Probleme durch Drohnen

Kampf um den Luftraum in Deutschland

Ein Supergleiter am Boden
Ein Supergleiter am Boden © Frank Grotelüschen
Von Michael Watzke |
Rund 400.000 Minidrohnen fliegen schon heute in niedriger Höhe durch den deutschen Luftraum. Hinzu kommen Drohnen von kommerziellen Betreibern. Bislang gibt es jedoch für die unbemannten Fluggeräte nur laxe Regeln. Das soll sich jetzt ändern.
Seinen letzten Flug am oberbayerischen Jochberg wird Gleitschirmpilot Anton Gruber nicht so schnell vergessen. Zusammen mit einem Kollegen war er in die tief stehende Sonne gestartet:
"Nach einer Viertelstunde ruhigen Abendflugs haben wir dann plötzlich ein komisches Geräusch in unserer Nähe bemerkt. Es war eine mit einer Videokamera ausgerüstete Drohne, die unsere Flugbahn gekreuzt hat. Sie hat uns bedrängt, und wir mussten unseren Flug abbrechen, um eine mögliche Karambolage zu verhindern."
Bis auf 20 Meter näherte sich die greifvogelgroße Drohne den Gleitschirmfliegern. Nur eine kleine Turbulenz oder ein Windstoß – und der Vorfall hätte dramatische Folgen haben können.
"Selbst leichte Fluggeräte sind für so einen Gleitschirm eine Gefahr, weil wir sehr viele Leinen haben. Es besteht das Risiko, dass sich so ein Fluggerät in den Leinen verfängt und zu kritischen Flugzuständen bis hin zu einem Absturz führt."

"Man braucht einfach nur ein bisschen Gefühl"

Ortswechsel: Eine Messehalle in Friedrichshafen am Bodensee. Drohnen-Verkäufer Guido Ullrich präsentiert die Syma X8W. Ein kleines Flugobjekt mit vier Rotoren, 500 Gramm Gewicht und einem Preis um die 100 Euro. Fliegen kann es jeder, sagt Ullrich:
"Man braucht einfach nur ein bisschen Gefühl in den Daumen. Mit der linken Taste hier wähle ich die Höhe an, mit der rechten die Richtung, in die das Gerät fliegen soll."
So einfach sei das. Geradezu babyleicht.
"Da kommen schon achtjährige Kinder – und ich wage zu behaupten, dass die es manchmal besser können als ich."
Nur – von Luftrecht haben achtjährige Kinder keine Ahnung. Meistens nicht mal ihre Eltern. Händler Ullrich sagt, er weise jeden Käufer auf die Flugregeln hin. Aber:
"… für die Sorgfaltspflicht der Eltern bin ich nicht verantwortlich. Was letztendlich geschieht, dafür ist jeder selber verantwortlich. Aber wenn Sie heute mal vergleichen: Auch mit einem Auto werden Banküberfälle verübt. Deshalb können wir aber nicht auf BMW oder VW schimpfen."

Annäherungen sind gefährlich

Ein schräger Vergleich, der Anton Gruber ärgert. Der Gleitschirmpilot fliegt seit dem Vorfall am Jochberg besonders vorsichtig. Er schaut noch genauer nach möglichen Gefahren im Luftraum. Den Drohnen-Kamikaze-Piloten hat er nach seinem Beinahe-Crash gefunden – im Internet. Dort hatte "Drone Devil" – so sein Spitzname – den Quadrocopterflug als Video hochgeladen.
Anton Gruber: "Es war eine absichtliche Annäherung. Der Drohnenpilot wollte tatsächlich mit den Gleitschirmfliegern fliegen und die aus der Nähe filmen. Ihm war die Gefahr vielleicht gar nicht bewusst. Aber für uns wurde es brenzlig, als er sich näher als 20 Meter angenähert hat."
Annäherungen von ferngesteuerten Flugobjekten und bemannten Flugzeugen verlaufen nicht immer so glimpflich wie am Jochberg. Dirk Weisel, Hauptflugleiter am Segelflugzentrum Königsdorf bei Bad Tölz, beschreibt eine fatale Kollision:"Es gab vor ein paar Jahren mal einen Unfall, bei dem ein Modellflugzeug mit einem Motorsegler zusammengestoßen ist. Da ist der Motorsegler abgestürzt. Die Besatzung ist dabei ums Leben gekommen. Je nachdem, an welcher Stelle das Gerät das Flugzeug treffen würde, kann von Kratzern über fatale Schäden wie dem Abreißen einer Fläche alles passieren."

