Die Kandidaten
Die Themen der Bücher, die auf der Shortlist für den Leipziger Buchpreis stehen, reichen von Siebenbürgen bis nach Afghanistan. Es geht um radikale Liebe oder die Abgründe der Politik oder die Geschichte eines kleinen Verlages.
Belletristik
Ursula Ackrills Roman "Zeiden, im Januar" gehört zu den Überraschungen in diesem Bücherfrühling. Zeiden ist ein Städtchen in Siebenbürgen. Unweit davon wurde die Autorin 1974 in einer Familie geboren, die zur Minderheit der Deutsch sprechenden Sachsen in Rumänien gehörte. Dort spielt nun auch ihr erster Roman, der einige Tage im Januar 1941 beleuchtet, als viele Siebenbürger vom nationalsozialistischen Taumel gepackt wurden.
Vögel sind nicht die erste Assoziation, die man zu Afghanistan hat. Vielleicht hat den in der Eifel lebende Schriftsteller Norbert Scheuer gerade dieser ungewöhnliche Zugang gereizt. Inspiriert zu seinem Roman "Die Sprache der Vögel" hatte ihn das Gespräch mit einem jungen Mann mit Schildkröte in einem Café. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein in Afghanistan eingesetzter Sanitäter der Bundeswehr. Schon sein Ururgroßvater hatte das Land auf der Suche nach der Universalsprache der Vögel bereist.
Unkraut, Mücke, Gartenzaun: Der Lyriker Jan Wagner wendet sich einmal mehr der Welt der kleinen Dinge zu. Die schönsten Zeilen in seinem neuen "Regentonnenvariationen" widmet er drei sizilianischen Eseln. Das erst Mal ist in dieser Kategorie ein Gedichtband nominiert.
"Das Lächeln der Alligatoren"
(Audio) von Michael Wildenhain ist ein Roman über radikale Liebe und die Abgründe des Politischen.
Außerdem ist die in Wien lebende Schriftstellerin Teresa Präauer mit ihrem zweiten Roman "Johnny und Jean" in der Kategorie Belletristik nominiert. Darin erzählt sie die Geschichte von zwei jungen Männern, die das Leben zur Kunst und die Kunst zum Leben machen wollen.
Sachbuch
Wie kann man die geistige Physiognomie, das mentale Gerüst einer ganzen Generation anhand der Geschichte eines Verlages erzählen? Der Berliner Historiker Philipp Felsch gelingt das brillant anhand des kleinen Berliner Merve Verlages in seinem Buch
"Der lange Sommer der Theorie – Geschichte einer Revolte – 1960 bis 1990"
(Audio).
Das Reden ist nicht ganz aus der Mode gekommen, findet der Kölner Germanist Karl-Heinz Göttert. Auftritte von US-Präsident Barack Obama in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf haben ihn inspiriert, mit "Mythos Redemacht" eine Geschichte der Rhetorik zu schreiben.
Mit "Kafka. Die frühen Jahre" hat Reiner Stach eine umfassende biografische Studie über den österreichischen Schriftsteller vorgelegt. 18 Jahre hat er an dem Mammutwerk gearbeitet, das Lebensroman, Werkbeschreibung und Mentalitätsgeschichte zugleich ist.
Als 1989 die Mauer fiel, begann eine ökonomische Neuordnung Europas. Philipp Ther analysiert in "Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent" die bis heute andauernden Veränderungen - von der neoliberalen Schocktherapie in Polen bis zu Angela Merkels Plädoyer für eine marktkonforme Demokratie.
In "Der Souveränitätseffekt" denkt der Berliner Kulturwissenschaftler Philipp Vogl (
Interview als Audio
) über das Verhältnis von Finanzmacht und Politik und das Konzept des Liberalismus nach.
Übersetzung
Für seine Erinnerungskunst ist der Franzose Patrick Modiano mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. In "Gräser der Nacht" schaut er zurück und erzählt eine Geschichte um die Entführung und Ermordung des marokkanischen Exilpolitikers Ben Barka im Herbst 1965. Elisabeth Edl steht mit ihrer Übersetzung aus dem Französischen auf der Shortlist für den Leipziger Buchpreis.
Moshe Kahn ist einer der bedeutendsten Übersetzer aus dem Italienischen. Mit "Horcynus Orca" des sizilianischen Autors Stefano d'Arrigo hat er nun sein Opus Magnum vorgelegt.
Außerdem nominiert sind Klaus Binder mit seiner Übersetzung aus dem Lateinischen von "Lukrez: Über die Natur der Dinge", Mirjam Pressler für ihre Übersetzung von "Amos Oz: Judas" aus dem Hebräischen und Thomas Steinfeld: Für seine Übersetzung von "Selma Lagerlöf: Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden" aus dem Schwedischen.