Zank um Zeitverträge
Die meisten Wissenschaftler können von einer festen Anstellung nur träumen. Zeitverträge oftmals von unter einem Jahr sind die Regel. Die Politik will das ändern – allein über die Frage der Zuständigkeiten herrscht Zwist.
Mit dem Doktortitel ins Prekariat – für die meisten jungen Wissenschaftler ist das in Deutschland der typische Karriereweg. 84 Prozent aller wissenschaftlichen Mitarbeiter hangeln sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag, die Hälfte von ihnen mit Laufzeiten von unter einem Jahr. Nun hat auch die Politik den Missstand erkannt.
Ursache des Übels: das Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Als Quell des Übels wurde das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ausgemacht, es ermöglicht den Hochschulen, Wissenschaftler bis zu zwölf Jahre, in bestimmten Fällen bis zu 15 Jahre lang befristet zu beschäftigen. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, CDU, sieht Reformbedarf für das Gesetz.
"Ich glaube schon, dass die Art und Weise wie Befristung geregelt wird, dass das verbesserungsbedürftig ist, und ich glaube auch, dass wir mehr Sicherheit für junge Leute … Das heißt, man fängt nicht an mit ner Promotion und weiß, man kriegt eine Professur, aber dass doch in einem früheren Lebensalter klar ist, was sind die Möglichkeiten."
Die Gesetzesänderung, betont Wanka, sei jedoch nur eine kleine Stellschraube. Letztlich könne nur die bessere finanzielle Ausstattung der Hochschulen Abhilfe schaffen – und dafür seien die Länder zuständig. Durch die alleinige Übernahme des Bafög durch den Bund ab dem 1. Januar, wiederholt die Bundesministerin seit Monaten unermüdlich, würden die Länder von nun an jedes Jahr um 1,2 Milliarden Euro entlastet – Geld, das in Dauerstellen investiert werden könne. Die Länder müssten es eben nur auch tun.
Wanka: "Das allererste Mal, dass wir dauerhaft Geld für Daueraufgaben in die Länder geben und damit für Dauerstellen. Man kann dadurch unbefristete Stellen für Mitarbeiter, man kann neue Professuren, man kann auch Schulsozialarbeiter oder Lehrer daraus finanzieren. Da bin ich, ich will nicht sagen, optimistisch, aber da erwarte ich, dass das auch entsprechend eingesetzt wird."
SPD will Bund-Länder-Programm zur Nachwuchsförderung
Bei der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes sieht Wanka den Bundestag am Zuge. Dort stimmen die Koalitionsfraktionen zwar überein, dass etwas passieren soll, noch vor Ostern wollen SPD und Union einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorlegen. Doch darin erschöpft sich auch schon die Einigkeit. Während die Union es für ausreichend hält, den gröbsten Missbrauch des Gesetzes – extrem kurzläufige Verträge von einem Jahr oder kürzer – zu unterbinden, will die SPD mehr. Ihr schwebt, über die Gesetzesänderung hinaus, ein Bund-Länder-Programm zur Nachwuchsförderung vor.
Hubertus Heil: "Da könnte man ansetzen, auch dauerhaft, zumindest für einen Zeitraum von zehn Jahren, durch so was wie einen vierten Pakt auch Bundesmittel zu mobilisieren, um an den Hochschulen voranzukommen",
fordert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Hubertus Heil. Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer, lehnt das ab, verweist, wie Bundesbildungsministerin Wanka, auf die Zuständigkeit der Länder. Die Union setzt auf Selbstverpflichtungen der Wissenschaftsorganisationen und auf eine stärkere Bindung von Projekt-Fördergeldern an Auflagen zur Nachwuchsförderung, frei nach dem Motto: Wer zahlt, bestellt die Musik. Im Übrigen, betont Kretschmer, brauche die Wissenschaft auch Flexibilität.
Kretschmer: "In der Wissenschaft lebt es eben auch durch Wechsel und durch Wandel. Das darf auch nicht jetzt passieren, dass wir das System mit sehr vielen festen Stellen zuzementieren, und damit in wenigen Jahren junge Leute keine Chance mehr haben zur Qualifikation, zur Promotion. Da ist eben häufig auch wieder das Gegenteil von gut gut gemeint."
Derweil macht die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Druck. Sollte bis zum Sommer auf politischer Ebene nichts passiert sein, werde man bundesweit mobilisieren, kündigte die GEW an.