Wirbelschleppen sind eine gefährliche Falle

Flugplatz-Betrieb an einem Samstagvormittag in Königsdorf/Oberbayern. Dirk Weisel leitet das morgendliche Piloten-Briefing. Heute hat sich ein besonderes Flugzeug angemeldet – die riesige Antonov 2, der größte Doppeldecker der Welt.
Dirk Weisel: "Die Antonov soll melden: In fünf Minuten am Isar-Knie. Und wenn ich als Segelflieger mitdenke, dann weiß ich: in sechs bis sieben Minuten landet das Ding – und danach sollte ich nicht landen. Bin ich jetzt in einer Höhe, wo ich noch zehn Minuten bleiben kann? Oder komm‘ ich lieber schnell runter?"
"Der Segelflieger muss lang landen."
"Muss er nicht!"
"Doch, muss er. Das ist die einzige Chance, die Wirbelschleppe der Antonov zu verhindern, wenn Du lang landest mit dem Segelflieger. Drüben auf dem Hauptfeld. Das ist dann einfach ein Notfall."
Ein Notfall - obwohl zwischen der riesigen Antonov und dem kleinen Segelflugzeug 500 Meter Abstand bleiben. Doch die Wirbelschleppen des Doppeldeckers sind für nachfolgende Piloten eine gefährliche Falle: turbulente Windrotoren, die die Antonov mit ihren Flügelspitzen und Propellerblättern auslöst und kilometerweit hinter sich herzieht. Wer dicht über dem Boden in diese Wirbelschleppen gerät, kann abstürzen. Deshalb ist eine gute Organisation und Staffelung des Luftraums so wichtig. Aber was bisher schon schwierig war – es wird durch die Drohnen höchst komplex.
Dirk Weisel: "Ich nehme einfach an – wenn ich das Teil sehe, ist es zu spät. Das macht mir ganz klar Angst. Weil, wenn mir so einer entgegenkommt, dann gibt es einen Crash. Ihm fällt das Modell runter – und wir müssen schauen, ob wir’s überleben."

"Man kann neue Kundenkontakte herstellen"

Von wegen, Reinhard Mey! Grenzenlose Freiheit in der Luft – das ist lange vorbei. Wenn überhaupt, dann ist der Himmel unter den Wolkenfreier als über den Wolken. Denn grundsätzlich gliedert sich der Luftraum in Deutschland in zwei Teile – den kontrollierten und den unkontrollierten.
"Obendrüber ist der Luftraum für die Verkehrsflieger, für die kontrollierten Flugzeuge oder den kontrollierten Luftverkehr. Und der untere Luftraum ist der unkontrollierte. Wo sich auch kleine Motorflugzeuge bewegen. Oder ULs, Drachenflieger. Und wir Segelflieger."
Der unkontrollierte Luftraum erstreckt sich in Deutschland vom Boden bis in eine Höhe von 2500 Fuß. Das sind umgerechnet 762 Meter über Grund. Diesen Luftraum überwachen keine Fluglotsen – anders als den kontrollierten Luftraum darüber. Unten fliegen die Luftfahrzeuge nach Sichtflugregeln. Das bedeutet: Sie müssen sich selbst beobachten und einander ausweichen. Bisher funktionierte das leidlich gut. - Aber nun kommt Dave Clark ins Spiel. Der "Worldwide Operations Manager” der Firma Amazon:
"Wenn man erst einmal die Fähigkeit hat, kann man damit neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Man kann neue Kundenkontakte herstellen. Produkte, die bisher nicht innerhalb eines Tages bestellbar waren, könnten es in Zukunft sein. Es geht darum, Kern-Kapazitäten für unsere Prime-Kunden aufzubauen."
Dave Clark und Amazon wollen den unkontrollierten Luftraum kontrollieren. Und zwar weltweit. Zusammen mit Firmen wie Google, DHL und anderen Logistik-Konzernen wollen sie die unteren Luftschichten zum Waren-Transport nutzen. Mithilfe von ferngesteuerten Drohnen. Im Internet erklärt Amazon seine Pläne mit einem vergnüglichen Werbe-Video.

