Wasserkraft zerstört die Lebensader Südostasiens
Kambodscha wählt am 29. Juli ein neues Parlament. Die rasant steigende Zahl neuer Wasserkraftwerke am Mekong ist dort Streitthema mit den Nachbarstaaten: Die Staumauern bringen zwar sauberen Strom, schaden aber Pflanzen, Fischen und Fischern massiv.
Mit dem Motorboot des Bauern Seng fahren wir über den Mekong. Hier im Norden Kambodschas fließt der riesige Strom zur Trockenzeit nur träge dahin. Langsam ziehen Seevögel vorbei, die in der Mittagshitze dösen. Zementbojen markieren die Grenze nach Laos.
Mein Begleiter kommt ins Plaudern und erzählt über Kambodschas Ministerpräsident Hun Sen, der seit 33 Jahren an der Macht ist. Zuletzt habe er nach Massenprotesten einfach die größte Oppositionspartei verboten – und jede Kritik an kambodschanischen Staudämmen, fügt Bauer Seng spöttisch hinzu.
Erlaubt ist dagegen Kritik an Staudämmen in Laos – zum Beispiel am Don Sahong-Damm flussaufwärts, kurz hinter der Grenze: Eine gewaltige, grün verhüllte Wand, überragt von Kränen, die nichts Gutes für die hiesigen Anwohner verheißen:
"Eines Tages im Januar 2016 hörten wir zwei gewaltige Explosionen. Der Boden in unserem Dorf und unsere Häuser zitterten. Jenseits der Grenze, in Laos, habe man mit dem Bau des Don Sahong-Staudamms begonnen, hörten wir. Mit einem Wasserkraftwerk wollen sie Strom erzeugen und den nach Thailand verkaufen. Jetzt durch die Bauarbeiten ist der Mekong bei uns oft völlig verschmutzt. Und die Tiefwasserzonen, wo früher jede Menge Fische und etliche Irawadi-Delphine lebten, sind zugeschüttet mit Bauschutt."
Hotspot des Lebens in Gefahr
Der Mekong, der im Hochland Tibets entspringt, ist die Lebensader Südostasiens. Auf seinem Weg durch China, Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam gibt er den Menschen Wasser und Nahrungsmittel wie Fisch. Rund 4300 Kilometer lang, dient er auch als Transportweg, schützt Biodiversität und ist spirituelle Heimat. Am Mekong leben 65 Millionen Menschen aus fast 100 ethnischen Gruppen. Dazu 800 verschiedene Säugetiere, 2800 Vogelarten, 1300 Fischarten. Ein Hotspot des Lebens und ein Schauplatz teils gegensätzlicher Interessen der Anrainerstaaten.
Lösungen werden auf regelmäßig tagenden Mekong-Konferenzen gesucht – wie jüngst in der kambodschanischen Stadt Siem Reap. Teilnehmer wie Jeremy Carew-Reid, Generaldirektor einer australischen Beratungsfirma, diskutieren derzeit viel über die Anpassung an den Klimawandel.
"Das Flussgebiet des Mekong ist gleich zwei Monsunphänomenen ausgesetzt, die ihren Ursprung im Golf von Thailand im Westen und im südchinesischen Meer im Osten haben. Eine klimatisch sehr bewegte Region also, wo Stürme, Fluten und Dürren zum Alltag zählen. Und der Weltklimarat sagt, dass sich die Region zusehends zu einem Hotspot des Klimawandels entwickelt. Vor allem extrem starke Regenfälle könnten dazu führen, dass der Wasserstand des Mekong zur Regenzeit künftig eineinhalb Meter höher liegt als heute."
Wasserkraft für klimaneutralen Strom
Um selbst den Klimawandel nicht zu befeuern, setzen die Mekong-Staaten bei der Energiegewinnung zunehmend auf Wasserkraft. China ging voran und baute seit der Jahrtausendwende sieben Staudämme in den Schluchten des Lancang, wie die Chinesen den Mekong nennen. Zwölf weitere Dämme sind geplant. Laos, Kambodscha und Vietnam haben zwei Dutzend Talsperren an Mekong-Zuflüssen errichtet. Am Mekong selbst baut Laos derzeit zwei Kraftwerke. Das bitterarme Land will zur Batterie Südostasiens aufsteigen.
