Drei Frauen, drei Preise
Natascha Wodin hat mit "Sie kam aus Mariupol" den Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen. Barbara Stollberg-Rilinger erhielt die Auszeichnung als beste Sachbuchautorin für "Maria Theresia". Die Kategorie Übersetzung ging an Eva Lüdi Kong.
Der Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse geht an Natascha Wodin. Sie erhält die Auszeichnung für ihren Roman "Sie kam aus Mariupol". Die Schriftstellerin erzählt darin eine Geschichte an der Grenze von Fiktion und Nicht-Fiktion: Natascha Wodin forscht nach ihrer Mutter, die im Zweiten Weltkrieg aus der Ukraine nach Deutschland deportiert wurde.
Diese literarische Biografie, die an die Geschichte der Zwangsarbeiter erinnert, ist gleichzeitig eine persönliche Spurensuche, die dem Verlorenen eine Sprache gibt, würdigte die Jury die Leistung der Autorin.
Lange mit der eigenen Herkunft gehadert
"Um mich in den Augen der deutschen Kinder aufzuwerten, hatte ich ihnen erzählt, meine Eltern, für die ich mich so schämte, seien gar nicht meine wirklichen Eltern...", schreibt Wodin. Lange haderte die Schriftstellerin, die 1945 in Bayern als Kind heimatloser Ausländer zur Welt kam, mit der eigenen Herkunft.
"Ich bin sehr glücklich mit diesem Preis", sagte Natascha Wodin in ihrer Dankesrede: "Weil ich glaube, dass er einem Buch gut dazu verhelfen kann, unter die Leser zu kommen. Und ich wünsche mir, dass möglichst viele von den Ausmaßen der Zwangsarbeit im Deutschen Reich erfahren. Von dem Schicksal der Millionen in der Kriegsindustrie zerschlissenen Arbeiter, die auch danach in der Regel kein Leben mehr gefunden haben. Meine Mutter war eine von ihnen, und sie hat gerade hier in Leipzig bei einem Rüstungsbetrieb des Flick-Konzerns gearbeitet. Sie würde sich wundern, wahrscheinlich sehr wundern, wenn sie hier auf der Messe ihr Konterfei sehen würde."
Barbara Stollberg-Rilinger beste Sachbuchautorin
Barbara Stollberg-Rilinger erhielt die Auszeichnung als beste Sachbuchautorin für "Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit". Die Biografie spiegelt eine ganze Epoche wider: Als Regentin spielte Maria Theresia weibliche und männliche Rollen, die Welt der Symbole und der Tagespolitik beherrschte sie virtuos.
Auf neue und ungewöhnliche Weise erzählt die Historikerin das Leben einer der mächtigsten Frauen der Geschichte: Ein "Meisterinnenwerk", so fasste es Jury-Mitglied Alexander Cammann in seiner Laudatio zusammen.
"Ich finde es erstaunlich, dass man sich für das 18. Jahrhundert wieder interessiert, das ja scheinbar ganz weit weg ist", freute sich Barbara Stollberg-Rilinger bei der Presiverleihung: "Aber ich glaube, es gibt eine ganze Menge guter Gründe, sich mit diesem Jahrhundert und mit dieser Person Maria Theresia zu befassen. Denn auch in diesem Buch geht es um so was wie die Schließung der Balkangrenze oder um religiöse Intoleranz und eine ganze Menge Aktualitätsbezüge, wenn man genau hinguckt."
Übersetzungspreis für Eva Lüdi Kong
Eva Lüdi Kong ist die Gewinnerin in der Kategorie Übersetzung. Sie hat "Die Reise in den Westen" aus dem Chinesischen ins Deutsche übertragen. Es ist eines der großen Werke der chinesischen Literatur, dessen Autor allerdings nicht bekannt ist: Die Geschichte vom Affenkönig, der sich zu einer abenteuerlichen Fahrt aufmacht, um die Schriften Buddhas zu holen.
Der riesige Roman aus dem 16. Jahrhundert mit seiner Fülle an Figuren und Weisheitslehren ist, dank der Übersetzung von Eva Lüdi-Kong, jetzt auch für deutsche Leser zugänglich: Das sei ein großes Geschenk, begründete die Jury ihre Entscheidung.
