Viola Priesemann über Omikron

Wie wir einige Wochen Zeit gewinnen können

08:32 Minuten
Viola Priesemann im Porträt
Die Physikerin Viola Priesemann geht davon aus, dass sich die neu entdeckte Virusvariante in Europa lokal begrenzen lässt: durch eingeschränkte Mobilität. © imago images/Jürgen Heinrich
Viola Priesemann im Gespräch mit Axel Rahmlow |
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Die Physikerin Viola Priesemann hält die Coronavirus-Variante Omikron für „extrem besorgniserregend“. Man müsse jetzt die Mobilität einschränken, um die Ausbreitung zu begrenzen. In diesem Fall bliebe Zeit, um nötigenfalls den Impfstoff anzupassen.
Weltweit wächst die Sorge vor einer Ausbreitung der zuerst in Südafrika entdeckten Virusvariante B.1.1.529, die den Namen Omikron trägt. Viele Staaten, auch Deutschland, haben den Flugverkehr mit südafrikanischen Ländern eingestellt oder stark eingeschränkt.
Noch sei unbekannt, ob die Schwere eines Krankheitsverlaufs bei dieser Variante anders sei, sagt Viola Priesemann. Doch die Physikerin vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation warnt: „Der rasante Anstieg der Fallzahlen in Südafrika, zusammen mit den Hinweisen, die man über Übertragungen aus anderen Ländern inzwischen hat, die sind extrem besorgniserregend.“

Der Unterschied zwischen 100 und 10.000 Fällen

Eines sei jetzt äußerst wichtig im Hinblick auf Europa:
„Indem wir jetzt die Mobilität einschränken, vor allen Dingen die Virusmobilität, aber im Zweifel auch unsere eigene Mobilität, können wir versuchen, das lokal zu halten. Das wird das Virus nicht davon abhalten, sich auszubreiten. Aber es kauft uns eventuell einige Wochen Zeit. Ob wir 100 Fälle einschleppen oder sagen wir1.000 oder 10.000 – das bringt uns am Ende vier oder acht Wochen Zeit, in denen wir dann die Möglichkeit haben, den Impfstoff anzupassen, falls es notwendig ist, und den dann auch wirklich schnell zu verteilen.“
Man sollte sich, so die Physikerin, jetzt Gedanken machen, wie man den neu produzierten Impfstoff dann innerhalb von zwei oder drei Wochen an den Mann oder die Frau bekommt.

Die Versäumnisse der Politik

Priesemann, die über Modellrechnungen den Verlauf der Pandemie beobachtet, zeigt sich auch besorgt über die Entwicklung der vierten Welle in Deutschland. Bei der Politik sieht sie klare Versäumnisse. Im Sommer und Herbst hätten sich viele Arbeitsgruppen, auch das RKI und die Ministerpräsidenten, auf Grenzwerte der Hospitalisierungsinzidenz geeinigt: 3, 6 und 9. „Es ist etwas erstaunlich, dass dann, wenn die überschritten werden, nicht wirklich danach gehandelt wird.“  Dafür seien ja Pläne da.

Ich versuche, manchmal positiv zu sein. Die Hoffnung ist, dass wir so schnell impfen und boostern, dass wir diese Welle eventuell im Dezember gebrochen kriegen.

Physikerin Viola Priesemann

Zum Impfen und Boostern kämen aber noch die AHA-Regeln und flächendeckend 2G. Dann könnte es sein, dass wir mit einem „extremst blauen Auge davonkommen“, sagt Viola Priesemann.
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