Insgesamt sollen allein im Flussgebiet des unteren Mekong 160 Wasserkraftwerke entstehen. Das sorge für gewaltige Probleme, erklärt Jeremy Carew-Reid. Der Fluss sei wie ein riesiges Förderband, das wegen der Wasserkraftwerke immer weniger nährstoffreiche Sedimente aus dem Himalaya und aus den Bergen Chinas flussabwärts trage. 140 Millionen Tonnen Sediment erreichten noch 2007 das Mekong-Delta in Vietnam.
So wurde das Delta zur wohl fruchtbarsten Agrarregion Asiens, die 250 Millionen Menschen mit Reis versorgt. Inzwischen jedoch blockieren Staudämme den Sedimentfluss.
Die sinkende Fließgeschwindigkeit ist das Problem
"Schon heute werden 58 Prozent des Sediments von Staudämmen in China blockiert. Und mit jedem neuen Damm im Mekong und seinen Nebenflüssen bleibt mehr Sediment hinter Staumauern stecken. Okay, neue Technologien könnten helfen, einen Teil des Sediments durchzulassen. Das Problem ist nur: Die Fließgeschwindigkeit von Flüssen sinkt am Anfang eine Stausees. Dort setzt sich folglich das meiste Sediment ab. Es tendiert dazu, Inseln zu formen in den oberen 30 Prozent eines Stausees."
Für den Fall, dass alle derzeit geplanten Wasserkraftwerke auch gebaut werden, haben Experten ein Schreckensszenario errechnet: Bis 2040 werden, im Vergleich zu 2007, nur noch drei Prozent des Mekong-Sediments im Delta ankommen. Also fast nichts mehr. Hinzu kommt der Klimawandel: Immer stärkere Taifune tragen immer mehr Salzwasser ins Landesinnere Vietnams und spülen fruchtbares Erdreich ins Meer, das vom Mekong nicht mehr ersetzt wird.
Das Land im Delta verliert also stetig an Fruchtbarkeit und Höhe, während der Meeresspiegel steigt. Die Folge: Jedes Jahr verliert das Mekong-Delta 200.000 Hektar Agrarfläche. Für das Jahr 2100 prophezeien offizielle Studien die Überflutung von 40 Prozent des Deltas. Bis zu 17 Millionen Menschen werden ihre Heimat verlieren; Reis für 250 Millionen Menschen muss woanders angebaut werden.
40 Prozent der Kambodschaner leben von Fischfang
Nur 20 Minuten entfernt von der Mekong-Konferenz in Siem Reap liegt im Nordwesten Kambodschas das Dorf Kompong Phluk. Dort wird gerade eine Frau nach buddhistischem Ritus beigesetzt. Ein für westliche Augen abenteuerlich aussehendes Dorf. Es besteht aus Pfahlhäusern, die jetzt zur Trockenzeit, sechs, sieben Meter über dem Erdboden stehen. Zur Regenzeit jedoch schwillt der mit dem Mekong verbundene See an auf das Siebenfache seiner normalen Größe; und der Wasserspiegel steigt um etwa sechs Meter.
Das Dorf Kompong Phluk ist dann vom See Tonle Sap umschlossen. So wie auch hunderte schwimmende Dörfer aus Hausbooten oder auf Bambusplattformen. Sie alle leben vom Fischfang. Denn ihr See – der Tonle Sap – ist das Zentrum der Fischerei in ganz Kambodscha. Eine sehr wichtige Branche – verantwortlich für 18 Prozent des Sozialproduktes. Sechs Millionen Kambodschaner leben von der Fischerei, fast 40 Prozent der Einwohner. Fisch ist, neben Reis, das Grundnahrungsmittel in Kambodscha. Es deckt drei Viertel des Proteinbedarfs.
Mit lokalen Umweltschützern fahren wir hinaus auf dem Tonle Sap, der im Nachmittagsdunst endlos erscheint. Wir begegnen einem kleinen Boot, in dem der Fischer Oeur Navy gerade Feierabend macht und sein Netz zusammen packt. Jetzt genießt er noch für einige Minuten die Ruhe auf dem spiegelglatten See.
"Es war windstill heute. Deshalb habe ich immerhin 20 Kilo gefangen. Dafür gibt mir der Händler zwölf US-Dollar. Alles recht kleine Fische; große gibt es während der Trockenzeit nicht mehr im Tonle Sap-See. Und ich muss mein engmaschiges Netz benutzen, um überhaupt etwas zu fangen. Vor zehn Jahren war das noch ganz anders. Da hatte ich zur Trockenzeit 50 bis 60 Kilo im Netz; und während der Regenzeit oft 100 Kilo."