"Was ist sinnvoll und was nicht?"

Ein Moderator erklärt, wie Amazon sich den Lieferverkehr in der nicht-zu-fernen Zukunft vorstellt. Eine Transport-Drohne hebt ab. Unter ihren Rotorblättern hat sie ein Päckchen geladen. Nach kurzem Flug landet sie punktgenau auf einer kreisrunden Plane, die der Empfänger in seinem Garten kurz vorher ausgelegt hat – als Landehilfe. Dort setzt die Drohne das Päckchen ab und surrt davon.
Im Video surrt ein rasenmähergroßer Oktocopter der Firma Amazon durch die Luft. Er hat acht Rotoren, vier Beine und kann 120 Meter senkrecht in den Himmel steigen. Wie ein Helikopter, nur unbemannt. Die Drohne fliegt im Video – wie von Geisterhand gesteuert – zum Kunden.
So stellt sich Amazon die Zukunft vor: "Wir haben Millionen Kunden, die eine schnelle Lieferung und eine riesige Auswahl fordern. Um diesen steigenden Bedarf in Zukunft decken zu können, müssen wir bestehende Transport-Kapazitäten durch unsere eigenen Logistik-Möglichkeiten erweitern." (Werbung)
Erweitern zum Beispiel durch Transport-Drohnen. Doch um die einsetzen zu können, muss Amazon den unkontrollierten Luftraum weltweit kontrollieren. Das Unternehmen hat einen Plan vorgestellt, bei dem spezielle Fluglotsen die Luft zwischen Boden und 200 Metern Höhe überwachen. In diesem Höhenband sollen Transportdrohnen auf speziellen Korridoren durch den Himmel surren – wie auf Luftstraßen. Tag und Nacht, bei Wind und Wetter, digital vernetzt und ferngesteuert. - Schöne, neue Welt? Dirk Weisel, der Segelflugleiter aus Königsdorf, kratzt sich an der Stirn:
"Mir fehlt die Vorstellungskraft, wie das harmonisch laufen kann, wie das funktionieren soll. Dafür gibt’s auch bei uns an der Basis zu wenige Informationen, was da ausgedacht wird. Ich find’s auch spannend, wenn eine Firma wie Amazon Regeln definieren will. Sich quasi in die Gesetzes-Hoheit eines Landes einmischt nach dem Motto: ‚Wir hätten das gerne so!‘ Das sollte man, das sollten unsere Gesetzgeber nicht aus der Hand geben, da zu entscheiden: Was ist sinnvoll und was nicht?"

"Das ist die Grenze dessen, was noch machbar ist"

Unsere Gesetzgeber – das sind in Deutschland der Bundestag und, im Fall der Luftfahrt, der Bundesverkehrsminister. Auftritt Alexander Dobrindt.
Zwischen einer Blaskapelle, einer Autobahn-Auffahrt und einem Erdhaufen mit einem schleifchengeschmückten Spaten steht CSU-Mann Dobrindt. Er ist bestens gelaunt:
"Meine Damen und Herren, wir geben heute gemeinsam den Startschuss für den Ausbau der A99 ! Wir stärken damit Europas führende Metropol-Region München. Durch den Ausbau zwischen München-Nord und Ismaning werden 7 Kilometer Autobahn auf acht Streifen verbreitert…"
Hinter Dobrindt rauschen 40 Tonnen schwere LKW über das Autobahn-Kreuz München-Nord. In Spitzenzeiten passieren 160.000 Fahrzeuge täglich diesen neuralgischen Verkehrsknotenpunkt. Da reichen selbst acht Fahrspuren nicht, klagt Wolfgang Wüst, Chef der für den Ausbau zuständigen Autobahndirektion Süd:
"Man wird sich damit abfinden müssen, dass es auch nach dem Ausbau Staus geben wird. Das ist so. Wir werden in absehbarer Zeit sowieso zehn Fahrstreifen zur Verfügung haben. Und ich denke, dass das die Grenze dessen ist, was noch machbar ist."
Zehn Fahrspuren inklusive Standstreifen. Die A99 ist hier so breit wie ein Fußballfeld – fast 50 Meter. Und trotzdem steht jetzt schon fest – es wird nicht reichen. Das weiß auch Verkehrsminister Dobrindt:
"Nach unseren Prognosen für die nächsten 15 Jahre haben wir es mit einem erheblichen Aufwachsen des Verkehrs auf der Straße zu tun. Beim LKW-Verkehr prognostizieren wir 40 Prozent Anstieg. Das ist natürlich enorm, wenn man sich die heutigen Belastungen schon anschaut. Übrigens: Auf der Schiene noch mehr – da werden wir über 40 Prozent Zuwachs an Güterverkehr haben."

