Pressezeichner, Gebrauchsgraphiker und politischer Karikaturist

Von Jochen Stöckmann |
Sein Name ist untrennbar mit den Kinderbüchern Erich Kästners verbunden: Walter Trier war der kongeniale Schöpfer der Umschlag- und Textillustrationen von Kästners berühmten Kinderbüchern wie "Emil und die Detektive", "Pünktchen und Anton" oder "Das fliegende Klassenzimmer". Dass Triers Werk aber weitaus mehr als diese bekannten Illustrationen umfasst, zeigt eine Schau im hannoverschen Wilhelm-Busch-Museum. Mit 200 Exponaten wird auch der Pressezeichner, Gebrauchsgraphiker und der politische Karikaturist Walter Trier sichtbar.
Nein, das ist nicht der Bösewicht aus Erich Kästners "Emil und die Detektive", der sich da in der gezackten Krone der New Yorker Freiheitsstatue verfangen hat – es ist Adolf Hitler, den der aus Berlin emigrierte Zeichner Walter Trier 1943 baumeln lässt. Und für ein Flugblatt der Alliierten strichelt der einstige Star-Illustrator der Weimarer Republik, die Edelfeder des Witzblattes "Simplicissimus" gleich die ganze Nazibande: Hitler in Napoleons Uniform aus dem allerbilligsten Kostümverleih, Goebbels als lächerlich missglückte Mickeymaus. Das verstanden damals alle, Kinder wie Erwachsene – deshalb war Trier ja auch zum bevorzugten Illustrator für Erich Kästners Bücher geworden. Aber daneben entstand mit Titelblättern für Illustrierte, Reklametafeln und Bühnenausstattungen und sogar Ölgemälden ein Lebenswerk, an dem Kuratorin Antje Neuner-Warthorst vor allem fasziniert:
"Diese emotionale Fallhöhe zwischen den Kinderbuchillustrationen, diesem Kinderbuchstrich, den man so im Hinterkopf mit sich rumträgt – und dann auf einmal konfrontiert zu sein mit D-Day, mit der Invasion in der Normandie, mit den ganzen Bösewichtern Goebbels, Göring und Konsorten. Das ist faszinierend, das hat eine ganz eigentümliche Vibration."

Das Talent, mit wenigen Strichen Spannung zu erzeugen, durch leuchtende Farben Interesse zu wecken, machte sich schon früh bemerkbar: Kaum hatte der gerade 19-Jährige die Kunstakademie in München absolviert, da rissen sich die Berliner Verleger um "Trier". Sein Nachname wurde zum Markenzeichen, so begehrt:
"Dass eine Depesche von Berlin nach München geschickt wurde zu Trier: 'Bieten Zweijahresvertrag fürs doppelte Gehalt' – und die kabelwendende Antwort von Trier war 'Dreifach!' Und das hat funktioniert, weil eben erkannt wurde, was für ein Potential in seinem Händchen steckt."
Damit dieses Händchen auch recht treffend strichelte, musste der Künstler seinen Kopf freihalten, ironische Distanz zum Trubel der Metropole wahren. Den Ersten Weltkrieg hatte Trier als Propagandazeichner leidlich überstanden. Den politisch extremen Wirren der Weimarer Republik begegnete er durch eine private Leidenschaft, das Sammeln von Kinderspielzeug. Das hatte nichts mit Weltfremdheit zu tun, sondern schärfte nur den Blick des Pressezeichners:
"Er hat Berlin geliebt, dieses turbulente Leben, Film, Theater, Zirkus und all die technischen Neuerungen, das hat ihn unwahrscheinlich inspiriert und fasziniert. Und das sieht man auch in diesen frühen Arbeiten, die sprühen vor Phantasie und Details."
Da saust dann 1912 die Hochbahn über einen belebten Platz mit Bettlern und biederen Bürgern, Straßenkötern und – mittendrin – einem preußischen Polizeibeamten. Einzig und allein diesen "Schupo" musste Trier 25 Jahre später gegen einen britischen Bobby austauschen, und prompt sah das englische Publikum in seinem Großstadtbild eine typisch Londoner Szene. So kam Trier zu "Weltgeltung", weil ihm nationalistische Übertreibungen abgingen:
"Seinen Zeichnungen fehlt dieses Hässliche des Feindes. Er zeigt den Feind immer als Menschen, der vielleicht komisch ist. Triers Zeichnungen sind also überhaupt nicht hämisch, ehrverletzend, brutal oder menschenverachtend."
Aber gerade deshalb machten Triers Zeichnungen die Nazis auf unnachahmbare, weil scheinbar naive Art lächerlich – und das wirkt auf der politischen Bühne am Ende tödlich.
Service: Die Ausstellung "Walter Trier - Politik, Kunst, Reklame" ist vom 11. Juni bis zum 3. September im Wilhelm-Busch-Museum Hannover zu sehen.