Probleme der Müllverwertung

Das Recyclingmärchen

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Gelbe Säcke für Verpackungsmaterialien. © picture-alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Thomas Weinert |
Deutschland gilt als Recycling-Weltmeister. Doch die beeindruckenden Zahlen trügen: Nicht alles was in Tonnen sortiert zum Recyclinghof transportiert wird, kommt hinten wieder als verwertbares Material heraus.
In Berlin-Schöneberg rattern die Müllwagen durch die Straßen und holen das aus den Tonnen und Containern, was die Berliner reingesteckt haben. Auch in der deutschen Hauptstadt zeigt sich: Wir sind Weltmeister im Recyceln, gelernt ist gelernt: Blau für Papier, Gelb für alle Arten von Verpackung, Grau für Hausmüll und Braun ist Bio:
"Ja, knapp 30 Wohnungseinheiten sind in meinem Haus und Büros dabei und deswegen ist dieser Entsorgungsgang auch irgendwie zehn Meter lang und beginnt mit meinem Lieblingsmüll: Flaschen, weil man muss nur wissen zwischen Buntglas hier und Weißglas hier zu unterscheiden. Und dann haben wir hier, das ist auch ziemlich klar, die braune Tonne und da, uuaahhh, es stinkt entsetzlich, also da ist Biogut drin."
Die Namen auf den Tonnen lesen sich wie das Who is Who der deutschen Entsorgungsindustrie: Veolia, Alba, BSR. Und auf einer blauen Tonne steht Bartscherer, drin ist Gewerbepapier.

Pappe und Altpapier

Der Chef von Bartscherer, Joachim Lange, lebt mit seinen 60 Mitarbeitern davon, dass wir weltmeisterlich wiederverwerten. Ihn treffe ich auf dem Werksgelände in Reinickendorf. Es fängt an zu regnen, Lange spannt den Schirm auf über dem Mikrofon:
Autor: "Also, hier sehen wir schon mal große Ballen von Altpapier, ist das jetzt das Ergebnis Ihrer Arbeit oder der Anfang?"
"Das ist das Ergebnis unserer Arbeit: Das sind Kaufhausabfälle, überwiegend Wellpappen und graue Pappen. Mischungsverhältnis 75 Prozent sind Wellpappeabfälle und der Rest sind irgendwelche anderen Papiere."
Autor: "Und das wird jetzt hier verladen auf einen LKW und geht das jetzt in die Papierfabrik oder geht das in die Verbrennung ?" "Nein! Das geht natürlich in die Papierfabrik und daraus wird wieder neues Papier hergestellt. Also wieder Verpackungspapiere."

Besuch am Sortiertisch

Der ältere Herr, groß gewachsen, schlank und sehr freundlich, erzählt von Recyclingquoten und der relativen Sortenreinheit beim Altpapier. Eine Ratte verirre sich schon mal in die Papierberge, aber ansonsten laufe es gut und zum Aussortieren habe man ja schließlich Maschinen. Lange zeigt auf eine Art überdimensionierten Tisch aus Metall, einige Meter hoch in der Werkshalle, die Oberfläche rüttelt heftig hin und her.
"Hier wird das Material verteilt auf 2,50 Meter Breite, damit man gut sehen kann, was da alles drin ist. Und große Ungehörigkeiten und Folien und so was werden schon mal vorab an diesem Gerät rausgenommen."
Autor: "Und hier steht ein Kollege von Ihnen und macht das wirklich per Hand und per selber Zugucken, ob da etwas drin ist – also zum Beispiel unsere Ratte – was da nicht reingehört."
"Und da ist jetzt eine Folie, da wird er gleich zugreifen – sehen Sie – zack, da hat er es."