"Es sind hohe Sicherheitsstandards erforderlich"

Autobahnen voll, Schienen dicht – wo soll der Verkehr in Zukunft noch hin, wenn man ihn weder verschieben kann noch reduzieren will? Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Die eine führt nach unten. In Tunnelröhren. Diesen Weg gehen zum Beispiel die Verkehrsplaner in der Schweiz. Wolfgang Wüst allerdings, der Chef der Autobahn-Direktion Süd, warnt vor dem enormen Aufwand:
"Im Bau kosten Tunnels unter Umständen das Zehnfache dessen, was ein Ausbau ohne Tunnel kostet. Und im Betrieb müssen Tunnels immer beleuchtet werden, sie müssen belüftet werden, es sind hohe Sicherheitsstandards erforderlich."
Bleibt die andere Möglichkeit - die führt nach oben. Über die Straße. Denn im Luftraum scheint noch Luft nach oben zu sein. Und nach oben will Verkehrsminister Dobrindt viel lieber als nach unten.
"Zum einen beschäftigen sich ja viele Unternehmen damit, dass sie Belieferungen über Drohnen organisieren. Zum anderen gibt es ja eine ganze Reihe von Konzepten, die derzeit in Entwicklung sind. Die sehen auch für den Individualverkehr zukünftig Flugmodelle vor. Das ist sicher nichts für morgen oder die nahe Zukunft. Aber es ist etwas, das kommt."
Damit es kommen kann, muss Dobrindt erst die Regeln schaffen. Er muss sozusagen Leitplanken in den Himmel schlagen, zwischen denen sich zukünftig der steigende Luftverkehr in Bodennähe bewegen kann.

Das bereitet Hobbyfliegern Kopfschmerzen

"Man darf sich da jetzt keine schweren Lasten vorstellen. Auch keine ewig weiten Entfernungen. Weil das, was eine Drohne leisten kann – sowohl bei Tragkraft als auch Entfernung – eingeschränkt ist. Trotzdem reicht es natürlich, um auch zusätzliche Gefährdungen zu verursachen. Und das muss geregelt werden."
Die Frage ist nur: In wessen Sinn wird es geregelt? Im Sinne der Transport- und Logistik-Unternehmen wie Amazon? Oder im Sinne der allgemeinen Luftfahrt? Dobrindt scheint sich entschieden zu haben – und das bereitet Hobbyfliegern Kopfschmerzen.
Eine Flugzeug-Werkstatt in der Technischen Universität München. Hier, in einer Halle im Norden der bayerischen Landeshauptstadt, bauen 30 Studenten an einem Segelflugzeug. Mittendrin: Rambo (24) - der mit seinen blonden Haaren und dem schüchternen Blick eher Bambi heißen sollte.
"Ich bin Paul Ramsauer und studiere an der Technischen Universität München Maschinenwesen. Ich bin jetzt im achten Semester."
Paul Ramsauer, Spitzname Rambo, ist Werkstattleiter der Akademischen Fliegergruppe, kurz Akaflieg.
"Die Akaflieg München ist ein studentischer Verein an der Uni München. Und wir bauen Segelflugzeuge. Wir tun das schon seit über 90 Jahren. Das, was man hier sieht, ist unser 31. Projekt. Genannt ‚Mü31‘."
Die Mü31 ist ein einzigartiges Flugzeug. Ein Prototyp. Selbst konstruiert und handgefertigt von den Studenten der Akaflieg.

