Frankreich vor "historischer" Entscheidung
Die Kandidaten der Sozialisten und der Konservativen sind aus dem Rennen. Stattdessen gehen der sozialliberale, aber parteilose Emmanuel Macron und die nationalistische Marine Le Pen in die Stichwahl und das Amt des mächtigen französischen Staatspräsidenten. Bereits das ist für viele "historisch".
Von einer "historischen Wahl" war am Sonntagabend viel die Rede, erreichte doch keine der beiden großen Traditionsparteien die Stichwahl. Von einer "historischen Niederlage" sprach der sozialistische Kandidat Benoit Hamon:
"Diese Niederlage ist eine schwere Wunde, ich empfinde sie als eine historische Strafe – und als eine berechtigte. Dass die Linke innerhalb von 15 Jahren zum zweiten Mal von den Rechtsextremen schon in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen besiegt wurde, bedeutet für unser Land auch eine moralische Niederlage, insbesondere für die Linke."
Die Linke sei nicht gestorben, sagte Hamon, die Partei müsse sich erneuern. Für die Stichwahl am 7. Mai empfahl Hamon seinen Anhängern, für Emmanuel Macron zu stimmen. Das tat auch Francois Fillon. Für die Niederlage sei nur er verantwortlich, räumte er ein, niemand sonst.
In Bezug auf die Affäre rund um den Vorwurf der Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau Allerdings deutete er allerdings an, gegen diejenigen vorgehen zu wollen, die seiner Meinung nach diese Vorwürfe lanciert hätten. Erst vor kurzem hatte Fillon den amtierenden Präsidenten Hollande beschuldigt, eine Kampagne gegen ihn angezettelt zu haben. Am Wahlabend sagte Fillon:
"Trotz all meiner Anstrengungen, trotz meiner Entschlossenheit konnte ich Sie nicht überzeugen. Man hat mir zu viele und zu grausame Hindernisse in den Weg gelegt. Der Tag wird kommen, an dem die Wahrheit über diese Wahl geschrieben werden wird."
Macron: "Den Optimismus in den zweiten Wahlgang tragen"
Emmanuel Macron und Marine Le Pen in der Stichwahl – gegensätzlichere Kandidaten sind kaum vorstellbar.
"Ab heute Abend werde ich damit anfangen, die Franzosen zusammenzubringen. Ich werde den Optimismus, der uns bis hierhergebracht hat, in den zweiten Wahlgang tragen - und die Hoffnung, die uns verbindet: für unser Land, für Europa!"
Der europafreundliche, sozialliberale Emmanuel Macron und die nationalistische Marine Le Pen, die Frankreichs Grenzen schließen und das Land aus der EU führen möchte.
"Die erste Etappe des Wegs, der die Franzosen in den Elysee-Palast führen wird, liegt hinter uns. Es ist ein historisches Ergebnis. Es wird keinem Franzosen entgangen sein, dass das System mit allen Mitteln versucht hat, die große Grundsatzdebatte totzuschweigen, die diese Wahl hätte sein sollen. Diese große Debatte wird nun endlich stattfinden."
Schon am Wahlabend deutete sich diese "große Debatte" an: Macron stehe für eine "vollständige Deregulierung, ohne Grenzen und ohne Schutz", sagte Marine Le Pen, doch Emmanuel Macron konterte sogleich: Er sei der wahre "Präsident der Patrioten" und würde sich mit ihnen der "Bedrohung durch Nationalisten" entgegenstellen.
Französische Kommentatoren gehen davon aus, dass Macron gute Chancen hat, die Stichwahl zu gewinnen. Mit 39 Jahren wäre er der jüngste Präsident, den Frankreich je hatte.