Hinter der Rüttelmaschine geht es den Kartonagen an den Kragen, sie werden von Stahlnägeln auf einer Rolle rausgepiekt und später wieder abgestreift, ein weiteres Fließband transportiert sie ab. Die Recyclingquote ist mit rund 70 Prozent hoch, nur die Wiederverwertung von Glas funktioniert noch besser. Voraussetzung für eine derart hohe Quote: Sortenreinheit.
Gepresste Altpapierblöcke lagern auf einem Recyclinghof in Bamberg.
Gepresste Altpapierblöcke auf einem Recyclinghof.© picture alliance / dpa / David Ebener
"Da ist ab und zu mal eine kleine Pappe drin, aber wenn es nicht mehr als drei Prozent sind, dann akzeptiert das die Papierindustrie."

Die Wiederverwertung von PET funktioniert gut

Auch die Wiederverwertung von PET Flaschen funktioniert gut, seitdem das Material zur Verpackung von Getränken mit 25 Cent hoch bepfandet wird. Joachim Lange steht vor einem Berg an gepressten Plastikquadern, die Greifarme der Stapler packen zu und trennen sie nach Farben:
"Klares PET und buntes PET, auch von Handelsketten, die liefern das so bei uns an bzw. wir holen es so aus dem Zentrallager ab. Ja, das wird so verladen und damit sind auf einem LKW auch 25 Tonnen drauf."
Auch beim PET gilt also eine hohe Wiederverwertungsquote als gesetzt, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Kunststoffen. Deutlich unter 40 Prozent liegt hier die Recycling Quote im Schnitt, ein schlechter Wert, für den wir uns so viel Mühe geben mit dem Sammeln in gelben Tonnen und gelben Säcken.
"Der Verbraucher glaubt, recyceln heißt, dass aus einer Verpackung wieder vollständig eine neue Verpackung wird."

Hohe Recycling-Quoten sind Augenwischerei

Es ist Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe, der uns aus dem Traum reißt vom Weltmeister im Recyceln:
"Recyclingquoten bilden aber genau das eben nicht ab. Recycling bedeutet in Deutschland, wenn wir etwas erfassen und sammeln im gelben Sack, dann wird es sortiert in der Sortieranlage. Da sind aber auch Restanhaftungen, Lebensmittel mit dabei, falsch sortierte Sachen, überlagerte Ware, nicht recyclingfähige Ware, und wenn das dann in eine Verwertungsanlage geht, dann gilt: Alles, was in die Verwertungsanlage geht, unabhängig davon, ob es am Ende tatsächlich recycelt wird, als recycelt.
Das ist aber input-orientiert und da werden eben entsprechende Abzüge für Fehlsortierungen, für überlagertes Material, Restanhaftungen, eben nicht berücksichtigt. Und das entspricht bei Weitem nicht dem, was am Ende hinten rauskommt und am Ende recycelt wird."

Noch immer landet zu viel in der Verbrennung

Und der Rest? Landet immer noch in der Verbrennung, geschätzt sind es 20 Prozent unseres Mülls, auf zehn Prozent soll die Verbrennungsquote sinken. Umstritten sind diese Quoten und Ziele allerdings weiterhin: Weil im Verpackungsmüll immer noch viele Fehlwürfe den Verwertungsanlagen Probleme bereiten. Und somit doch in den Verbrennungsöfen landen. Der Anteil der Verbrennung liegt wohl deutlich höher.
Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe beginnt die Zukunft somit eindeutig bei der Vermeidung. Nicht die Quantität der Quoten sei relevant, sondern die Qualität der Verfahren. Und die beginnt bereits bei der Herstellung und nicht erst bei der Verwertung:
"Auch da muss natürlich die Strategie sein, hochwertige Waren anzubieten, die möglichst lange nutzbar sind, die möglichst lange attraktiv bleiben, die nicht nach dem zweiten Wäschegang eingelaufen sind oder die Farben verlieren, also auch hier wie bei anderen Verpackungen beispielsweise trifft dasselbe natürlich auch auf Produkte zu: dass Produkte langlebig sein sollten, eine gewisse Qualität haben sollten und je länger eben diese Produkte genutzt werden, desto umweltfreundlicher."
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