"Keine Zeit, noch irgendwelche Lufträume zu beachten"

Paul Ramsauer schraubt die Tragfläche des Flugzeugs an den Rumpf. Der Flügel ist nur an einer einzigen, schmalen Stelle hinter dem Cockpit befestigt. Das wirkt filigran, fast zerbrechlich. Wird aber halten, versichert Ramsauer.
"Wir machen noch einen Steuerungs-Belastungs-Versuch. Das ist das Thema meiner Bachelor-Arbeit. Bei dem Versuch werden wir nachweisen, dass die Steuerung hält. Dann sieht man, ob das Gestänge im Flügel richtig ausgelegt ist oder ob was kaputt geht."
Das Ziel der außergewöhnlichen Mü31-Konstruktion ist erhöhte Leistung. Denn die Mü31 soll – wenn sie Ende des Jahres fertig gebaut ist – eine besonders hohe Gleitzahl erreichen. Die Gleitzahl bestimmt…
"… wie viel Meter oder Kilometer Du machen kannst, wenn Du einen Meter verlierst." / "Welche Gleitzahl wird die Mü31 haben, rechnerisch?" / "Wir hoffen auf 50. Das heißt, dass man aus einem Kilometer Höhe 50 Kilometer weit gleiten kann."
Das wäre Rekord für ein Segelflugzeug dieser Klasse. Alles an der Mü31 ist auf minimalen Widerstand getrimmt. Denn der Segler hat – wie der Name schon sagt – keinen Motor. Der Pilot ist in der Luft auf Thermik angewiesen – also warme, aufsteigende Luftpakete. In denen schraubt sich die Mü31 nach oben wie ein Bussard oder ein Adler. Das bedeutet aber gleichzeitig:
"Man kann im Segelflugzeug natürlich nicht bestimmen, wie hoch man fliegt. Wenn man keinen Aufwind findet, sinkt man quasi immer weiter ab. Und dann ist es hilfreich, wenn da nicht irgendein Luftraum ist, der stört. Weil, wenn man tief irgendwo rumfliegt, hat man eh‘ schon Stress. Also hat man nicht wirklich Zeit dazu, noch irgendwelche Lufträume zu beachten."

In der Praxis sieht es oft anders aus

Deshalb ist es für Segelflieger wichtig, dass der untere Luftraum nicht kontrolliert ist. Denn Segler haben keinen Motor, sie fliegen nur mit Sonnenenergie. Sie müssen ihren Flugweg selbst bestimmen können, ebenso ihr Landefeld. Das kann überall sein - abgesehen natürlich von Sperrgebieten oder Kontrollzonen rund um Flughäfen. Sollte aber in Zukunft der untere Luftraum zwischen Boden und 300 Metern kontrolliert werden, würde das Hobbypiloten die Flügel stutzen. Und zwar nicht nur Segelfliegern, sondern auch Heißluftballon-Fahrern, Drachenfliegern und Gleitschirm-Piloten wie Björn Klaassen.
Björn Klaassen: "Das wäre der worst case. Also für den Streckenflug wäre das der worst case. Weil man dann nicht mehr über Land fliegen kann, so wie Vögel das machen. Sondern wir wären dann eingesperrt in Bereiche, in denen man vielleicht fliegen darf, in Fluggebieten, die vielleicht fünf oder zehn Kilometer groß sind. Alles andere geht dann nicht mehr."
Björn Klaassen ist Referatsleiter für das Thema Luftraum beim Deutschen Hängegleiter-Verband. Der DHV vertritt rund 35.000 Gleitschirm- und Drachenflieger. Neulich hatte Klaassen einen Termin im Bundesverkehrsministerium in Berlin. Es ging um mögliche Änderungen der Luftraum-Struktur.
Björn Klaassen: "Das Verkehrsministerium hat uns zugesichert, dass wir in Zukunft am Verfahren beteiligt werden. Das heißt, wenn es Veränderungen gibt, sind wir mit im Boot und können uns einbringen."
Soweit die Theorie. In der Praxis sieht es oft anders aus. Zum Beispiel Ende letzten Jahres: Da startete der Paketzusteller DHL ein Drohnen-Versuchs-Projekt - mit ministerieller Genehmigung. In Reit im Winkl in den Alpen testete DHL Paketzustellungen per Drohne – vom Startplatz im Tal zu einem Landeplatz neben einer Alpenhütte. Nicht weit entfernt liegt ein beliebter Gleitschirm-Startplatz. Das Verkehrs-Ministerium aber weihte den Deutschen Hängegleiter-Verband nicht in die Planung ein. Es gab lediglich eine knappe Mitteilung in den Nachrichten für Luftfahrer, den sogenannten NfL.
"Das Versuchsprojekt in Reit im Winkl lief nicht in unserem Sinne, weil wir nicht beteiligt worden sind. Wir haben das erst erfahren, als die NfL herauskamen. Danach haben wir uns beim Bundesverkehrsministerium… ähm… angefragt, ob wir in Zukunft beteiligt werden können, und wie das dann so weiterläuft."

