Premiere "Rom" in Hamburg

Spiel um die Lächerlichkeiten von Männer-Macht

08:19 Minuten
Thomas Niehaus, Nicki von Tempelhoff und Pascal Houdus (v.li.) im Stück "Rom" in der Regie von Stefan Bachmann am Thalia Theater Hamburg.
Thomas Niehaus, Nicki von Tempelhoff und Pascal Houdus (v.li.) im Stück "Rom" in der Regie von Stefan Bachmann am Thalia Theater Hamburg. © Krafft Angerer
Von Michael Laages |
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Mit "Rom" hat der Dramatiker John von Düffel drei Shakespeare­-Stücke zu einem Politthriller gebündelt. In Stefan Bachmanns Inszenierung am Hamburger Thalia-Theater gerät der Streit zwischen Demokratie und autoritärer Herrschaft aber recht verschwommen.
Noch immer ist nicht ganz auszumachen, wo eigentlich der Zugewinn liegt. Zwar markiert "Rom", das aus gleich drei gewichtigen Stücken montierte Shakespeare-Material von dem überaus fleißigen Dramaturgen und Dramatiker John von Düffel, einen Kraftakt der Extraklasse. Doch von der angeblich zentralen Idee dieser Arbeit (dem theatralischen Streit nämlich zwischen Demokratie und autoritärer Herrschaft) entfernt sich auch die Inszenierung von Stefan Bachmann ziemlich schnell.
Der Start ist stark mit "Coriolan", der Geschichte eines unbelehrbaren Volksverächters, der die verhassten Massen der Weltstadtbevölkerung in Rom durch barbarische Kriegführung davon zu überzeugen versucht, dass er auch politisch zum gewählten Führer taugt. Aber wie erfolgreich er auch den Aufstand des Nachbarvolks der Volsker in deren Hauptstadt Corioli niedermetzelt – Herzen und Seelen des Volkes in Rom kann und will er nicht gewinnen; dazu ist ihm "der Pöbel", wie er ihn sieht, viel zu sehr zuwider. Bevor der ihn lieber lyncht, statt ihn zu wählen, flieht Caius Marcius, der als Held von Corioli den Siegernamen "Coriolan" trägt. Die römische "Demokratie", noch weit entfernt von späterer Zivilisation, konnte diesem Diktator noch widerstehen.

Aufruhr gegen die Aufrührer

Auch im durchaus bekannteren Shakespeare-Stoff um "Julius Cäsar" scheint der Potentat ja zunächst zu unterliegen – die Aufrührer um die Senatoren Cassius und Brutus töten den dem Größenwahn verfallenen Kriegshelden Cäsar. Das Volk folgt dann aber schon der verführerischen Totenrede des intriganten Marcus Antonius, der den toten Cäsar rühmt und in meisterlicher Rhetorik zum Aufruhr gegen die Aufrührer ruft. Später verfällt dieser Marcus Antonius als Feldherr der ägyptischen Königin Cleopatra – und in dieser Liebe wurzelt der Untergang des ehedem mächtigen Mannes. Das ist Teil drei der Theater-Montage: "Antonius und Cleopatra". "Volk" kommt hier nicht mehr vor.
Und weil das so ist, taugt von Düffels neue Übersetzung und dramaturgische Verdichtung aufs jeweilige Kerngeschehen auch nicht wirklich für den Diskurs über die Kraft der Demokratie. Der wäre effektiver zu führen mit "Coriolan" oder "Julius Cäsar" allein.

Cäsar klingt hier stark nach "Käse"

Auch Stefan Bachmanns Inszenierung gewichtet die gemischten Fabeln nicht wirklich politisch. Der Regisseur folgt einer Gepflogenheit der Shakespeare-Zeit und lässt auch die (wenigen) Frauen-Parts von Männern spielen – allerdings eher so, dass die Aufführung das Amüsement an der Travestie befördert als den Geschlechterdiskurs. Prompt landet der Kölner Intendant dort, wo die eigene Karriere vor langer Zeit begann – Bachmann galt immer als einer, der schwere Stoffe mit forcierter Leichtigkeit bewältigt, gelegentlich sogar mit blankem Jux. Das funktioniert beim Shakespeare-Dreisprung nicht so gut. Schon sprachlich nicht. Die Entscheidung jedenfalls für die "K"-Aussprache vom Cäsar-"C" ist eher gewöhnungsbedürftig für alle, die Latein noch in der Schule lernten: Hier klingt "Cäsar" stark nach "Käse".
Merlin Sandmeyer (li.) und Sebastian Jakob Doppelbauer im Stück "Rom" in der Regie von Stefan Bachmann am Thalia Theater in Hamburg.
Merlin Sandmeyer (li.) und Sebastian Jakob Doppelbauer im Stück "Rom" in der Regie von Stefan Bachmann am Thalia Theater in Hamburg.© Krafft Angerer
Die Besetzung aller drei Teile folgt aber immer derselben Struktur – mit Thomas Niehaus immer im Zentrum der Macht und Andre Szymanski als Gegenspieler im siebenköpfigen Männertrupp. Das hat Kraft. Und die Aufführung hat auch ein starkes Bühnenbild. Olaf Altmann lässt ein römisches Haus quasi Kopf stehen, auf der Spitze des Dreiecksdaches. Nach links und nach rechts kann dieses Dach kippen, und speziell der Cäsaren-Mord wird so zur Polit-Aktion auf extrem schiefer Ebene. Dieses Bild ist stark – es hätte (wie das mit Altmanns Bild-Ideen oft gelingt) die Gedankenwelt des Abends stärken können.

Altrömische Männerkörper

Im auch thematisch in die Breite treibenden Finale um "Antonius und Cleopatra" und die fatale Liebe am Nil aber bewegt sich auch im Bühnenbild gar nichts mehr. Jana Findeklee und Joki Tewes, die zuletzt mit dem "Faust"-Preis gekürten Kostümbildnerinnen, sind in Hochform, was die altrömischen Männerkörper und speziell die Männer als Frauen betrifft; denn natürlich ist all das auch ein Spiel um die Lächerlichkeiten von Männer-Macht. Aber auch auf diesem Terrain gelingt es Bachmann nicht, die Aufführung scharf zu fokussieren.
So wird von Düffels Shakespeare-Mix zum verschwommenen Bild. Nicht Fisch, nicht Fleisch – und vor allem nicht ernstlich politisch.
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