"Ich freue mich, dass dieses Buch, das ich für unheimlich wertvoll halte, diesen Anklang findet und gelesen und geschätzt wird", sagte Eva Lüdi Kong nach der Preisverkündung: "Es gibt ein Zitat eines Kommentators, eines Daoisten aus dem 18. Jahrhundert, der hatte eine sehr hohe Meinung von diesem Buch und der sagte: "Wo immer dieses Buch sich befindet, es wachen die Götter des Himmels darüber.' Und in diesem Sinne finde ich es ganz schön, dass dieses Buch jetzt diesen Preis bekommen hat."
Der mit insgesamt 60.000 Euro dotierte Preis der Leipziger Buchmesse wird seit dem Jahr 2005 vergeben und ehrt herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen. Die siebenköpfige Jury setzt sich aus deutschen Journalisten und Literaturkritikern zusammen.
Alle Nominierten im Überblick
Kategorie Belletristik:
Brigitte Kronauer: "Der Scheik von Aachen", Klett-Cotta 2016
Anne Weber: "Kirio", S. Fischer 2017
Lukas Bärfuss: "Hagard", Wallstein 2017
Steffen Popp: "118 Gedichte", Kookbooks 2017
Natascha Wodin: "Sie kam aus Mariupol", Rowohlt 2017
Brigitte Kronauer: "Der Scheik von Aachen", Klett-Cotta 2016
Anne Weber: "Kirio", S. Fischer 2017
Lukas Bärfuss: "Hagard", Wallstein 2017
Steffen Popp: "118 Gedichte", Kookbooks 2017
Natascha Wodin: "Sie kam aus Mariupol", Rowohlt 2017
Kategorie Sachbuch:
Leonhard Horowski: "Das Europa der Könige: Macht und Spiel an den Höfen des 17. und 18. Jahrhunderts", Rowohlt 2017
Klaus Reichert: "Wolkendienst: Die Figuren des Flüchtigen", S.Fischer 2016
Jörg Später: "Siegfried Kracauer. Eine Biographie", Suhrkamp 2016
Barbara Stollberg-Rilinger: "Maria Theresia: Die Kaiserin in ihrer Zeit.", CH Beck 2017
Volker Weiß: "Die autoritäre Revolte: Die neue Rechte und der Untergang des Abendlandes", Klett-Cotta 2017
Leonhard Horowski: "Das Europa der Könige: Macht und Spiel an den Höfen des 17. und 18. Jahrhunderts", Rowohlt 2017
Klaus Reichert: "Wolkendienst: Die Figuren des Flüchtigen", S.Fischer 2016
Jörg Später: "Siegfried Kracauer. Eine Biographie", Suhrkamp 2016
Barbara Stollberg-Rilinger: "Maria Theresia: Die Kaiserin in ihrer Zeit.", CH Beck 2017
Volker Weiß: "Die autoritäre Revolte: Die neue Rechte und der Untergang des Abendlandes", Klett-Cotta 2017
Kategorie Übersetzung:
Holger Fock und Sabine Müller für ihre Übersetzung aus dem Französischen: Mathias Enard, "Kompass", Verlag Hanser Berlin
Gregor Hens für seine Übersetzung aus dem Englischen: Will Self, "Shark", Hoffmann und Campe Verlag
Eva Lüdi Kong für ihre Übersetzung aus dem Chinesischen: Ungewisser Verfasser, "Die Reise in den Westen", Reclam Verlag
Gabriele Leupold für ihre Übersetzung aus dem Russischen: Andrej Platonow, "Die Baugrube", Suhrkamp Verlag
Petra Strien für ihre Übersetzung aus dem Spanischen: Miguel de Cervantes, "Die Irrfahrten von Persiles und Sigismunda", Die Andere Bibliothek
Holger Fock und Sabine Müller für ihre Übersetzung aus dem Französischen: Mathias Enard, "Kompass", Verlag Hanser Berlin
Gregor Hens für seine Übersetzung aus dem Englischen: Will Self, "Shark", Hoffmann und Campe Verlag
Eva Lüdi Kong für ihre Übersetzung aus dem Chinesischen: Ungewisser Verfasser, "Die Reise in den Westen", Reclam Verlag
Gabriele Leupold für ihre Übersetzung aus dem Russischen: Andrej Platonow, "Die Baugrube", Suhrkamp Verlag
Petra Strien für ihre Übersetzung aus dem Spanischen: Miguel de Cervantes, "Die Irrfahrten von Persiles und Sigismunda", Die Andere Bibliothek
(hum/cre)