Prem Rawat: „Hear Yourself“
© Piper
Guru im Anzug
05:43 Minuten
Prem Rawat
Übersetzt von Ralf Pannowitsch
Hear Yourself – Inneren Frieden finden in einer lauten WeltPiper, München 2022304 Seiten
20,00 Euro
In den 1970er-Jahren gehörte der junge Prem Rawat zu den indischen Gurus, die Hippies entzückt umtanzten. Heute tritt er auf als freundlicher älterer Herr im Anzug. Mit seinen Büchern bespielt ein erfolgreiches Buch-Genre.
Das englische Wort worry kommt vom altenglischen wyrgan – würgen. „Später entwickelte sich seine Bedeutung zu ‚an der Kehle packen und fortschleifen‘ – so, wie es Wölfe mit ihrer Beute tun“, erzählt Prem Rawat in seinem neuen Buch „Hear Yourself“. Darin möchte er zeigen, wie sich der tägliche Klammergriff von Furcht und Grübeleien lockern lässt. „Sobald wir für Klarheit sorgen, werden wir das Leben wieder freudig annehmen, so, wie es uns freudig annimmt“, verspricht der Autor.
Sehnsucht nach Selbstliebe
Prem Rawat reist als spiritueller Lehrer seit vielen Jahrzehnten weltweit umher und bespielt ein auf dem Buchmarkt außerordentlich erfolgreiches Genre, denn die Sehnsucht nach Selbstliebe und Gelassenheit ist weit verbreitet.
Mit spirituellem Überlegenheits- oder gar Geheimwissen hält sich Prem Rawat allerdings auffallend zurück. Schon nach wenigen Seiten stellt sich beim Lesen das Gefühl ein, einem freundlichen älteren Herrn zu lauschen, der über die unvermeidlichen Schmerzen des Daseins und hilfreiche innere Haltungen durchaus etwas zu sagen hat – geerdet und ohne viel esoterischen Jargon.
Gedichte, Gleichnisse, Persönliches
Weil es bei solchen Themen wenig sinnvoll ist, ausschließlich den Verstand anzusprechen, reichert der Autor seine Überlegungen zur Wertschätzung des gegenwärtigen Moments und zur Kultivierung von Freundlichkeit und Dankbarkeit mit Gedichten, Gleichnissen und persönlichen Erlebnissen an.
Da tauschen sich Könige mit Philosophen aus, einfache Bauern wissen mehr als gelehrte Mönche und selbst der Boxer Mike Tyson darf den Nutzen von Erwartungen formulieren: „Jeder hat einen Plan, bis er eins auf die Fresse bekommt.“
Sympathisch auch, dass Prem Rawat eigene Lebenskrisen nicht ausspart und gegenüber ökologischen und sozialen Verwerfungen, von der Klimakatastrophe bis zum Rassismus, nicht gleichgültig bleibt.
Zur App dirigiert
So weit, so eine freundliche, unspektakuläre Lektüre. Wer jedoch Hinweise erwartet, wie sich der beschworene innere Frieden vielleicht in Form von Meditationen einüben ließe, wird überrascht: Erst im letzten Kapitel findet sich dazu ein konkretes Angebot – ein kostenloses Bildungsprogramm namens PEAK („Peace, Education and Knowledge“).
Um teilzunehmen, muss man eine App herunterladen, sich mit persönlichen Daten registrieren und PEAK zwischen Werbevideos für den Meister aufspüren. Dort gibt es etliche Reden von Prem Rawat, Vorspulen nicht möglich, und erst in der letzten enthüllt er endlich die vier Übungsformen.
Einatmen, ausatmen
Gute Bücher zum Thema Spiritualität sind wie Süßigkeiten: Schmeckt gut, aber zu viel ist schnell zu viel. Im Idealfall helfen sie, aus dem Buch raus ins Leben zu springen. Das gelingt Prem Rawat – absichtslos.
Wer den Weg des Meisters vor der App-Odyssee empört verlässt, kann bei Abtrünnigen im Internet lesen, worum es sich bei den vier Methoden dreht, obwohl Prem Rawat das Ausplaudern streng verboten hat: Im Wesentlichen geht es darum, gelegentlich bewusst ein- und auszuatmen – und sich dem Meister hingebungsvoll und spendenfreudig ein Leben lang zu verschreiben. So schult „Hear Yourself“ am Ende auch die Weisheit derer, die es lesen.