Hören Sie hier auch ein Gespräch mit der Kulturwissenschaftlerin Barbara Vinken, Autorin des Buches "Angezogen", aus der "Lesart", über Theresa Mays Leopardenpumps (Bild oben):
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Mischung aus Mutti und Mode-Ikone
Kaum ein Foto-Motiv ist derzeit so beliebt wie die mit stylishen High Heels beschuhten Füße von Großbritanniens neuer Premierministerin Theresa May. Warum die modebewusste Politikerin ein Geschenk für die Briten und die Medien ist, erklärt die Journalistin Catherine Newmark.
So schlecht kann es den Briten eigentlich gar nicht gehen, wenn das extravagante Schuhwerk und andere Hobbys der neuen Premierministerin Theresa May so viel Raum in der öffentlichen Wahrnehmung und in den Medien einnehmen. Oder geht es ihnen schon so schlecht, dass sie sich dankbar auf modische Extravaganzen und Mays Kochbuchsammlung stürzen - und wir in Deutschland mit ihnen?
Die Journalistin und Philosophin Catherine Newmark, im Deutschlandradio Kultur oft mit Gender-Themen vetreten, amüsiert sich besonders über die Boulevard-Schlagzeile "Heel Boys": Die bezieht sich auf Mays schicke High Heels, bedeutet übersetzt aber auch: Bei Fuß, Jungs!
Aus schlechten Politikern werden kleine Jungs
"Und das Lustige ist eben, dass dann sofort sozusagen aus Politikern, die ganz ernsthaft schlechte Politik gemacht haben, plötzlich Boys werden, die irgendwie Quatsch gemacht haben, und Mutti muss es jetzt richten. Also abgesehen davon, dass es vielleicht auch noch eine sexuelle Konnotation gibt von diesen Stöckelschuhen und Heels und so weiter, gibt es natürlich auch diese mütterliche."
Damit hätte Theresa May ja durchaus etwas mit Angela Merkel, der bundesdeutschen "Mutti", gemeinsam. Allerdings ist die Britin im Gegensatz zur Kanzlerin extrem stylish unterwegs. Wäre sie ein Mann, würde man wohl keine Silbe darüber verlieren.
"Ich fand das ja interessant und dachte zuerst, ist das jetzt total sexistisch, das würde man bei einem Mann nie machen, dass man ihn so festlegt auf seine Äußerlichkeiten. Und vielleicht ist es sexistisch, und vielleicht würde man das bei einem Mann nicht machen, aber gleichzeitig, was man natürlich bei Männern macht, ist, dass man dieses wahnsinnige Augenmerk auf die First Ladies hat."
Weibliche Regierungschefs bieten alles
Catherine Newmark meint: Vor dem Hintergrund seien weibliche Regierungschefs "irgendwie super, weil die ja alles bieten, die müssen noch nicht mal eine First Lady hinstellen neben sich, sondern mit denen kann man ja sowohl über ihre harten Verhandlungstaktiken bei diesem Brexit reden als auch über was sie gerade anhatten dabei. Also eigentlich ist das das Rundum-sorglos-Paket für die Medien, die ja immer diesen oberflächlichen Blick auch haben."
Das Interview im Wortlaut
Nana Brink: Heute nun tritt Theresa May in die Fußstapfen von David Cameron und, die Frage sei jetzt echt mal erlaubt hier, man darf gespannt sein, welche Schuhe sie wählt. Kaum war ja das Rennen um das Amt der neuen Parteichefin der Torys, schon erschienen ja alle Zeitungen mit Fotos von diesen extravaganten Schuhen. Was ihrer Vorgängerin, Maggie Thatcher, die Taschen, das scheinen nun Theresa May die Schuhe zu sein. Gibt es ein schöneres Thema jenseits der ernsthaften Politik? Wir gönnen uns das einfach mal, wenigstens kurzfristig. Catherine Newmark ist Philosophin und hat für uns immer hier die Gender-Themen im Blick. Schönen guten Morgen!
Catherine Newmark: Guten Morgen!
Brink: "Heel Boys", das fand ich eine total witzige Überschrift im Boulevardblatt "Sun", und Heel heißt ja nicht nur Stöckelschuh, sondern auch "Bei Fuß", und das ist ja eigentlich eine ganz unverhohlene Anspielung auf den Rückzug der drei Männer, der sie ja praktisch ins Amt gebracht hat. Muss mal wieder eine Frau kommen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen?
"Mutti muss es jetzt richten"
Newmark: Ja, das scheint tatsächlich fast so zu sein, und das Lustige ist eben, dass dann sofort sozusagen aus Politikern, die sozusagen ganz ernsthaft schlechte Politik gemacht haben, plötzlich Boys werden, die irgendwie Quatsch gemacht haben, und Mutti muss es jetzt richten.
Also abgesehen davon, dass es vielleicht auch noch eine sexuelle Konnotation gibt von diesen Stöckelschuhen und Heel und so weiter, gibt es natürlich auch diese mütterliche. Und das ist ja auch klar: Politikerinnen werden – die Autorität von Politikerinnen wird immer über diese Mutterschiene gefahren. Das ist bei Angela Merkel auch so. Weil Mütter sind offensichtlich in unserer Gesellschaft die einzigen Autoritäten, das einzige Vorbild für weibliche Autorität, das wir kennen.
Brink: Aber dafür, wenn sie dann schon so konnotiert wird als Mutter – dafür hat sie aber verflixt gute Schuhe an, oder?
Newmark: Ja, und sie ist auch wirklich, das muss man sagen, eine sehr stylische Frau. In dem Sinne natürlich auch sozusagen Teil einer wahrscheinlich neuen Generation von Politikerinnen. Wir hatten ja bis jetzt immer Politikerinnen, zumindest die in den obersten Ämtern, die sehr auf Schlichtheit setzten – also Angela Merkel und der Hosenanzug, Maggie Thatcher war auch jetzt keine Stilikone.
