Sollte die Frankfurter Buchmesse 2020 stattfinden?
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Die Leipziger Buchmesse wurde wegen Corona abgesagt, ein halbes Jahr später soll das Frankfurter Pendant stattfinden - in stark eingeschränkter Form. Eine gute Idee? Unsere Autoren sind unterschiedlicher Meinung.
Pro: Großartig!
Es ist großartig, dass die Frankfurter Buchmesse im Oktober stattfinden wird. Lebenswichtig für viele Verlage, für die Messegesellschaft in der Mainmetropole – vor allem aber ist es eine tolle Nachricht für die Leserinnen und Leser. Denn auch wenn die größte Bücherschau der Welt in diesem Jahr wegen der Corona-Hygienevorschriften auf dem Messegelände deutlich kleiner ausfallen wird und noch mehr Lesungen und Diskussionen als sonst ins Radio, ins Fernsehen und ins Internet verlegt werden: Die Tatsache, dass die Messe stattfindet, wird eine Woche lang das Augenmerk der Büchermenschen auf Frankfurt lenken. Und damit auch auf die politischen Botschaften der Buchmesse: Entschiedenes Eintreten für Meinungs- und Pressefreiheit weltweit, Solidarität mit verfolgten Autorinnen und Autoren, Debatten zur Zukunft der Öffentlichkeit in Zeiten von Corona, aber auch von Facebook, Amazon und Co.
Damit die Messehallen nicht zu voll werden, die Abstände gewahrt bleiben und die Luft immer frisch ist, werden viele Veranstaltungen und Gespräche außerhalb des Messegeländes stattfinden – womöglich im ganzen Rhein-Main-Gebiet verteilt. Das ist auch eine Chance. Das Buch könnte noch mehr an anderen Orten gefeiert werden als sonst: in Universitäten, in Kirchen, in vielen großen und kleinen Theatern des Ballungsraums.
Klar ist: Die Buchmesse steht weiterhin unter Vorbehalt. Sollte im Herbst eine zweite Corona-Welle einsetzen, wird sie nicht stattfinden. Doch wenn die Pandemie beherrschbar bleibt, ist Platz genug im Rhein-Main-Gebiet, um auch mit den Abstands- und Hygieneauflagen diese Woche ganz dem Buch zu widmen. Ich freue mich sehr darauf!
(Ludger Fittkau)
Contra: Irrsinn, wie er im Buche steht!
Ich fahre seit über 30 Jahren zur Frankfurter Buchmesse, sie ist ein Highlight im Berufsalltag, eine Feier für einen Leser und das Hochamt des Literaturbetriebs. Sie aber unter Corona-Bedingungen stattfinden zu lassen, ist Irrsinn wie er sonst nur im Buche steht. Im letzten Jahr kamen fast 145.000 Fachbesucher und über 157.000 private Gäste, 7450 Aussteller aus aller Welt waren dabei mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ein Fußballbundesligaspiel ist nichts dagegen.
Wie soll das gehen, selbst wenn man die Zahl aller drastisch einschränkt? Viele Verlage, auch deutsche, werden ohnehin nicht kommen. Das kann doch nur eine der traurigsten Veranstaltungen werden. Mit Masken und Handschuhen durch halb leere Hallen schlurfen, jederzeit überlegen, ob man dieses Buch wirklich anfassen will, Autorinnen und Autoren, die zurückweichen, wenn ihnen irgendein Leser zu nahe kommt, Lesungen auf Abstand oder nur digital ... Und all die Gespräche, Verlagsempfänge, die ausfallen werden. Selbst wenn es bis dahin die Corona-App geben wird, wer, zum Teufel, soll dann die 1234 gespeicherten Kontaktpersonen informieren, wenn doch etwas passiert? Was kommt da auf die Gesundheitsämter zu? – So ein Unsinn!
Die Buchmesse lebt von Nähe, von Gespräch, von Kontakt, auch von Gedränge. Wenn all das nicht mehr stattfindet: Wozu dann eine Messe, bei der das Restrisiko – auch bei rigiden Sicherheitsmaßnahmen – hoch bleibt? Noch dazu im Oktober, wenn man auch unter normalen Bedingungen mit einer Erkältung abreist, übrigens meist in überfüllten Zügen! Verlagsgeschäfte lassen sich auch per Skype oder am Telefon abwickeln. Eine Buchmesse, die sich Distanz aufgibt und so zu einer Schrumpfmesse wird, ist nicht wert, dass sie stattfindet.
(Thorsten Jantschek)