"Prinzip der Nutzung über das des Eigentums stellen"

Moderation: Katja Bigalke |
Wie Neubauprojekte aussehen, können die Städte durch eine aktive Bodenpolitik mitbestimmen. Der Stadtsoziologe Florian Schmidt fordert vor allem für Berlin ein grundsätzliches Umsteuern, um der Verdrängung entgegenzuwirken.
Katja Bigalke: In Ulm wird schon lange Bodenpolitik betrieben. In Hamburg hat man vor kurzem das "Konzeptverfahren" eingeführt, um Einfluss auf die Nutzung der verkauften Flächen zu nehmen. Florian Schmidt beschäftigt sich mit solchen Ansätzen. Er ist Stadtsoziologe und Mitbegründer der Initiative "Stadt neu denken", die sich in Berlin für eine neue Liegenschaftspolitik einsetzt.

Mit ihm bin ich nun am Telefon verbunden und ich würde gerne wissen, ob Hamburg und Ulm gute Beispiele in Sachen Liegenschaftspolitik sind?

Florian Schmidt: Ja, auf jeden Fall sind das gute Beispiele. Natürlich sind das unterschiedliche Ausgangsbedingungen. Ulm ist eine relativ kleine Stadt, Hamburg ist eine Großstadt. In Ulm wurde relativ früh begonnen mit einer aktiven Bodenpolitik, und in Hamburg versucht man, quasi kleine Inseln zu schaffen, wo man über Konzeptverfahren in einem aufgeheiztem Immobilienmarkt dann noch soziale Mischung erhalten kann.

Katja Bigalke: Wie sieht das im Rest Deutschlands aus? Welche Rolle spielen Städte, Kommunen? Gibt es noch andere Modelle, bei dem Verkauf von Liegenschaften Einfluss zu nehmen auf die Mischung der Stadt zum Beispiel und auf die Nutzung bestimmter Flächen und Gebäude?

Florian Schmidt: Ja, die Kommunen haben das Recht, darüber zu entscheiden, wer baut auf Baugrundstücken, und damit haben sie ziemlich viel Einfluss auf die Bodennutzung und auch auf Eigentumsformen. Nur wenige Kommunen nutzen diesen Gestaltungsspielraum so konsequent wie Ulm zum Beispiel. Ein anderes Beispiel, eine Stadt, die ganz andere Wege gegangen ist, ist Wolfsburg. Dort wurden Flächen seit 1919 größtenteils in Erbbau vergeben, das heißt, die Stadt bleibt Eigentümer der Grundstücke und verpachtet diese an Nutzer, die auf diesen Grundstücken ihre Häuser bauen können. Ziel in Wolfsburg, einer Arbeiterstadt, war es, breiten Schichten ein eigenes Haus zu ermöglichen. Das ist auch gelungen. Allerdings, seit 1996 hat man in Wolfsburg angefangen umzusteuern, und ist jetzt wieder dazu übergegangen, Boden zu verkaufen, weil man angesichts leerer Kassen und auch von Bevölkerungsrückgang Anreize schaffen wollte.

Katja Bigalke: Wie wichtig schätzen Sie denn eine aktive Bodenpolitik überhaupt ein? Ist das eines der zentralen Instrumente oder muss man das immer flankiert sehen mit anderen Instrumenten?

Florian Schmidt: Wenn man da trennt zwischen Bestand und Neubau, dann hat man im Bestand auch das Mietrecht. Das ist eine andere Ebene und dort wird die große Schlacht geschlagen, wie Verdrängung aufgelöst werden kann. Aber das Thema der Bodenpolitik, da geht es um Neubau und dort wird natürlich flankiert über den sozialen Wohnungsbau. In Wien zum Beispiel haben wir einen Fonds, der Grundstücke massiv angekauft hat in den letzten 30 Jahren. Das war aber immer flankiert mit sozialem Wohnungsbau. Das heißt, die Grundstücke, die man dem Markt entzogen hat, wurden dann vergeben an Bauträger, die wiederum mit Fördermitteln dort Mietwohnungen bauen konnten, um die soziale Mischung aufrechtzuerhalten in der Stadt.

Katja Bigalke: Vor allem in Berlin, wo es nach der Wende viele Liegenschaften gab, ist die Kritik laut geworden, dass die Stadt über den Verkauf von Liegenschaften versucht hat, den Haushalt zu sanieren. Das hat aber zu einer Ausverkaufsstimmung geführt. Es war immer der höchste Preis, der ausschlaggebend war, wenn etwas verkauft wurde. Was bleibt denn einer Stadt noch übrig in Sachen Stadtentwicklung, wenn sie so mit ihrem Besitz umgeht?

Florian Schmidt: Ja ich glaube, dass man in Berlin ein grundsätzliches Umsteuern bräuchte und das kann die verschiedenen Instrumente beinhalten, die wir schon genannt haben: also Erbbaurecht, auch einen Fonds aufzubauen und die Konzeptverfahren auch zur Anwendung zu bringen wie in Hamburg.

Katja Bigalke: Sie versuchen mit ihrer Initiative "Stadt neu denken", neue Modelle zu entwickeln für die Berliner Liegenschaftspolitik. Ein paar haben sie jetzt schon genannt, aber wo sehen Sie denn das zentrale Problem in Berlin? Was muss die Stadt denn neu denken ?

Florian Schmidt: Insgesamt geht es uns darum, das Prinzip der Nutzung über das des Eigentums zu stellen. Die Initiative "Stadt neu denken" will Akteure stärken, die in den letzten 20 Jahren kreativ mit Räumen umgegangen sind. Das sind gemeinschaftliche Wohnprojekte, Gartenbauprojekte, das sind Kreativwirtschaftszentren, das sind Clubs. Das heißt, wenn es jetzt darum geht, die Stadt an den Rändern weiter auszubauen, dann sollten auch dort selbstverwaltete und kreative Konzepte zum Zuge kommen, damit auch dort eine gewisse Urbanität Einzug hält. Auf der anderen Seite, durch eine aktive Bodenpolitik könnte man langfristig versuchen zumindest, in der Innenstadt Inseln zu erhalten, die diesen Qualitäten Raum geben und soziale und kreative Vielfalt ermöglichen.

Katja Bigalke: Florian Schmidt war das von der Initiative "Stadt neu denken".
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