Und das Interessante ist ja daran, man hat offensichtlich bei diesen Frauen immer das Bedürfnis, so dieses einzelne Ding festzulegen. Der Hosenanzug von Angela Merkel, die Handtasche von Maggie Thatcher oder eben die Frisur von Hillary Clinton. Aber es gibt sozusagen immer die Festlegung auf etwas Äußerliches.
Und bei Theresa May wird es komplizierter. Natürlich gibt es die Schuhe, aber es gibt auch die Mäntel, es gibt die Röcke, die Frisuren. Es gibt eigentlich alles bei ihr. Also von dem her ist sie eigentlich ein Typus einer stylischen Politikerin, und das ist vielleicht dann doch auch ein bisschen irritierend in einer Welt, wo wir eigentlich sehr nüchterne, graue Politiker gewohnt sind.
Brink: Also das geht dann irgendwie nicht zusammen, ihre Leidenschaft für Schuhe, und wir wissen jetzt auch, dass sie wahnsinnig gern kocht.
"Das Rundum-sorglos-Paket für die Medien"
Newmark: Das Interessante war ja, als das gestern in den Medien ging, da ging es ja vor allem über die Schuhe, über das Kochen und über den Style. Und ich fand das ja interessant, und ich dachte zuerst, ist das jetzt total sexistisch, würde man das bei einem Mann nie machen, dass man ihn so festlegt auf seine Äußerlichkeiten.
Und vielleicht ist es sexistisch, und vielleicht würde man das bei einem Mann nicht machen, aber gleichzeitig, was man natürlich bei Männern macht, ist, dass man dieses wahnsinnige Augenmerk auf die First Ladies hat. Es ist vielleicht einfach ein Mechanismus der Medien, also nicht nur der Boulevardmedien, sondern aller Medien, dass sie gern die Politik, die eben grau ist und im kleinteiligen Verhandeln von Dingen besteht, bunt ausstattet. Und das ist eben im Zweifel eine elegante First Lady.
Und dann, könnte man wiederum sagen, sind weibliche Regierungschefs irgendwie super, weil die bieten ja alles, die müssen noch nicht mal eine First Lady hinstellen neben sich, sondern mit denen kann man ja sowohl über ihre harten Verhandlungstaktiken bei diesem Brexit reden als auch über was sie gerade anhatten dabei. Also eigentlich ist das das Rundum-sorglos-Paket für die Medien, die ja immer diesen oberflächlichen Blick auch haben, vielleicht eigentlich ein Geschenk.
Brink: Aber sie hat es eigentlich ganz schlau gemacht, fand ich. Sie hat nämlich ihren Kritikern sofort den Wind aus den Segeln genommen, indem sie gesagt hat, ja, ich bin eine Frau, ja, ich sammle Schuhe. Cleverer Schachzug doch eigentlich, oder?
"Dank Trump schauen Medien nicht nur bei Frauen auf Äußerlichkeiten"
Newmark: Ja, sie scheint zumindest da ein ganz unproblematisches Verhältnis damit zu haben, und das ist ja vielleicht auch ein bisschen die Entspannung in diesen ganzen Äußerlichkeiten. Das hat uns vielleicht, wenn auch nichts anderes auf der Welt, hat uns Donald Trump doch vielleicht immerhin dieses beschert, dass wir nicht mehr nur bei Frauen auf diese Äußerlichkeiten schauen. Donald Trumps Haare waren ja so viel Thema, und das war ja eigentlich wie sonst vorher nur Angela Merkels Haare.
Also das hat vielleicht so ein bisschen diese ganze Frage nach diesen Äußerlichkeiten entspannt, und Politiker müssen eben plötzlich nicht mehr in grauen Anzügen auftreten, sondern sie können auch dazu stehen, dass sie irgendwie wild und anders und komisch auch aussehen.
Brink: Es gab allerdings einen Twist, eine Drehung in dieser ganzen Diskussion. Da ging es noch um den Zweikampf zwischen Theresa May und ihrer Rivalin, Andrea Leadsom, und da hat diese eben die Kinderlosigkeit von May zum Thema gemacht. Daraufhin ist sie dann auch zurückgetreten. Das war also dann doch der Schritt zu weit, oder kommt das als nächstes?
Newmark: Nein, ich glaube, das kommt jetzt nicht wieder. Das haben wir jetzt abgearbeitet. Aber es war auch interessant, dass es Leadsom dann sozusagen zum Nachteil gereicht hat, obwohl sie ja genau dann auf dieser Schiene mütterliche Autorität gespielt hat. Also eine Mutter – so wie Ursula von der Leyen – ist jemand, die irgendwie sieben Kinder organisieren und Politik machen kann. Das ist ja eigentlich immer so ein Vorteil bei Frauen, wenn sie Mütter sind.
Aber das hat offensichtlich, und das fand ich interessant, dass ihr das nicht zum Vorteil, sondern zum Nachteil gereicht hat. Das kommt jetzt nicht mehr. Ich denke, was als Nächstes kommt, ist natürlich, wenn wir jetzt sozusagen schon die Kleider und die Mutterschaft abgehandelt haben, können wir vielleicht irgendwelche zwielichtige Finanzierungen als nächstes Thema haben oder aber, und das wäre natürlich bei den britischen Medien ganz selbstverständlich, die Sexualität. Wir werden jetzt sicher bald davon hören, ob ihr Mann Pornos schaut oder nicht.
Brink: Vielen Dank, Catherine Newmark. Und wir sprachen nicht nur über die Schuhe der neuen britischen Premierministerin Theresa May.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.