Die Fischbestände sind bedroht
Die Beobachtung des Fischers bestätigt Minh Bun Ly, ein schon etwas älterer Umweltaktivist, der das Ökosystem des Sees sehr gut kennt und Fischer über nachhaltige Fangtechnik, ihre Rechte und Pflichten informiert.
Mit ihm fahre ich an eine besondere Stelle am Seeufer. Wir sehen Bäume und Sträucher, die nur hier wachsen.
"Diese zur Regenzeit überfluteten Wälder sind das Herz des Tonle Sap-Ökosystems. Hier haben hunderte Fisch- und Vogelarten ihre Kinderstube. Viele Baumarten kommen nur hier vor. Waldkräuter liefern traditionelle Medizin. Leider jedoch sind die Wälder am See seit einiger Zeit in höchstem Maße bedroht – vor allem durch Brandrodung: Viele Leute brennen illegal Wald nieder, um Ackerland zu gewinnen. Und Anfang 2016 kam es zur Katastrophe: Nach langer Trockenheit verbrannte binnen weniger Wochen ein Drittel der Wälder am See. Und wahrscheinlich wird nur wenig davon je wieder aufgeforstet."
Jeder Verlust an Wald verringere unweigerlich auch den Fischbestand, sagt Umweltaktivist Minh Bun Ly. Eine weit größere Bedrohung für den Fischbestand im Tonle Sap und im ganzen Mekong-Flussgebiet jedoch hängt jedoch mit dem Wandertrieb vieler Fische zusammen. Der ist wie beim europäischen Lachs in rund 40 Prozent der Fischarten im Mekong verankert.
Zu Beginn der Trockenzeit im Oktober wandern diese Fische hunderte Kilometer den Mekong und seine Zuflüsse hinauf, um in speziellen Regionen zu laichen. Zu Beginn der Regenzeit im Juni dann lassen sich die Fische und ihre Jungen wieder flussabwärts treiben. Diese Fischwanderung ist unabdingbar für den Fortbestand ganzer Arten.
Wasserkraft schränkt Fischmenge und Vielfalt ein
Aber sie wird zum Erliegen kommen mit den geplanten bis zu 60 Meter hohen Staumauern, erklärt Wasserexperte Bertrand Meinier von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, GIZ. Er berät die Länder am unteren Mekong bei der Bewirtschaftung des Flussgebietes.
"Staudämme verkörpern künstliche Barrieren für wandernde Fische. Sie können deshalb nicht laichen – was die Fischmenge und die Vielfalt an Fischarten einschränkt. Zudem sind vor allem große, für die Fischer besonders attraktive Arten betroffen. In der Konsequenz birgt der Ausbau von Wasserkraft am Mekong erhebliche Probleme für die von der Fischerei lebenden Menschen hier."
Diese Probleme machen den Fischern am Tonle Sap-See schon heute immer stärker zu schaffen. Umweltaktivist Minh Bun Ly nennt Beispiele für den Rückgang des Fischbestandes:
"Die schon gebauten Staudämme am Mekong und die Baustellen in Laos haben die Laichgründe vieler unserer Fischarten unzugänglich gemacht oder sogar zerstört. Und das trägt zweifellos dazu bei, dass wir hier in Kambodscha viele große Fischarten kaum noch finden im Tonle Sap. Die Riesenbarbe, zum Beispiel, und der Riesenwels sind inzwischen vom Aussterben bedroht. Und den Fischern bleibt nichts übrig, als jetzt kleinere Fische zu fangen – was die Bestände natürlich weiter unter Druck setzt."
Kein Wunder, dass der Widerstand gegen den Staudammbau wächst – vor allem in der Mekong River Commission, einer so genannten Flussgebietskommission wie es sie in Europa auch für Rhein und Donau gibt. Die Kommission der Mekong-Unteranrainer Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam widmet sich der nachhaltigen Bewirtschaftung des Flusses. Sie hat auch die erwähnte Konferenz in Siem Reap veranstaltet.
Bis 2040 verschwinden, bei Weiterbau aller Staudämme, 40 Prozent der Fisch-Biomasse im Mekong, sagt eine Studie der Kommission. Die Artenvielfalt wird sich drastisch verringern. Und: Die armen Fischer Kambodschas werden noch ärmer – so wie auch die Kleinbauern des untergehenden Mekong-Deltas in Vietnam. Schon 2010 forderte die Kommission ein zehnjähriges Moratorium für den Staudammbau. Aber nichts passierte.