"Wir plädieren für eine Versicherungspflicht"

Wie wird es weiterlaufen? Eine endgültige Entscheidung sei noch nicht gefallen, heißt es im Bundesverkehrsministerium. Aber es deutet sich eine Vorentscheidung an. Verkehrsminister Dobrindt teilt im Deutschlandradio-Interview mit, ihm gehe es vor allem darum:"… dass man leistungsfähige Drohnen auch im gewerblichen Bereich für den Luftraum ermöglicht. Wir reden da ja auf europäischer Ebene darüber, wie wir eine gemeinsame EU-Regelung hinbekommen. Klar ist natürlich, dass die Drohne im Lieferverkehr zum Einsatz kommen wird. Und dafür braucht es jetzt Regelungen, dass dies stattfinden kann."
Das neue Regelwerk, so Dobrindt, werde Drohnen noch stärker als bisher in zwei Gruppen teilen:
"Drohnen, die im privaten Gebrauch sind und Drohnen, die im gewerblichen Bereich genutzt werden. Bei gewerblichen Drohnen werden wir dafür sorgen, dass es Führerscheine gibt für die, die Drohnen steuern. Und im privaten Bereich werden wir dafür sorgen, dass kritische Infrastruktur – dazu gehören Autobahnen oder Flughäfen - in Zukunft nicht überflogen werden darf und die Drohnen im Zweifelsfall auch identifiziert werden können."
Eine Registrierungspflicht also. Quasi ein Nummernschild für Drohnen. Kristina Kelek von der Deutschen Flugsicherung (DFS) begrüßt das. Es reicht ihr aber nicht aus:
"Ich denke, man sollte sich immer das jeweilige Gefährdungs-Potential anschauen. Und deshalb plädieren wir natürlich auch für eine Versicherungspflicht. Falls Schäden entstehen, müssen sie entsprechend durch eine Versicherung abgedeckt sein."
Und Schäden werden entstehen - denn in Deutschland gehen allein in diesem Jahr schätzungsweise 500.000 Drohnen in die Luft. In den USA sollen es sogar 2,5 Millionen sein. Am Himmel wird es zukünftig enger und ungemütlicher, fürchtet DFS-Sprecherin Kelek.

Maximalhöhen für Drohnenpiloten?

