Private Suppenküche in Berlin

Drei Engel für Neukölln

04:14 Minuten
Unter einem S-Bahnschild mit der Aufschrift "Hermannstraße" stehen drei Frauen hinter einem Campingtisch, auf dem Essen aufgebaut ist.
Curry-Kokos-Huhn für bedürftige Menschen: Von denen gibt es in Berlin-Neukölln viele. © Deutschlandradio / Vincent Lindig
Von Vincent Lindig |
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Daniela, Franzi und Jule betreiben in Berlin-Neukölln eine private Suppenküche. Einmal pro Woche verteilen sie dort selbst gekochtes Essen an Bedürftige. Anfangs zahlten sie das Essen aus eigener Tasche. Inzwischen bekommen sie auch Spenden.
Der Bahnhof Hermannstraße in Berlin-Neukölln. Autos rauschen durch den Nieselregen über die S-Bahnbrücke, an den Bushaltestellen stehen Grüppchen von Obdachlosen und Trinkern. Es ist kurz nach 18 Uhr, knapp über null Grad, die Lichter spiegeln sich auf dem Asphalt.
Neben einem der Bahnhofsausgänge machen sich drei Frauen daran, auf Klapptischen große Töpfe, Thermoskannen und Einweggeschirr aufzubauen.
Jule, Dani und Franzi – drei berufstätige Frauen zwischen Mitte 30 und Mitte 40 verteilen hier seit Oktober vergangenen Jahres einmal pro Woche Essen an Bedürftige. Ein paar ihrer späteren Gäste helfen beim Aufbau. Jule erzählt, wie die Idee zu der Aktion entstanden ist:
"Franzi und ich, wir kennen uns durch die Essensverteilung an der Bahnhofsmission am Zoo. Und dann hat Franzi mich und Daniela zusammengeführt, wir haben in der Notübernachtung zusammen gearbeitet, ehrenamtlich. Und irgendwann war einfach dieser Punkt da, wo wir gesagt haben: Warum eigentlich nicht? Daniela wohnt hier in der Nähe, und deswegen hat sich das dann hier entwickelt. So war das."

Viele Spenden von Discountern und Privatleuten

Das Angebot hat sich scheinbar herumgesprochen: Etwa 20 Menschen haben sich inzwischen in der kleinen Straße hinter dem S-Bahnhof mit Gesichtsmasken in einer Reihe aufgestellt und haben Hunger mitgebracht. Was gibt es denn eigentlich?
"Heute gibt es Kokos-Erdnuss-Curry mit Hähnchen und Reis dazu", sagt Franzi. "Und natürlich wie immer Brote, Schokolade, Kuchen, Joghurt, Tee, Kaffee, Taschentücher - natürlich auch sehr hoch im Kurs gerade."
Zu Beginn der Aktion haben die drei die Lebensmittel für die Verteilung aus eigener Tasche gekauft. Bis zu 200 Euro kamen laut Daniela pro Monat zusammen. Inzwischen bekommen sie viele Spenden von Discountern oder Privatleuten – wie heute Abend von Dennis und seinem Freund:
"Wir haben Chocolate-Chip-Cookies mitgebracht, 60 Stück, glaube ich. Ich habe das vor ein paar Wochen auf Facebook gesehen und ich mochte, dass das so niedrigschwellig war, und den Aufruf: Wenn ihr was habt, kommt vorbei. Seitdem waren wir jetzt jede Woche dienstags hier."

Unter den Gästen viele Osteuropäer

Franzi, Jule und Dani kennen viele ihrer Gäste beim Vornamen. Sie wissen auch, wer zu viel trinkt, wer lange im Krankenhaus war und wem es gerade nicht so gut geht. Einige sprechen kein Deutsch, unter ihren Gästen sind viele Osteuropäer. Man versteht sich trotzdem irgendwie. Zwei der Helfer, Frank und Lutz, holen sich nach dem Essen noch einen Kaffee:
"Nee, Zucker nicht, ich bin doch süß genug!", sagt Frank. "Ich bin schon über fünf Jahre hier an dem Bahnhof, Flaschen sammeln, dass man bisschen überleben kann. Hartz IV reicht ja nicht hinten, nicht vorne. Und dann mit einem Mal sind die drei Engel hier aufgetaucht. Das warme Essen, dann die Zusatzgeschenke noch, Socken, eine ganze Menge Sachen. Das kauft man sich ja nun nicht jeden Tag. Und das jeden Dienstag, ist doch wunderbar."
"Es schmeckt immer sehr gut", findet Lutz. "Man kann essen und man kann quatschen. Die Mädels geben sich große Mühe. Eine warme Mahlzeit ist sehr nötig, weil, man muss sich ja wieder bisschen aufwärmen. Das freut einen."

Bis 23 Uhr wird Essen verteilt

Inzwischen ist es halb neun, die Gäste sind in die Nacht verschwunden. Was bei der Verteilung übrig bleibt, portionieren die Frauen routiniert in kleine Behälter, so entstehen Dutzende Essenspäckchen. Auch Tüten mit Joghurt, Taschentüchern und Keksen sind noch übrig. Daniela packt alles in den Kofferraum des Autos. Und jetzt?
"Wir fahren jetzt dann mit dem Auto zu anderen Stellen und verteilen da noch, bis wir nichts mehr haben", erklärt Daniela. "Und dann ist Feierabend!"
Um 23 Uhr bekomme ich eine Nachricht von Jule. Die drei waren bis jetzt noch Essen verteilen. Morgens um 5.00 steht Daniela dann wieder auf, um eine Frühstücksrunde in Neukölln machen.
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