Paco Roca: Die Heimatlosen
Aus dem Spanischen von André Höchemer
Reprodukt Verlag, Berlin 2015
328 Seiten, 39,00 Euro
Die Wiederentdeckung eines Freiheitskämpfers
Paco Roca erzählt in seiner Graphic Novel "Die Heimatlosen" die Geschichte eines spanischen Kämpfers. Der Comicautor zeigt den Republikaner Miguel Ruiz mitten im Zweiten Weltkrieg - und als alten Mann, der auf diese Vergangenheit zurückschaut.
Paco Roca ist einer der interessantesten spanischen Comicautoren. Ein großer Erfolg war sein Buch "Kopf in den Wolken" über das Leben mit Altersdemenz. Für seine nächste Graphic Novel "Die Heimatlosen" wurde Roca beim Internationalen Comic-Festival in Rom mit dem Gran Premio Romics ausgezeichnet. Das Buch bezieht sich auf den spanischen Bürgerkrieg, der Roca schon früher beschäftigt hat, wie inzwischen auch viele andere spanische Comickünstler. Im Jahr 2004 hat Paco Roca sein Buch "El Faro" veröffentlicht, die Geschichte eines jungen Republikaners, der sich in einen abgelegenen Leuchtturm flüchtet und dort überlebt. "Die Heimatlosen" erzählt nun von spanischen Republikanern, die nach der Niederlage in ihrer Heimat gegen den deutschen Faschismus kämpfen.
Das Buch setzt 1939 ein, als viele Republikaner nach Francos Sieg aus Spanien flüchten müssen. Paco Rocas Protagonist Miguel Ruiz wartet am Hafen von Alicante mit tausenden republikanischen Kämpfern auf Schiffe, die sie vor den anrückenden Franco-Truppen in Sicherheit bringen sollen. Miguel Ruiz entkommt mit dem letzten Schiff, die nächsten Jahre verbringt er in französischen Arbeitslagern in Nordafrika, bevor er sich alliierten Truppen anschließen kann. Zusammen mit vielen anderen Spaniern gehört Ruiz nun zur Kompanie "La Nueve" in einer Division der Freien Französischen Streitkräfte. Zunächst kämpft Ruiz‘ Kompanie in Nordafrika, Anfang August 1944 landet seine Einheit in Nordfrankreich und kämpft sich von dort nach Paris vor. Am 24. August 1944 erreicht die spanische Kompanie das Rathaus der Stadt, als erste Einheit der Freien Französischen Streitkräfte. An die Rolle der spanischen Republikaner bei der Befreiung von Paris wird selbst in Frankreich selten erinnert.
Kein heroisches Bild
Miguel Ruiz ist eine fiktive Figur nach einem historischen Vorbild, dem spanischen Anarchisten Miguel Campos, der zur Nueve-Kompanie gehörte und im Dezember 1944 in der Nähe von Nancy verschwand. Paco Roca erzählt in seiner Graphic Novel auf zwei Ebenen von Miguel Ruiz, in Zeit des 2. Weltkriegs und 70 Jahre später. Ruiz lebt nun als alter Mann im französischen Exil, in der Gegend, in der Miguel Campos Ende 1944 zum letzten Mal gesehen wurde. Ein spanischer Zeichner namens Paco Roca besucht den alten, anfangs ausgesprochen grantigen Ruiz und versucht ihn zum Reden zu bringen. Zuerst will Miguel Ruiz nicht an die Vergangenheit erinnert werden, später aber wird er sich dafür bedanken, dass er diesen Teil seines Lebens für sich wiederentdeckt hat.
Roca setzt die beiden Ebenen seines Buches zeichnerisch stark voneinander ab. Die Vergangenheit zeigt er in farbigen, detaillierten Bildern, in einem stilisierten Realismus, die Gegenwart skizziert er in schlichteren und flüchtigen, einfarbigen Darstellungen. Rocas Alter Ego und der alte Kämpfer Ruiz arbeiten sich gemeinsam in die Erinnerung hinein, der Jüngere fragt nach, zitiert aus anderen Büchern, empört sich darüber, wie wenig in Frankreich und Spanien heute bekannt ist über diesen Teil der Weltkriegsgeschichte. Die beiden erzählerischen Ebenen der Graphic Novel bilden ein Geflecht der Erinnerung, mit einer Studie über die mühsame Annäherung eines alten Mannes an frühere Jahre und einer durchaus auch spannenden Kriegsgeschichte. Es ist kein heroisches Bild, das Paco Roca zeigt, er spart die Konkurrenz unter den spanischen Exilfraktionen nicht aus und genauso wenig die Verrohung auch dieser Männer. Aber sein Buch ist auch ein Denkmal für die spanischen Republikaner, die am Ende des Krieges von ihren Alliierten bitter enttäuscht werden. Als sie Spanien vom Franco-Regime befreien wollen, werden sie von niemandem unterstützt.