Preis der Leipziger Buchmesse
Dinçer Güçyeter ist der Preisträger der Leipziger Buchmesse 2023 in der Kategorie Belletristik für seinen Roman "Unser Deutschlandmärchen". © picture alliance / dpa / Jan Woitas
Das sind die Gewinner!
Die Jury hat entschieden: Dinçer Güçyeter erhält den Leipziger Buchpreis für seinen Roman "Unser Deutschlandmärchen". Außerdem werden Regina Scheer (Sachbuch) und Johanna Schwering (Übersetzung) ausgezeichnet.
Dinçer Güçyeter erhält für "Unser Deutschlandmärchen" den Leipziger Buchpreis für Belletristik. Außerdem ausgezeichnet werden Regina Scheer im Bereich Sachbuch/Essayistik für "Bittere Brunnen", eine Biografie über die Jüdin Hertha Gordon-Walcher, und Johanna Schwering für ihre Übersetzung von Aurora Venturinis Roman "Die Cousinen" aus dem argentinischen Spanischen.
Mit der Preisverleihung feiert die Leipziger Buchmesse nach coronabedingter Pause in diesem Jahr ihr Comeback.
Eine mitreißende Einwanderergeschichte
Der Theatermacher, Lyriker, Herausgeber und Verleger Dinçer Güçyeter erzählt eine Geschichte vom Aufwachsen zwischen zwei unerreichbaren Heimaten und vom Finden der eigenen Sprache, ein Zwiegespräch mit der Mutter und ein Film nur für die anderen.
Die Jury lobt diesen Roman als so "traditionell wie innovativ queer erzählt". Die "Einwanderergeschichte" reiße "mit ihrer Emotionalität und großen politischen Bedeutung von Anfang an mit. Der Roman blickt auf deutsche und europäische Verhältnisse, lässt die Worte zum Himmel fliegen, spart aber gleichzeitig die Demütigungen am Boden nicht aus.
Dinçer Güçyeter fängt Geschichten mit einem Netz ein, das feiner gewebt ist als ein Schmetterlingskescher, kann schmerzliche Momente in komische verwandeln und hat uns mit 'Unser Deutschlandmärchen' einen mehrstimmigen Roman geschenkt, dessen poetischer Chor noch weiterklingen wird."
Ein Jahrhundertleben
Deutsch-jüdische Geschichte ist Regina Scheers Spezialgebiet. Mit ihrer Biografie "Bittere Brunnen" erzählt sie das Leben der Jüdin Hertha Gordon-Walcher, deren Leben ein ganzes Jahrhundert umspannt. Ab den 1910er-Jahren unterstützte sie die Sozialisten in ihrem Kampf. Später war sie Sekretärin von Clara Zetkin, floh vor den Nazis ins Exil und erlebte die DDR bis zu ihrem Untergang 1990. Regina Scheers Buch fußt auf Gesprächen, die sie mit Hertha Gordon-Walcher im Lauf von zwanzig Jahren führte.
Mit dieser Biografie erzählt die Autorin auch "eine Chronik der sozialistischen und feministischen Bewegungen im 20. Jahrhundert", hebt die Jury in ihrer Begründung hervor. "'Bittere Brunnen' geht dabei weit über eine gewöhnliche Biografie hinaus: Meisterlich und transparent verwebt die Autorin historische Recherchen mit persönlichen Erinnerungen. Geholfen hat ihr dabei ihr meisterliches Gedächtnis, mit dem sie Stück für Stück eine Sammlung erstellte. Dieses erzählende Sachbuch steht für große Offenheit im Umgang mit Brüchen, Ungereimtheiten und Leerstellen unseres Wissens um Lebensläufe – und ist eine genaue Dokumentation politischer Zusammenhänge, deren Spuren die Gegenwart prägen."
Wenn Worte Atmosphären schaffen
Für Freunde spanischsprachiger Literatur und Lyrik ist Johanna Schwering keine Unbekannte: Ihre Übersetzung von Maricela Guerreros Gedichtband „Reibungen“ erhielt 2018 eine Lyrik-Empfehlung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Stiftung Lyrik Kabinett und des Hauses für Poesie. Aurora Venturini von Schwering aus dem argentinischen Spanisch ins Deutsche übertragener Roman erzählt von einer Flucht vor brutalen Familienverhältnissen in die Malerei. Venturini erzählt klug und exzentrisch von den Chancen, die Sprache und Kunst bieten können.
Schwering hat das Buch kongenial übersetzt, hält die Jury in ihrer Begründung fest. Dafur grub sie tief in den Schichten der deutschen Sprache und zaubere längst vergessen geglaubte Begriffe wieder ans Licht. "Ihre Worte schaffen Atmosphären und lassen uns den Geruch der Großstadt, das Ozon und die Orangenblüte aus den Buchseiten herausriechen. Schwerings Übersetzung nimmt die Unverschämtheiten des Originals mutig auf und folgt den eigentümlichen Grammatikregeln des Originals sowie seiner besonderen Härte und seinem sprühenden Witz. Ihr ist es mitzuverdanken, dass mit diesem fabelhaften Künstlerinnenroman erstmalig ein Buch der Argentinierin Aurora Venturini auf Deutsch vorliegt. Es mögen hoffentlich viele weitere, natürlich in der Übersetzung von Johanna Schwering, folgen."
Der Preis der Leipziger Buchmesse ist mit insgesamt 60.000 Euro dotiert und wird seit 2005 vergeben. Die Jury bestand aus Insa Wilke (Vorsitz), Maryam Aras, Moritz Baßler, Cornelia Geißler, Anne-Dore Krohn, Andreas Platthaus und Shirin Sojitrawalla.
Bereits am Vorabend der Messeneröffnung wurde die russische Lyrikerin Maria Stepanova mit dem Preis zur europäischen Verständigung ausgezeichnet. Diese Auszeichnung war bereits Ende 2022 bekannt gegeben worden.
Das Deutschlandradio begleitet die Leipziger Buchmesse mit zahlreichen Live-Sendungen vor Ort. Hier finden Sie alle Live- und Aufzeichnungstermine. Wir freuen uns auf Ihren Besuch am Messestand in der Glashalle, Stand 2.
(thg)