Mit dem Prix Goncourt wird seit 1903 von der gleichnamigen Académie "das beste Prosawerk" geehrt, das im jeweiligen Jahr auf Französisch veröffentlicht wurde. Das Preisgeld ist mit lediglich zehn Euro symbolisch. Die eigentliche Belohnung ist die gut sichtbare rote Manschette. Mit dieser darf sich das Buch auf den Verkaufstischen der Buchläden schmücken, sie macht aus den ausgezeichneten Büchern in vielen Fällen Bestseller, was einigen früheren Preisträgern Verkaufszahlen in Millionenhöhe bescherte.
Prix Goncourt
Schon seit Langem gilt Mohamed Mbougar Sarr als ein junger Star der französischen Literaturszene. © picture alliance / dpa / PHOTOPQR / LE PARISIEN / Fred Dugit
Auszeichnung für Mohamed Mbougar Sarr
05:34 Minuten
Der Prix Goncourt geht in diesem Jahr an einen senegalesischen Autor. Der 31-jährige Mohamed Mbougar Sarr hat mit "La plus secrète mémoire des hommes" einen Literaturkrimi geschrieben. Ein herausragendes Buch, findet Kulturjournalist Dirk Fuhrig.
Die Entscheidung der Jury des ehrwürdigen Prix Goncourt war eine Überraschung – und auch wieder nicht: Der erst 31-jährige gebürtige Senegalese Mohamed Mbougar Sarr wird schon seit Längerem in Frankreich sehr gehypt und hat in den zurückliegenden Jahren bereits etliche Preise bekommen. Er ist einer der jüngsten Preisträger in der Geschichte des Prix und stach in der Endrunde die renommierten Autorinnen und Autoren Sorj Chalandon, Louis-Philippe Dalembert und Christine Angot aus.
"Es war eigentlich klar, dass er in die Endauswahl für den Prix Goncourt kommt", sagt Dirk Fuhrig, Kulturjournalist und Kenner der französischen Literaturszene. "Dass er tatsächlich den Preis gewonnen hat – gegen eine Garde von drei wirklich schwergewichtigen französischen Autoren, die auch viel älter sind – war überraschend und andererseits logisch, weil es wirklich ein herausragendes Buch ist."
Themen, die heute diskutiert werden
"La plus secrète mémoire des hommes" ist Sarrs vierter Roman und erzählt eine Geschichte in einer Geschichte: Im Jahr 2018 entdeckt Diégane Latyr Faye, ein junger senegalesischer Schriftsteller, in Paris ein mythisches Buch, das 1938 veröffentlicht wurde. Der zu seiner Zeit als "Neger-Rimbaud" diffamierte Autor T. C. Elimane ist seit der skandalumwitterten Veröffentlichung des Buches verschwunden. Diégane begibt sich fasziniert auf die Spuren des mysteriösen Kollegen.
Es gehe in dem Buch um "viele Themen, die wir heute diskutieren", sagt Fuhrig: "Rassismus, das Verhältnis Afrikas zu Europa, die Exkolonien Frankreichs. Es geht aber auch um den Zweiten Weltkrieg, wo viele senegalesische Soldaten an der Seite Frankreichs gegen Deutschland gekämpft haben."
Doch sei der Roman nicht als Anklage gegen Rassismus, Unterdrückung und Diskriminierung geschrieben. "Es ist eher eine sehr verschlungene Betrachtung der Geschichte und der Gegenwart." Mbougar erzähle dabei eine lineare Geschichte auf vielen verschiedenen Stilebenen.
"Sehr zeitgenössisch und literarisch"
"Es gibt einmal sehr lange, ausgereifte Sätze, sehr lange Episoden. Dann wieder kurze und knackige Passagen. Das gibt dem Ganzen einen irren Rhythmus", schwärmt Fuhrig.
Es sei kein leicht zu verschlingendes Buch, habe aber auch etwas von einem Kriminalroman, sodass man als Leser immer gern am Geschehen dran bleibe. Insgesamt sei das Buch "sehr zeitgenössisch und sehr literarisch".
Bislang ist keiner von Mbougar Sarrs Romanen auf Deutsch erschienen. Das könnte sich bald ändern: Der Hanser Verlag soll seinen Hut in den Ring geworfen und sich die Rechte für die Übersetzung gesichert haben – für einen sehr hohen Preis, munkelt man.