"Wir haben uns seit 2015 Bedrohungen durch Drohnen im Luftverkehr angeschaut. 2015 haben wir nur 14 Bedrohungen durch Drohnen gemeldet bekommen. Im ersten Halbjahr 2016 waren es bereits 15 – und allein im letzten Monat waren es neun Bedrohungen durch Drohnen, die uns Piloten gemeldet haben."
Tendenz: Stark ansteigend. Vergangene Woche trafen sich in Braunschweig 100 Luftfahrt-Experten, um über neue Flugregeln für Drohnen zu beraten. Stefan Schulte vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft wünscht sich, dass Drohnen in Zukunft mit Transpondern ausgerüstet werden. Das sind kleine GPS-Geräte, die in regelmäßigen Abständen ein Positions-Signal aussenden.
Stefan Schulte: "Ein Transponder ermöglicht, dass man sehen kann: Wo ist die Drohne, in welche Richtung bewegt sie sich und mit welcher Geschwindigkeit? Dann kann man zumindest reagieren und eine Warnung an den Piloten schicken. Es wäre dann zwar immer noch nicht zulässig, in einen gesperrten Bereich hineinzufliegen. Aber ich hätte zumindest mal eine Möglichkeit, die Drohne zu orten."
Eine weitere Forderung beim Luftsicherheits-Kongress in Braunschweig: Maximalhöhen für Drohnenpiloten. Bisher dürfen privat genutzte Minicopte je nach Luftraum bis zu 2.500 Fuß hoch steigen. Also genau 762 Meter über dem Boden. Einzige Voraussetzung: der Pilot muss sein Fluggerät noch sehen können. In Zukunft – das plant Bundesverkehrsminister Dobrindt – sollen private Drohnen nur noch 100 Meter hoch fliegen dürfen. Unklar ist, welche Regeln für kommerzielle Drohnen gelten sollen. Also zum Beispiel für den Oktocopter mit Paketbox, wie ihn Amazon plant. Werden solche Business-Drohnen bevorzugt? Und wenn ja – was passiert dann mit der allgemeinen Luftfahrt? - Philipp Theilmann ist hauptberuflich Luft- und Raumfahrt-Ingenieur. Nebenbei ist er Segelfluglehrer für die flugzeugbauenden Akaflieg-Studenten an der TU München:
"Ich unterrichte in der Akaflieg München das Thema Luftrecht für die Auszubildenden. Ich bin Fluglehrer dafür."
Theilmann zieht einen Aktenordner aus seinem Regal. Es ist das Luftverkehrsgesetz – der Freizeitpilot zitiert aus der Präambel. Dem Grundgesetz der Fliegerei in Deutschland.
"Paragraph 1, der erste Punkt im LuftVG, sozusagen das Wichtigste im Luftverkehrsgesetz. Da steht: ‚Die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge ist frei‘. Heißt für mich: jeder kann sich im Luftraum in Deutschland frei bewegen. Außer, es ist aufgrund von Sicherheitsbedenken oder speziellen anderen Regelungen lokal eingeschränkt. Aber prinzipiell ist die Benutzung des Luftraums in Deutschland frei."
Und das könne weder eine Vorordnung des Bundesverkehrsministers noch ein Gesetz des Bundestages einfach aushebeln, findet Theilmann. Schon gar nicht ein Unternehmen wie Amazon.

"Runter kommen sie immer!"

"Wenn jetzt einzelne Interessengruppen den Luftraum punktuell einschränken möchten, dann müssen sie darlegen, warum das sein muss. In welchem Rahmen das notwendig ist. Und wie verhindert wird, dass die freie Nutzung möglichst uneingeschränkt weitergehen kann."
Dabei will der Luftfahrt-Ingenieur Theilmann nicht falsch verstanden werden. Die Idee eines schwebenden Lieferverkehrs mit Drohnen findet er faszinierend. Und wenn man es richtig anstelle, könne man es auch mit der allgemeinen Luftfahrt vereinbaren.
"Absolut. Finde ich technisch absolut machbar. Dass Drohnen auf ganz, ganz engen Korridoren fliegen können. Und dass sie Objekte, die sie erkennen, auch vermeiden können. Z.B. durch Kollisions-Warngeräte, die Flugzeuge an Bord haben. Dass da die Drohnen drumherum fliegen. Es muss nur gewährleistet sein, dass die Drohne in irgendeiner Weise Augen bekommt. Ob das optisch ist oder per Funk oder durch Lotsen – irgendwie muss dieses Gerät erkennen, was drum herum passiert. Für technisch möglich halte ich das auf jeden Fall."
Dann deutet Philipp Theilmann auf ein daumengroßes Gerät im Cockpit des Segelflugzeugs Mü31. Es ist ein sogenanntes Flarm – ein Kollisions-Warngerät für Segelflugzeuge. Seit die Segelflieger es vor zehn Jahren freiwillig einführten, ist die Zahl der Zusammenstöße deutlich zurückgegangen. Theilmann könnte sich vorstellen…
"… dass ich ein Kollisions-Warngerät verpflichtend an Bord habe, das die Drohnen auch haben. Und dann fliegen sie automatisch um mich rum. Weil es der Drohne egal ist, ob sie genau da langfliegt, wo ich jetzt bin. Die Luft ist so groß, es ist so viel Platz in der Luft vorhanden, dass ich davon ausgehe: Selbst wenn es Korridore gibt, in denen nur Drohnen fliegen dürfen, wird man trotzdem die Möglichkeit haben, dort zu landen, wenn man landen muss."
Denn hier greift das älteste und ewige Gesetz der Fliegerei: "Runter kommen sie immer!"
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