Zu viele Bestatter, zu wenige Tote
In Berlin tobt ein erbitterter Kampf um das Geschäft mit dem Tod. Für viele Rentner ist das Brandenburger Umland im Alter attraktiver. Dass immer mehr junge Leute aus aller Welt in die quirlige Hauptstadt ziehen, ist auch nicht förderlich fürs Geschäft der Bestatter.
Es ist ein Laden ohne Laufkundschaft mitten in Berlin-Neukölln. An der holzgetäfelten Wand hängen gerahmte Zertifikate der Berliner und Brandenburger Bestatter-Innung. Auf dem Tisch liegen, eng zusammengerollt, die Schleifen für die Beerdigungen am nächsten Tag. Rüdiger Kußerow trägt schwarzen Anzug, Berufskleidung für den Obermeister der Berliner und Brandenburger Bestatter-Innung. In diesen Tagen gehen ihm einige Zahlen durch den Kopf. In kaum einer anderen Stadt ist das Geschäft mit dem Tod so hart umkämpft wie in der Hauptstadt. Es gibt zu viele Bestatter für zu wenig Tote.
"Berlin ist jung geworden. Ich habe da zwei Zahlen im Kopf. 1989 hatten wir im Westteil jeden Monat 3300 Sterbefälle. Heute sind wir zusammen mit dem Ostteil bei 2700 Sterbefällen. Also, Berlin ist jung geworden, wir brauchen weniger Friedhofsfläche, wir brauchen theoretisch weniger Bestatter."
Die Krankenkasse gibt nichts mehr dazu
Doch die Zahl der Bestattungsunternehmen ist in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent gestiegen. 300 Unternehmen bieten auf einem umkämpften Markt Bestattungen an und unterbieten sich teilweise gegenseitig mit Dumpingpreisen.
"Früher hat die Krankenkasse 2100 DM dazu gegeben, das war der größte Teil der Beerdigung. Heute gibt es nichts mehr, die Kinder und Enkel sind vielleicht selbst Hartz IV Empfänger, die wollen was erben von Oma und sagen: Machen Sie, was Sie wollen, Hauptsache, ich bekomme noch was zurück."
Die anonyme Urnenbestattung etwa in Tschechien oder im Berliner Umland rangiert ganz unten auf der Angebotsliste. Kußerow ärgert sich über Dumpingpreise, sogenannte Billigbestatter und Bestattungen für weniger als 1000 Euro, die mit Tiefstpreisgarantie im Internet angeboten werden. Sein Konzept setzt auf persönliche Beratung und Stammkunden, die das mittelständische Bestattungsunternehmen seit drei Generationen hegt und pflegt.
"Die einfachste Urnenbeisetzung kostet bei uns 850 Euro zuzüglich Friedhofs- und Krematoriumsgebühren, da sind wir bei ungefähr 1500 Euro. Niedriger ist bei uns in Deutschland und in unserem Umkreis nichts zu machen. Bei uns jedenfalls nicht, die wir auch Wert auf Handwerk und Tradition legen."
Kundenpflege ist wichtiger denn je
Kußerow kennt die Angehörigen jedes einzelnen Sterbefalls, den er betreut, persönlich. Sargträger, Musik, der Blumenschmuck , die Trauerfeier, alles muss auf den Toten abgestimmt sein. Auch der Bestattungsunternehmer Günter Luhmann, der in Berlin mehrere Filialen betreibt, positioniert sich im Wettbewerb um die Sterbefälle mit persönlicher Beratung lange vor dem Tod:
"Wissen Sie, es ist nicht so, dass man heute gesund ist und morgen tot. In der Regel gibt es da noch eine dumme Zeit dazwischen und für die sollte man vorsorgen und dazu gehört ganz einfach Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht."
Viele, die in seiner Stammkundenkartei stehen, kennt er schon seit Jahren. Auch er weiß, dass Kundenpflege heute wichtiger ist denn je. Längst prägen nicht mehr Würde und Seriosität das Bestatterwesen, sondern Intrigen und Korruption. Luhmann prophezeit für das Geschäft mit dem Tod einen noch härteren Preiskampf:
"Es werden sicherlich einige auf der Strecke bleiben, weil ein Kuchen, der nicht größer wird und immer kleiner und wo immer mehr von satt werden wollen, wird am Ende nicht mehr ausreichen und da werden sich nur die durchsetzen, die wirklich solide Arbeit abliefern und preiswerte Werbung haben, nämlich die Mund-zu-Mund-Propaganda."