhanden. Hofer wird also nach der Wahl viel leiser sein als im Wahlkampf. Hier hat er ja zu jedem politischen Thema, auch beispielsweise zur Höhe von Wohnungsmieten eine Äußerung abgegeben, aber so konkrete Tagespolitikfälle, wie viel Miete zahle ich, damit hat der Bundespräsident nun wirklich gar nichts zu tun. Die Auswirkungen sind eher langfristig, nämlich bei der nächsten Regierungsbildung, nach Nationalratswahlen, da hat der Bundespräsident doch mehr Kompetenzen und ist völlig frei, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt.
Stucke: Nun werden ähnlich wie ja in Deutschland auch die Volksparteien, wird die Große Koalition als ein Teil des Problems gesehen, viele Wähler fühlen sich von der Politik ausgegrenzt, es geht, wie es gerade häufig genannt wird, gegen die Etablierten. Ist das alles also in Österreich auch eine Momentaufnahme, geht es um einen Denkzettel im Moment? Oder haben Sie eben doch das Gefühl – das ist die andere Interpretation –, dass das Land nach rechts rückt oder beziehungsweise dass die FPÖ in der Mitte angekommen ist?

"Die Regierungsunzufriedenheit ist gigantisch"

Filzmaier: Ideologische Wahlmotive sind vergleichsweise schwach ausgeprägt. Es geht also nicht um einen Rechtsruck in Österreich. Die Regierungsunzufriedenheit ist in der Tat gigantisch, aber auch über die Parteiebene – ob das gegen Sozialdemokraten und Christdemokraten gerichtet ist – hinaus. 80 Prozent, also vier Fünftel der österreichischen Wähler empfinden über Politik Ärger oder Enttäuschung, nur 20 Prozent haben die Empfindung der Zufriedenheit. Das ist selbstverständlich völlig unabhängig vom Wahlergebnis am Sonntag ein demokratiepolitisches Problem, wie übrigens auch die Polarisierung in der Wählerschaft. Wir werden auch, egal wer vorne ist, auf jeden Fall ein Ergebnis haben, wo nach Alter, nach Geschlecht, nach formalem Bildungsgrad oder auch nach Einkommen und Beruf extrem unterschiedlich und mit Konfrontationsstellung von Bevölkerungsgruppen zueinander gewählt wird.
Stucke: Österreich vor der Wahl eines neuen Bundespräsidenten, dazu der Politologe Peter Filzmaier. Danke Ihnen sehr für das Gespräch, Herr Filzmaier!
Filzmaier: Bitte, gerne!
Stucke: Schönen Tag noch, tschüs!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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