"Man traut Klaus Johannis vieles zu"
Ein Siebenbürger Sachse könnte Rumäniens neuer Präsident werden: Der deutschstämmige Klaus Johannis punkte bei den Wählern mit seinem Erfolg als Bürgermeister, aber auch durch den guten Ruf der Deutschen, meint der Politologe und Rumänien-Kenner Sven-Joachim Irmer.
Christopher Ricke: Bis in Deutschland ein Angehöriger einer ethnischen Minderheit Präsident wird, das dürfte noch ein ziemlich weiter Weg sein, und in Rumänien könnte dieser Weg möglicherweise an diesem Wochenende gegangen werden. Klaus Johannis gehört da zu den Präsidentschaftskandidaten, der Bürgermeister von Hermannstadt. Er gehört der deutschstämmigen Minderheit an, es ist ein Siebenbürger Sachse, dann ist er auch noch evangelisch und nicht rumänisch-orthodox, spricht eigentlich viel gegen ihn, aber trotzdem hat der Mann Chancen. Er ist natürlich Rumäne, er wurde im Wahlkampf aber immer wieder als der Deutsche bezeichnet. Ich spreche jetzt mit Sven-Joachim Irmer, der ist für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Rumänien – guten Morgen nach Bukarest!
Sven-Joachim Irmer: Guten Morgen nach Berlin, guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Ein Vertreter einer wirklich verschwindend kleinen Minderheit als einer der Favoriten, was macht denn diesen Mann so besonders?
Irmer: Ich glaube, besonders macht ihn einfach sein Erfolg, den er lokal hatte, und zwar in Hermannstadt, auf Rumänisch Sibiu. Er hat den Menschen gezeigt, dass er eine Stadt umbauen kann, dass er Vollbeschäftigung leisten kann – das ist so einmalig, und er gilt damit in Rumänien als sozusagen Vorbild für die kommunale Entwicklung, und deshalb traut man ihm auch vieles zu.
Ricke: Er hatte natürlich damals große Hilfe, denn Hermannstadt war europäische Kulturhauptstadt, da flossen europäische Gelder. Kann man denn so was wirklich auf ein ganzes Land übertragen?
Irmer: Das bleibt abzuwarten, aber für die Rumänen war wichtig, dass er überhaupt die Idee hatte, diese Kulturhauptstadt 2007, da nachzufragen und das umzusetzen und erfolgreich umzusetzen. Wenn Sie sich anschauen, dass nur 32 Prozent EU-Fonds abgefragt werden in Rumänien, sieht man, dass jemand wie Klaus Johannis mit dem Geld, was er hat, etwas Großartiges machen kann. Und die Menschen hoffen darauf, dass er eben weiter gute Ideen für dieses Land hat – so wie er es in Hermannstadt gemacht hat.
In erster Linie rumänischer Staatsbürger
Ricke: Dieses Machen steht ja auch im Mittelpunkt seines Wahlkampfs. Ich glaube, der Slogan heißt, wenn ich es richtig übersetze, "Ein Rumänien der gut gemachten Dinge". Da klingt ja fast schon so ein bisschen Made in Germany mit. Kokettiert er da mit seiner Herkunft?
Irmer: Ich glaube nicht, dass er damit kokettiert. Er ist sich sehr bewusst, dass er in erster Linie rumänischer Staatsbürger, aus einer gut integrierten Minderheit kommt, die ein hohes Ansehen über alle anderen ethnischen Minderheiten auch hinweg oder untereinander verbindet. Er geht nicht damit kokettieren, er geht damit offen um, warum soll er es auch verheimlichen. Aber die Menschen schreiben ihm das eben zu, und die guten Sachen, die er gemacht hat in Hermannstadt, die sprechen eben für sich. Und was Sie gesagt haben, Made in Germany, das hat in Rumänien immer noch einen sehr, sehr hohen Stellenwert.
Ricke: Sie haben die Minderheiten in Rumänien angesprochen, da gibt es ja mehrere: Einmal die Siebenbürger Sachsen, es gibt auch noch die Donauschwaben, es gibt die ungarische Minderheit, es gibt die relativ große Gruppe der Roma, und von den Ungarn und den Roma wissen wir ja, dass die nicht immer so sehr gut behandelt werden. Könnte denn ein neuer Präsident Johannis auch Start für eine neue Minderheitenpolitik geben?
Irmer: Also die Minderheitenpolitik, das muss man mal vorausschicken, ist in Rumänien tatsächlich vorbildlich. Jede Minderheit wird anerkannt, und Minderheit hat einen garantierten Sitz im Parlament. Das ist vielleicht etwas, wo wir Deutschen noch viel von Rumänien lernen können. Und die deutsche Minderheit gehört vielleicht zu den bekanntesten, natürlich auch aus deutscher Sicht. Die Minderheiten leben im Allgemeinen friedlich nebeneinander oder leben sogar miteinander in vielen Dörfern auch, also da gibt es nicht die Konflikte, die immer aufgemacht werden, da ist Rumänien tatsächlich wie gesagt auch Vorbild in Europa.
Ricke: Und was ist mit der sozialen Disparität, mit der großen Armut, wenn man zum Beispiel auf die Minderheit der Roma schaut?
