Prix Goncourt für Brigitte Giraud
Die französische Schriftstellerin Brigitte Giraud erhält den Prix Goncourt 2022. Der Preis ist mit gerade zehn Euro dotiert und dennoch hochbegehrt. © AFP / JULIEN DE ROSA
Über das jähe Ende einer Liebe
05:10 Minuten
Der Prix Goncourt gilt als der Höhepunkt der Pariser Preissaison. In diesem Jahr erhält ihn Brigitte Giraud für ihren Roman "Vivre vite". Kulturjournalist Dirk Fuhrig findet allerdings andere Kandidaten auf der Shortlist wesentlich faszinierender.
Brigitte Giraud ist die Gewinnerin des Prix Goncourt 2022. Ihr Roman "Vivre Vite" begibt sich in das Gefühlsleben einer Ich-Erzählerin, deren Ehemann bei einem Motorradunfall ums Leben kam.
Der Tod bricht jäh in das gemeinsame Leben und die Liebe des Paares hinein. Die Protagonistin erzählt – aus der Distanz von etlichen Jahren – von dem Moment, da sie das Unvorstellbare erfährt, bis zum Ende der Trauerfeier.
Verdrängte Zufälle, banale Entscheidungen
Die 1960 in Algerien geborene Giraud verarbeitet in dem Roman den Unfalltod ihres eigenen Mannes. Auch andere ihrer auch auf Deutsch erschienenen Romane kreisen um Verlust, Tod und Neubeginn. Giraud studierte Deutsch und Englisch und arbeitete als Buchhändlerin, unter anderem in Lübeck.
"Vivre Vite" sei "ein Roman, in dem es viel um Hypothesen und verdrängte Zufälle geht", sagt Kulturjournalist Dirk Fuhrig. "Da geht es um so banale Entscheidungen wie einen Hauskauf – Entscheidungen, die letztlich dazu führen, dass der schreckliche Unfall passiert."
Push für den Buchhandel
Die Auszeichnung – traditionell der Höhepunkt der Pariser Preissaison – ist zwar nur mit zehn symbolischen Euro dotiert, wer ihn gewinnt, kann jedoch mit einer Auflage in die Hunderttausende rechnen. Denn als Ehrenzeichen bekommt die Gewinnerin nun eine rote Manschette, mit der sie ihr Buch auf den Verkaufstischen der Buchhändler kennzeichnen darf.
Laut Branchendienst "Buchreport" galt ein anderer Autor auf der Shortlist der letzten vier als heißer Favorit: Guiliano da Empoli mit „Le Mage du Kremlin", der hinter den Machtapparat und in den inneren Zirkel des Kreml blickt.
Auch für Dirk Fuhrig ist Empolis Werk "ein faszinierender Roman". Die Jury habe es sich offenbar nicht leicht gemacht und "erst nach langer Debatte" die Entscheidung getroffen.
Schillerndes auf der Shortlist
Die weiteren Nominierten waren Cloé Korman mit ihrem Roman "Les Presque Sœurs", der den Holocaust und die Ermordung von Mitgliedern der Familie der Autorin verarbeitet, sowie der aus Haiti stammende Makenzy Orcel mit "Une somme humaine".
Orcels Roman ist für Fuhrig "das literarisch innovativste und schillerndste" Buch aus der Endauswahl. Geschrieben "in einem pulsierenden Stakkatorhythmus auf 600 Seiten", erzählt der Autor aus der Sicht einer Frau, die "nach einem Amoklauf durchs Leben" Suizid begangen hat, und nun aus dem Jenseits auf ihr Leben zurückblickt.
Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux, die mit "Le jeune homme" ebenfalls ein neues Buch veröffentlicht hat, stand übrigens nicht auf der Nominiertenliste – und hat den Prix Goncourt auch noch nie erhalten.
Audio: Dirk Fuhrig
Text: mkn/AFPD/dpa
Text: mkn/AFPD/dpa