Eine regelrechte Privatisierung des Mekong
Warum hören die Regierungen nicht auf ihre eigene Kommission? Vom Staudammbau profitierten vor allem einflussreiche Konzerne, erklärt bitter lächelnd Jeremy Carew-Reid. Der australische Berater für Umweltmanagement meint Energieriesen, Baukonzerne, Banken, Industrie und Großlandwirtschaft. Sie sorgten dafür, dass Gutachten mit beeindruckenden Zahlen stets den Nutzen der Wasserkraftwerke betonten. Die Probleme blieben dagegen vage: Wie will man auch die Fischbestände der Zukunft berechnen? Wie die Arbeitsplätze von Millionen Fischern, wie das verschwindende Flussdelta, das kulturelle Erbe und die religiösen Tradition, der am Fluss lebenden Ureinwohner? Der Mekong und seine Nebenflüsse würden de facto privatisiert, sagt Carew-Reid.
"Im Mekong-Flussgebiet werden erstmals weltweit internationale Flüsse privaten Unternehmen übergeben. Ein hohes Risiko für die Region, das dadurch verschärft wird, dass die beteiligten Regierungen gar nicht über die Kompetenz verfügen, Großprojekte im Wasserkraftsektor detailliert zu überwachen. Die Unternehmen andererseits sagen in der Regel: "Wir befolgen die Gesetze jedes Landes, in dem wir operieren." Das Problem: Vielerorts gibt es gar keine Gesetze zu Privatinvestitionen im Energiesektor.
Ein weiteres Problem erklärt Bertrand Meinier – der Berater der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit. China sei das wichtigste Land für den Mekong, aber nie der Kommission beigetreten. China baute die ersten Wasserkraftwerke und fördert diese auch in den Ländern am unteren Mekong – aus wirtschaftlichen und machtpolitischen Motiven.
"Für China war die 1995 gegründete Mekong River Commission nie eine attraktive Plattform. Deshalb schuf China 2015 die Lancang-Mekong-Kooperation – als Vehikel wirtschaftlicher Zusammenarbeit aller sechs Mekong-Länder: China will Infrastruktur entwickeln für seine wirtschaftliche Expansion – in Südostasien, in Zentralasien, bis nach Afrika. Infrastruktur jeder Art: Straßen, Wasserwege, Energie-Infrastruktur. Und die Lancang-Mekong-Kooperation soll die Ressourcennutzung am Mekong vorantreiben."
Wie anpassen an Klimawandel und Mekong-Veränderungen?
Pham Tuan Phan, der vietnamesische Chef der Mekong River Commission, sieht denn auch keinen Sinn darin, sich protestierend der Lawine von Staudämmen flussaufwärts entgegenzustellen. Seine Kommission tue alles, um Konflikte zu vermeiden, sagt er. Und wenn man Staudämme nicht verhindern könne, müsse man halt negative Folgen minimieren. In seinem Heimatland Vietnam habe man schon pragmatisch reagiert:
"Zwei Provinzen in Vietnam haben ihren Ernterhythmus bereits umgestellt von drei Ernten im Jahr auf eine. Sie kehren zurück zum natürlichen Ernterhythmus. Ich halte das für richtig. Wir sollten jetzt, da wir genug Reis für die eigene Bevölkerung haben, nicht mehr auf die Reismenge schauen, die wir produzieren, sondern auf die Qualität. Dann können wir Reis zu höheren Preisen exportieren. Außerdem prüfen wir intensiv andere Formen der Landwirtschaft im Mekong-Delta. Insbesondere wollen wir, anstelle von Reis, mehr Aquakulturprodukte wie Garnelen herstellen. Solche Schritte der Anpassung an neue Bedingungen brauchen wir im Mekong-Delta."
Fischpassagen sollen den Schaden verringern
Einen weiteren Versuch der Anpassung und der Schadensminimierung verkörpern Fischtreppen und -passagen. Dabei gebe es aber Probleme, erklärt Jeremy Carew Reid.