Irmer: Ja, das ist natürlich ein Problem, was in den letzten Jahren nicht so richtig angepackt worden ist. Da gibt es viele kleinteilige Projekte, aber natürlich gibt es auch wohlhabende Roma, das muss man einfach auch mal dazusagen, und einige sind integriert. Sie haben auch eine Partei, die Ungarn haben sich gerade mit der neu gegründeten Roma-Partei zusammengeschlossen, also sehen auch da, dass es eine Weiterentwicklung gibt und man tatsächlich auch politisches Gehör hier haben möchte als Roma-Partei.
Ricke: Die Minderheitenpolitik in Rumänien ist für die Europäer ein Thema, und ein Präsident, der aus einer Minderheit kommt, könnte natürlich da auch auf europäischer Ebene vielleicht noch mal den Augenmerk ein wenig verändern. Was wäre denn von einem Rumänien zu erwarten, das zum Beispiel einen Siebenbürger Sachsen als Präsident hat?
Ein korruptionsfreier Präsidentschaftskandidat
Irmer: Ich glaube, noch mal, es geht darum, dass Klaus Johannis tatsächlich sich in erster Linie auch als Rumäne sieht, und vielleicht gibt es viele andere neue Denkansätze, die durch die Person von Klaus Johannis, weil er international sehr gut vernetzt ist, weil er natürlich eine Brücke auch nach Deutschland schlägt, aber auch zu vielen anderen Nationen, und weil er, wie gesagt, ... Geschick hat, zu sagen, wir packen die Dinge an, und man macht vielleicht auch korruptionsfrei. Und dafür steht auch Klaus Johannis, für einen korruptionsfreien Präsidentschaftskandidaten. Das können andere in diesem Wahlkampf nicht von sich behaupten.
Ricke: Die deutschstämmigen Minderheiten, also die Donauschwaben, die Siebenbürger Sachsen, die Zahl der Angehörigen hat sich ja in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten – seit dem Zusammenbruch des Ostblocks, seit dem Sturz Ceausescus – dramatisch verringert. Sehr viele sind ausgewandert, wenige sind geblieben. Was zeichnet die aus?
Irmer: Diese Menschen zeichnet aus meiner Sicht aus – und ich kenne nun ein paar von ihnen, - und es gibt noch eine Reihe von Veranstaltungen mit dem deutschen Forum in Hermannstadt –, dass sie einfach stark sind und an ihre Gemeinschaft glauben. Und sie sind ein paar wenige, sie pflegen das Kulturelle, sie sind aber auch attraktiv für deutsche Unternehmen, aber auch für andere Unternehmen aus anderen Ländern. Sie bleiben da, weil sie an ihr Land glauben, das ist für sie besonders wichtig.
Ricke: Was tut denn da die Konrad-Adenauer-Stiftung, gibt es da Sprachkurse, gibt es da Fördermittel, gibt es Austauschprogramme?
Im Wahlkampf spielt der Gegner auch die national-religiöse Karte aus
Irmer: Also es gibt natürlich Austauschprogramme, aber wir konzentrieren uns als Adenauer-Stiftung darauf, dass wir auch die Vergangenheit der deutschen Minderheit ausleuchten. Sie müssen sich vorstellen, dass Ceausescu einmal einen Satz gesagt hat: Er hat zwei besonders tolle Exportgüter, das seien Deutsche und das seien Juden. Und er natürlich seit den 60er-Jahren daran gewirkt, dass er die Juden sozusagen als Kauf an die Deutschen anbietet. Das ist eine Gräueltat, die bis heute in den rumänischen Geschichtsbüchern nur etwas Platz findet, etwas Raum findet. Und wir beschäftigen uns mit der Aufarbeitung, damit wir auch sagen, Deutsch ist ein Teil Rumäniens, und dass man auch sagt, so was darf eben nie wieder vorkommen. Und wenn Sie sich Anfeindungen anschauen, wie sie jetzt im Wahlkampf aufgetreten sind, dass Klaus Johannis aufgrund seiner deutschen Minderheit angriffen wird, dann ist das eben ein Problem, und dann müssen wir als Konrad-Adenauer-Stiftung uns mit unseren Partnern hier unterhalten, dass so was nicht mehr stattfindet.
Ricke: Was können Sie denn da tun, die Betroffenen unterstützen oder tatsächlich auch dazu beitragen, die Angreifer in ihre Schranken zu verweisen?
Irmer: Na ja, wir sind ja kein politischer Akteur, wir kommentieren, wir analysieren, wir bieten Bildungsmaßnahmen an, aber es geht natürlich schon darum, auch in der Öffentlichkeit drauf aufmerksam zu machen, dass bisher das friedliche Miteinander der Minderheiten in Rumänien etwas Beispielhaftes war, auch wenn es natürlich viele Probleme gibt. Aber dass natürlich gerade in politischen Kampagnen sich so etwas verbietet, jemanden anzugreifen, weil er eine andere Religion hat, weil er vielleicht verheiratet ist, nicht verheiratet ist oder aus einer Minderheit kommt, da müssen wir dann tatsächlich, und das ist auch unser Auftrag, dafür sorgen, dass so etwas nicht vorkommt und dass das auch in den Köpfen unserer Partner klar wird, dass wir so etwas nicht unbedingt als förderlich empfinden.
Ricke: Sven-Joachim Irmer, er ist für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Rumänien. Hier wird morgen ein neuer Präsident gewählt, und ein Siebenbürger Sachse hat tatsächlich Chancen. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Irmer: Danke, einen schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.