"Fischtreppen, die Höhenunterschiede von mehr als wenigen Metern überbrücken, funktionieren bis heute nicht – auch nicht, wenn man mehrere 100.000 US-Dollar investiert. Deshalb haben wir Fischpassagen entwickelt, die die Fische um einen Damm herumführen – nasse Korridore vom Fluss in den Stausee. Es bleibt aber das Problem: Sind die Fische einmal im Stausee, verlieren sie die Orientierung. Fische reagieren auf Strömungsreize. In den teils über 100 Kilometer langen Stauseen der Mekong-Region gibt es jedoch vielerorts keine Strömung. Die Fische können sich folglich nicht orientieren."
Bei der Mecong River Commission gelten Fischpassagen inzwischen als weitgehend untaugliches Mittel, Fischwanderung um die Staumauern herum zu ermöglichen. Auch die vielfach propagierte Idee, Fischer umzuschulen zu Aquakultur-Unternehmern, gilt unter Experten als nicht tragfähig: Nur wenige Fischarten lassen sich in Wasser-Käfigen halten. Aquakultur kann nur einen Bruchteil der Biomasse an Wildfisch ersetzen. Arme Fischer haben selten Geld für Käfige und Fertigfutter - und über der künstlichen Fischzucht schwebt stets das Damoklesschwert von Krankheit und ökologischer Katastrophe. Schlechte Aussichten.
Hoffnung durch Wind- und Fotovoltaikkraftwerke
Trotzdem sind auch Töne der Hoffnung zu hören. Zumindest bei den Experten aus aller Welt bei der Mekong-Konferenz in Siem Reap. Die Australierin Maureen Harris von der renommierten NGO International Rivers sagt:
"Der Umgang mit dem Mekong befindet sich an einer vielleicht entscheidenden Wegscheide, was grundsätzliche politische Entscheidungen angeht: Die Führer der Region können weitermachen wie bisher; und dann sind die Aussichten nach allen vorliegenden Studien ziemlich düster – für die Biodiversität im Flussgebiet, für die Flussressourcen und für die Menschen hier.
Aber es ist noch immer möglich, den Kurs zu ändern: Solar- und Windenergie einschließlich moderner Speichertechnik verkörpern inzwischen eine auch wirtschaftlich realistische Alternative zu großen Staudämmen, um den wachsenden Energiebedarf der Region zu befriedigen. Und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir uns fragen sollten: Können wir Pläne, die mehr Schaden als Nutzen bergen, nicht ersetzen durch neue Projekte mit minimalen negativen Auswirkungen und einem Maximum an Nutzen?"
Kommt die Rettung noch rechtzeitig?
Ein neuer Trend, so scheint es, gewinnt Konturen – und das verblüffend schnell: Ende 2017 schlossen das US-Unternehmen General Electric, eine irische und eine vietnamesische Firma einen Zwei-Milliarden-Dollar-Vertrag über ein 800 Megawatt-Windkraftwerk im Mekong Delta. Kein Einzelfall: Allein Ende 2017 und Anfang 2018 wurden Dutzende Verträge für Wind- und Fotovoltaikkraftwerke abgeschlossen: in Vietnam, Thailand, Laos und Kambodscha – mit insgesamt einer Leistung von 6000 Megawatt. Gerade noch rechtzeitig könnte Rettung nahen – für zumindest einen Großteil der Mekong-Fischerei und vielleicht auch für einen Teil des Mekong Deltas.
Zurück noch einmal an Kambodschas Grenze zu Laos und in das Boot des Bauern Houth Seng. Unser Blick fällt tief hinunter auf ein grandioses Naturschauspiel – die in Laos gelegenen Mekong-Fälle: Soweit das Auge reicht, stürzen Wolken weißer Gischt kaskadenartig glitzernde Felsen hinab – bis zu 50.000 Kubikmeter pro Sekunde. Mit zehn Kilometern Breite sind die Mekong-Fälle die breitesten Wasserfälle der Erde Wegen der Mekong-Fälle kämen viele Öko-Touristen in die abgelegene Region, berichtet Bauer Houth Seng. Vor allem aber kämen sie wegen der weltberühmten Irawadi-Delfine im Mekong hier.
"Seit kurzem sind nun – wegen des Staudammbaus in Laos – die meisten Delfine verschwunden. Mehr als 15 hatten wir noch vor einigen Jahren. Immer wieder übernachteten Ökotouristen in unseren Häusern und beobachteten von unseren Booten aus die Delfine. Jetzt haben wir gerade noch zwei oder drei Irawadi-Delfine. Und ein totes Delfin-Baby ist vor einigen Wochen nicht weit von unserem Dorf ans Ufer gespült worden."